Die Vorschläge für eine EU-Gebäudeeffizienzrichtlinie sorgen für geteilte Meinungen. Warnungen vor einer Sanierungspflicht für Altbauten stehen gegen Notwendigkeiten, ohne die die Klimaziele nicht erreichbar sind. Doch was fordert die EU genau? Und was plant Deutschland in Sachen Gebäudesanierung? Ein Überblick – inklusive Meinungen aus dem Handwerk.

Bis 2030 möchte die EU-Kommission die jährliche Quote der energetischen Gebäudesanierungen verdoppeln. Bis 2050 soll der gesamte Gebäudesektor emissionsfrei sein und möglichst ohne fossile Energieträger auskommen. Das sind die Ziele, die die EU-Kommission in ihrem aktuellen Vorschlag für die Neufassung der EU-Gebäudeeffizienzrichtlinie formuliert. Nötig sind neue Vorgaben, da der größte Teil des Energieverbrauchs in Europa nach Angaben der Kommission auf Gebäude zurückzuführen ist.
So soll die Sanierungspflicht aussehen
Dabei setzen die EU-Politiker mit ihren Plänen an den Energieeffizienzklassen der Gebäude an, wie sie in Energieausweisen angegeben sind – von A bis H, wobei A die beste Energieeffizienzklasse darstellt. Schrittweise sollen alle Bestandsgebäude mindestens auf das Level der Klasse E verbessert werden. Konkret sehen die geplanten Stufen wie folgt aus:
- Bis 2027 sollen öffentliche Gebäude und Nichtwohngebäude so energetisch saniert werden, dass sie mindestens das Gesamtenergieeffizienzniveau F erreichen. Bis 2030 müssen sie das Effizienzniveau E aufweisen.
- Wohngebäude sollen dagegen bis 2030 mindestens das Gesamtenergieeffizienzniveau F erreichen. Bis 2033 muss mindestens die Klasse E erreicht und entsprechend saniert sein.
Für jedes Gebäude soll den Plänen zufolge ein verpflichtender Renovierungspass eingeführt werden. Darin soll dargelegt sein, durch welche Sanierungsschritte ein Gebäude spätestens 2050 emissionfrei wird. Es ergibt sich damit sozusagen eine Sanierungspflicht für alle bestehenden Gebäude, die jetzt eine Energieeffizienzklasse ab dem Niveau G oder F aufweisen. Das sind laut EU-Kommission rund 15 Prozent der Gebäude eines jeden Landes. Die Deutsche Unternehmensinitiative Energieeffizienz (Deneff) teilt mit, dass diese verpflichtenden Sanierungen in Deutschland hauptsächlich Bauten der Nachkriegsjahre betreffen würden, die bis heute nicht einmal teilmodernisiert wurden.
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Sanierungspflicht: Deutschland unterstützt EU-Pläne
Im Koalitionsvertrag haben die Ampel-Parteien explizit angekündigt, die Gebäudeinitiativen der EU-Kommission zu unterstützen. Deshalb geht die Deneff davon aus, dass Deutschland die Pläne zur Steigerung der Energieeffizienzklassen übernimmt. Die Bundesregierung und alle anderen Länder können dazu auch nationale Mindestnormen für die Gesamtenergieeffizienz festlegen – also wie man die Effizienzklassen insgesamt erreichen kann. Ob ein Austausch der Heizung, eine Fassadendämmung, neue Fenster oder mehrere Maßnahmen notwendig sind, muss man dann individuell für jedes Gebäude entscheiden. Ausschlaggebend sei die Gesamtbilanz.
Im Koalitionsvertrag haben SPD, Grüne und FDP in Sachen Gebäudesanierung allerdings noch einige weitere Pläne dargelegt. Dazu zählen unter anderem die Überarbeitung des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) und das Ziel, dass bis 2025 mindestens 65 Prozent aller Heizungen auf erneuerbare Energien umgerüstet sein sollen. Da diese Pläne mit Zeitdruck umgesetzt werden sollen, rechnet etwa der Zentralverband des Deutschen Baugewerbes (ZDB) damit, dass Deutschland damit schon gesetzlich das erfüllt, was die EU von den Mitgliedsstaaten erwartet. Der ZDB geht davon aus, dass die EU die Gebäudeeffizienzrichtlinie nicht vor 2024 umsetzt.
Sanierungspflicht: Hausbesitzer überfordert?
Die Pläne für die Novellierung des GEG sehen derzeit unter anderem vor, dass ab 2025 alle Neubauten den KfW-Effizienzstandard 40 haben müssen. Bei den Sanierungen sollen ab 2025 die auszutauschenden Teile einen Effizienzstandards 70 vorweisen. Um dies zu unterstützen, wurde bereits zum 1. Februar 2022 die Förderung über die KfW-Bank so verändert, dass Neubauten nur noch ab dem Standard 40 Kredite und Zuschüsse bekommen. Sanierungen bekommen dafür ein stärkeres Gewicht und damit mehr finanzielle Unterstützung. "Es kann also gut sein, dass wir hier schon weiter sind, als es Europa fordern wird", sagt dazu Felix Pakleppa, der Hauptgeschäftsführer des ZDB im Interview mit der Deutschen Handwerks Zeitung.
Der Verband kritisiert die Pläne der EU-Kommission allerdings hinsichtlich ihrer verpflichtenden Vorgaben. Diese könnten Hausbesitzer überfordern, denn die EU gebe einen engen Korridor mit wenig Spielraum vor. "Das wird nicht zu einer höheren Akzeptanz der Vorschläge bei Wohnungseigentümern und Mietern und letztlich bei Bürgern und Bürgerinnen führen", sagt Felix Pakleppa.
Ähnliche Stimmen kommen auch aus dem Handwerk. So sagt Stuckateurmeister Bernd Nees aus Eggenstein-Leopoldshafen bei Karlsruhe, dass schon die aktuellen Fördervorgaben für Fassadendämmungen viele Gebäudebesitzer abschrecken. Dabei seien auch Vorurteile noch verbreitet wie "das Haus könne nicht mehr atmen" und "aus den Fenstern werden Schießscharten, wenn Fensterbänke 40 cm tief sind". Diese führen dann dazu, dass die Hausbesitzer die Fassade oftmals nur streichen lassen. "Dann sind die Weichen für die nächsten 15 bis 20 Jahre gestellt", sagt Nees. Seiner Meinung nach sehe man jetzt schon, wie schwierig es ist, geltende Vorschriften durchzusetzen und zu kontrollieren. Deshalb hält er Verschärfungen, noch dickere Dämmplatten zu fordern, eher für schädlich für ein Vorankommen bei der Gebäudesanierung.
"Viele Gebäudehüllen sind energetisch schlecht"
Michael Weißert dagegen, ebenfalls Stuckateurmeister und Energieberater aus Asperg bei Ludwigsburg, plädiert dagegen für die Pläne und vor allem dafür, dass über die Fördermöglichkeiten, die zur Verfügung stehen und neu geschaffen werden sollen, besser aufgeklärt werden muss. Denn aus seiner Sicht können Mehrkosten damit aufgefangen werden und damit auch für die Gebäudebesitzer sinnvoll sein. Weißert sagt, dass auf Hausbesitzer nun schon etwas zukommt und das wohl auch nicht nur auf die, die sowieso eine energetische Sanierung planen. "Aber das ist auch nötig, denn es gibt so viele Häuser aus den 50ern und 60ern, deren Gebäudehüllen einfach energetisch schlecht", sagt er.
Oftmals sei es derzeit so, dass Hausbesitzer denken, wenn sie dann mal die Fenster machen lassen, hätten sie schon energetisch was getan. "Neue Fenster alleine bringen aber nur etwa fünf bis acht Prozent an Gesamtenergieeinsparung und wenn man nichts an der Gebäudehülle macht, kann sich das in Sachen Schimmel sogar noch negativ auswirken. Dann sind die Wände manches Mal kälter als die Fenster", sagt der Energieberater und weist auf die Bedeutung hin, dass Sanierungsmaßnahmen immer am ganzen Gebäude ansetzen und aufeinander abgestimmt sein müssen. Hierbei erwähnt er den individuellen Sanierungsfahrplan, den Energieberater vor einer Sanierung erstellen können. Der Staat fördert ihn derzeit zu 80 Prozent. Er erfüllt sozusagen schon an die EU-Pläne des Renovierungspasses.
Sanierungspflicht hilft Klimazielen: Förderungen extrem wichtig
Michael Weißert rechnet seinen Kunden gerne vor, dass sie vor allem langfristig sehr viel sparen, wenn sie energetisch sanieren. Für ihn bildet sich das Thema in einer ganz einfachen Aufstellung ab: "Mehr Dämmen, weniger Heizen, weniger Ausstoß = mehr Nutzen für das Klima und die Umwelt und weniger Kosten." Wichtig sei dabei, dass die Kunden über Fördermöglichkeiten aufgeklärt sind. KfW, BAFA und auch regionale Förderungen gut kombiniert, würden derzeit viele Investitionen lohnenswert machen.
"Erst kürzlich hatte ich den Fall, dass Besitzer von einem Mehrfamilienhaus eigentlich unbedingt die günstigste Gasheizung wollten, die man derzeit bekommen kann. Am Ende haben sie nun eine Solarthermieanlage, die 25 Prozent der gesamten Heizlast abdeckt, und nur zusätzlich eine Gasheizung als Spitzenlastheizung, die mit Biogas läuft. Andere erneuerbare Energiesysteme waren leider nicht gewünscht. Über verschiedene Förderungen konnten wir nahezu den gleichen Preis für diese Heizungsarten herausholen. Langfristig sparen die Leute noch einiges an Energiekosten ein", berichtet Energieberater Weißert. "Die Sonne schreibt uns keine Rechnung. Wir müssen weg von den fossilen Energieträgern", fügt er hinzu. Es sei einfach dringend nötig sei, dass wir alle etwas für den Klimaschutz tun.
"Die Sanierungspflicht klingt strenger, als sie ist"
Die EU-Pläne und die damit eventuell einhergehende Sanierungspflicht muss man andererseits auch nicht so dramatisch sehen, wenn man sich Details der vorgesehenen Regelungen anschaut. Dieser Meinung ist Bauphysiker Luca Arenz. Er hat sich die Pläne der EU genau angesehen und sieht in der Berichterstattung darüber auch einiges an "Panik". "Die Sanierungspflicht klingt meiner Meinung nach strenger, als sie überhaupt ist", sagt er. Da dabei das Prinzip der Wirtschaftlichkeit gelte, bleibe jedem Hausbesitzer immer die Möglichkeit, der Sanierung zu entgehen.
Bisher sind seiner Ansicht nach außerdem unter der "Sanierungspflicht" nur Minimalmaßnahmen angesetzt. "Die oberste Geschossdeckendämmung beispielsweise ist ohnehin verpflichtend, wenn man nicht selbst drin wohnt. Und eine Heizung, die älter ist als 30 Jahre, muss man auch bereits nach den jetzt geltenden Regelungen austauschen, wenn es sich dabei nicht um einen Niedertemperatur-, Brennwertkessel oder gar eine Wärmepumpe handelt. In diesem Sinne gibt es bereits Pflichten", sagt Arenz. Außerdem sei es wichtig zu bedenken, dass noch einige Jahre Zeit ist, bis diese Pläne in Kraft treten. "Daher sollte man sich frühzeitig Gedanken machen und sich gegebenenfalls um Förderungen kümmern. Ich kann nur empfehlen, möglichst alle Maßnahmen zusammenzupacken. Das heißt, zeitgleich zu sanieren, um das Effizienzhausniveau so früh wie möglich zu erreichen. Denn so erhält man auch höhere Fördermittel", rät auch er.
Wer Sanierung plant, sollte Preissteigerungen im Blick haben
Um die Pflichten zu erfüllen, sollte man sich also Gedanken machen, was in den nächsten Jahren ohnehin am Objekt gemacht werden muss und daher saniert werden kann. "So wird etwas erneuert, das notwendig und effizient für das Objekt ist. Mit den neuen Verpflichtungen wird es nur in einem höheren Standard gemacht", so der Bauphysiker. Im Endeffekt gehe es darum, von den extrem schlechten Standards auf die weniger schlechten Standards aufzusteigen. Daher sei beinahe jede Maßnahme eine mögliche und sinnvolle Maßnahme. Womit man aber aus seiner Sicht in den nächsten Jahren rechnen muss, sind Preissteigerungen. Und auch das sollte man in seine vielleicht jetzt schon bestehenden Sanierungspläne einbeziehen.