Fleischesser vs. Veganer, Klimasünder vs. Klimaschützer: Diskussionen um den Fleischkonsum der Deutschen werden hitzig geführt. Nach Ansicht des Deutschen Fleischerverbands sind sie vor allem viel zu undifferenziert. Sie führen zu pauschalen Verurteilungen – zu Lasten von kleinen Betrieben, die regional wirtschaften. Mit einem offenen Brief hat sich das Fleischerhandwerk an Cem Özdemir gewandt. Das steckt dahinter.

"Wir erleben derzeit, dass der Verzehr von Fleisch auf ganz unterschiedliche Weise angegriffen wird. Leider macht da die Politik Ihres Ministeriums keine Ausnahme." Mit sorgenvollen Worten hat sich der Deutsche Fleischerverband (DFV) erst vor ein paar Tagen an Bundesernährungsminister Cem Özdemir gewandt. In einem offenen Brief kritisiert der Verband, dass die derzeitige Stimmungsmache gegen den Fleischkonsum politisch unterstützt in eine falsche Richtung führe. Das Fleischerhandwerk sieht sich pauschal verurteilt. Sowohl jede Form der Tierhaltung als auch der Fleischverarbeitung werde an den Pranger gestellt als klimafeindlich, nicht nachhaltig und ungesund.
Fleischkonsum ist nicht per se ungesund: Offener Brief gegen pauschale Verurteilung
Dem möchte der Verband etwas entgegensetzen und fordert den Minister auf, endlich gehört zu werden. "Sehr geehrter Herr Minister, seit Ihrem Amtsantritt bitten wir Sie um ein Gespräch, in dem wir Ihnen unsere Anliegen vortragen und Vorschläge machen können, wie wir eine Versorgung der Menschen aus der Region für die Region sicherstellen können", heißt es in dem Brief. Leider sei es bis heute nicht dazu gekommen. "Wir möchten darauf aufmerksam machen, dass die Diskussionen in Sachen Landwirtschaft und Ernährung derzeit extrem undifferenziert verlaufen", erklärt dazu Herbert Dohrmann, der Präsident des DFV, auf Anfrage der DHZ.
Da es angesichts der Grünen Woche in Berlin derzeit unter anderem um Ernährungstrends und auch Wege für eine nachhaltige Landwirtschafts- und Ernährungspolitik geht, nutzt der DFV den Anlass, diesmal öffentlich auf das Bundesministerium zuzugehen.
Offener Brief für nachhaltigen Fleischkonsum
Im Prinzip liegen beide gar nicht so weit auseinander mit den einst formulierten Zielen. So betont Cem Özdemir selbst in seinen Ansprachen immer wieder, dass es ihm um einen Umbau der Tierhaltung geht, um mehr Tierwohl, um den Klimaschutz. Es gehe nicht darum, den Fleischkonsum generell zu beseitigen. Stattdessen gehe es um den Verzehr von weniger, aber dafür nachhaltiger produziertem Fleisch. Genau dafür steht auch das Fleischerhandwerk nach eigenen Angaben.
"Das Fleischerhandwerk bekennt sich mit allem Nachdruck zu allen Bestrebungen, die eine möglichst gute, nachhaltige und tiergerechte Haltung zum Ziel haben. Unsere Betriebe sind in der Region verwurzelt und leben diese Ideale, wo immer es möglich ist", heißt es im Brief. Doch dann folgt die Kritik. Denn es werde gerade den kleinen Betrieben immer mehr erschwert, eine nachhaltige und tiergerechte Haltung umzusetzen. Angesprochen sind dabei steigende Bürokratielasten durch neue Haltungskennzeichnungen und Zertifizierungssysteme, genauso wie der Umbau der Tierhaltung, der Kosten nach sich zieht.
"Die neue Tierhaltungskennzeichnung wird nicht dazu führen, dass es den Tieren besser geht", erklärt dazu Herbert Dohrmann. Stattdessen würden Landwirte pauschal unter einen permanenten Verdacht gestellt, Tiere zu quälen, wenn sie nicht alle Kriterien sofort mit Bravour erfüllen. "Wenn irgendwo ein Verstoß gegen Tierschutzstandards festgestellt werden, müssen die Verantwortlichen dafür geradestehen. Es braucht mehr Kontrollen und vielleicht muss man auch das Tierschutzgesetz anpassen. Aber eine neue Kennzeichnung bringt hier keinen Fortschritt, sondern neue Bürokratie", sagt der DFV-Präsident.
Fleisch nicht als gesundes Lebensmittel eingestuft
Einen Angriff auf den Fleischkonsum und eine zu pauschale Kritik daran erkennt der DFV auch in dem jüngsten Vorstoß des Ernährungsministers, gesunde Lebensmittel bei der Mehrwertsteuer entlasten zu wollen. Als gesund stuft Özdemir allerdings ausschließlich pflanzliche Lebensmittel ein. Fleisch und Fleischerzeugnisse würden dagegen diffamiert, schreibt der Verband, dem die negative Stimmungsmache zu weit und vor allem in die falsche Richtung geht. "Die ständigen ideologischen Angriffe auf Fleisch werden diejenigen Verbraucherinnen und Verbraucher erreichen, die sich schon jetzt möglichst bewusst ernähren."
Das seien aber auch die Menschen, die sich mit der unterschiedlichen Qualität von Lebensmitteln auseinandersetzen und bereit sind für gute Qualität etwas mehr zu bezahlen. "Die vielen aber, denen ein günstiger Preis über alles geht, werden sich kaum beeindrucken lassen", heißt es vom DFV. Damit bestrafe man die kleinen, nachhaltig wirtschaftenden Produzenten, denn gutes Fleisch werde dann weniger nachgefragt. Die Massenproduktion werde hingegen kaum gestoppt, denn hier bleibt die Nachfrage bestehen.
Offener Brief zum Fleischkonsum: "Nicht nur Obst und Gemüse sind gesunde Lebensmittel"
In seinem Brief an Cem Özdemir stellt der Fleischerverband aber selbst eine These auf, die für Diskussionen sorgen dürfte. Denn er stellt in Frage, dass eine gesunde Ernährung auch ohne den Verzehr von tierischen Produkten auf unkomplizierte Art und Weise funktioniert. So könne man sich nur vegan ernähren ohne das Risiko von Mangelerkrankungen, wenn man einen strikten Ernährungsplan einhalte und sich einer engen ärztlichen Kontrolle unterzieht, heißt es in dem Brief.
"Mit diesen Hinweisen wollen wir uns auch gegen das undifferenzierte Verurteilen wehren. So ist der Fleischverzehr nicht grundsätzlich ungesund und Veganer leben nicht grundsätzlich gesund. Fleisch besitzt wertvolle Nährstoffe und richtig dosiert ist es durchaus gesund. Genauso kann eine vegane Ernährung, die einseitig ausgerichtet ist, auch ungesund sein", sagt Herbert Dohrmann. Er fordert im Namen des Verbands, dass die pauschale Kategorisierung endet – und vor allem, dass das Ernährungsministerium sie nicht weiter schürt. Ein Anheizen der Diskussion sieht er beispielsweise in Vorschlägen wie einer Mehrwertsteuer von Null Prozent nur auf Pflanzliches. "Damit ist der Eindruck zementiert, dass Fleisch ungesund ist und Obst und Gemüse gesund und nichts anderes – und das stimmt so nicht."
Dabei weist der DFV auch auf die Tatsache hin, dass der Anteil der Menschen in Deutschland, die nicht auf tierische Produkte verzichten möchten, weit höher liegt als der Anteil der Veganer. "Die Menschen wollen Fleisch essen." Diskutieren sollte man laut DFV darüber, welche Form der Tierhaltung und Fleischverarbeitung man unterstützt. Fleischprodukte pauschal finanziell stärker zu belasten als pflanzliche Lebensmittel sei nicht fair. Das gelte gerade in den Zeiten, in denen auch kleine, regionale Betriebe unter der hohen Inflation, den Energiekosten und dem starken Druck der großen Industrieanbieter leiden. "Wir fordern, dass Rahmenbedingungen endlich so gemacht werden, dass Kleine eine realistische Überlebenschance haben. Was wir derzeit sehen, ist ein politisch und ideologisch getriebenes Forcieren des Strukturwandels hin zu Industrialisierung und Zentralisierung", heißt es im Brief an Cem Özdemir.