Vorzeitige Vertragslösungen im Handwerk Ausbildungsabbruch: Wenn Azubi und Betrieb sich trennen

Ausbildungsabbrüche sind ein bitterer Rückschlag für alle Beteiligten. Gegenseitige ­Schuldzuweisungen helfen nichts. Nur mit einer ehrlichen Ursachenanalyse lassen sich ­künftige Abbrüche vermeiden.

Ann-Kathrin Siegers und Franziska Hafermalz
Ann-Kathrin Siegers und Franziska Hafermalz von der Bäckerei Bergmann wissen als Azubi-Coaches, wie sie auch mit schwierigen Situationen umgehen können. - © Bäckerei Bergmann

Nachwuchs im Bäckerhandwerk zu finden ist schwierig. Fast jede dritte angebotene Ausbildungsstelle zum Bäcker blieb 2021 unbesetzt. Bei den Fachverkäufern im Lebensmittelhandwerk war das Verhältnis noch ungünstiger; knapp 8.000 Stellen boten die Ausbildungsbetriebe an, fast 3.600 blieben unbesetzt (Bibb-Erhebung).

Angesichts dieser Schwierigkeiten bei der Besetzung der Ausbildungsplätze ist es für die Betriebe besonders bitter, wenn sie ihre Azubis nicht halten können. 2019 wurden bei den Fachverkäufern 45,5 Prozent der Ausbildungsverträge vorzeitig gelöst, bei den Bäckern 41,7 Prozent (Berufsbildungsstatistik im Bibb-Datenreport 2021). Im Durchschnitt aller Handwerke werden 35,2 Prozent aller begonnenen Ausbildungen vorzeitig beendet, in der Gesamtwirtschaft sind es 26,9 Prozent.

Gründe für Ausbildungsabbrüche

Meist gibt es mehrere Gründe, warum sich Azubi und Betrieb ohne Abschluss voneinander trennen, und meist sind beide Seiten davon überzeugt, dass der Fehler beim anderen liegt.

Doch die Schuld bei der Gegenseite zu suchen, helfe nicht weiter, ist Julia Riese überzeugt. Die Leiterin von "Handwerk & Bildung" (Habi) der Bauinnung Kyffhäuser-Unstrut-Hainich hatte 2018 nach auffallend vielen Ausbildungsabbrüchen in der Region Betriebe und Azubis zur Ausbildung befragt. "Ausbilder und Azubi verstehen oft überhaupt nicht, was der andere erwartet", fand sie heraus.

Trotz Ausbilderscheins oder Meister seien viele nicht auf die Realität der Ausbildung vorbereitet: "Die wenigsten wissen, wie man Gespräche führt, wie man die richtigen Fragen stellt, um Problemen auf den Grund zu gehen, oder wie man Feedback gibt." Deswegen entwickelte sie für Habi das Programm "Azubi-Coach", in dem sie Ausbildern genau das vermittelt: Führungsstil, Stress- und Zeitmanagement und vor allem gute Kommunikation.

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Ausbildertraining für Gesellen

Franziska Hafermalz und Ann-Kathrin Siegers von der Bäckerei Bergmann in Frömmstedt haben dieses Programm im vergangenen Jahr absolviert. "Das bringt einen schon viel weiter", stellt Hafermalz fest, "gerade im Umgang mit Konflikten." Seit 2005, also seit ihrer Ausbildung zur Bäckereifachverkäuferin, arbeitet sie in dem 450 Mitarbeiter zählenden Betrieb.

Mittlerweile ist sie hier Ausbildungsbeauftragte und Willkommensbegleiterin. "Ich arbeite mit den neuen Azubis und Kollegen mit, erkläre ihnen alles in Ruhe und bin einfach für sie da, wenn sie unsicher sind oder Probleme haben." Sie könne seit jeher gut mit Menschen umgehen und habe viel Erfahrungswissen. Aber bis zum Azubi-Coach hatte sie kein spezielles Ausbildertraining absolviert, so wie im Handwerk viele, die Azubis betreuen.

Anspruchsvolle Bedingungen

Dabei ist Ausbildung im Handwerk besonders anspruchsvoll: "Es ist einfach anders als in der Industrie. Da gibt es keine Lehrwerkstätte, die Auszubildenden werden direkt reingeworfen in den Betriebsalltag mit allem Zeit- und Termindruck", erläutert Andrea Greilinger, warum es im Alltag oft zu Schwierigkeiten kommt. Die Wissenschaftlerin erforscht seit Jahren am Ludwig-Fröhler-Institut für Handwerkswissenschaften, was zu Ausbildungsabbrüchen führt. Ihre Befragungen von Azubis wie Ausbildern zeigen: "Das Grundproblem ist nicht ausreichende Kommunikation."

Ann-Kathrin Siegers, bei der Bäckerei Bergmann für das Personal zuständig und ebenfalls Azubi-Coach, ist das bewusst. "Wir reden mit unseren Mitarbeitern viel über ihre Anliegen und Probleme." Es sei in einem großen Betrieb wie ihrem zwar schwierig, auf jeden Rücksicht zu nehmen. "Aber man muss einfach den Willen haben, zu hören, was der Mitarbeiter zu sagen hat." Die Mühe lohnt sich. Dank der guten Kommunikation – und mit Hilfe eines ganzen Bündels an Mitarbeiterprogrammen – kann der Betrieb seine Mitarbeiter besser halten als früher.

Den Mitarbeitern zuhören

Trotzdem gibt es auch bei Bergmann noch Ausbildungsabbrüche. "Manche Auszubildenden merken nach zwei, drei Monaten, dass sie das lange Stehen, die körperliche Arbeit und das frühe Aufstehen nicht durchhalten", beschreibt Siegers. Viele belaste der weite Weg zur Berufsschule. Hinzu kämen immer wieder private Gründe, finanzielle Sorgen oder auch Schwangerschaften.

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Auf solche Hintergründe haben Betriebe keinen Einfluss und sie können auch die Jugend nicht verändern. Aber sie können lernen, besser mit schwierigen Rahmenbedingungen umzugehen. "In unseren Schulungen erkennen viele Teilnehmer im Nachhinein, wie sie besser hätten reagieren können", beobachtet Julia Riese. Sie weiß, wie schwer es Handwerkern fällt, die Zeit für Weiterbildungen aufzubringen. "Aber es genügt nicht, sich nur fachlich auf dem Laufenden zu halten. Wenn ich ausbilden will, dann muss ich auch dafür Lernzeit investieren."