Jede dritte Ausbildung im Handwerk wird vorzeitig gelöst. Gründe für die Trennung gibt es viele. Auf welche Warnzeichen Ausbilder achten können und wie Auszubildende die Lage sehen.

Jede dritte im Handwerk begonnene Ausbildung wird vorzeitig gelöst. Im Durchschnitt aller Wirtschaftsbranchen lag die Abbruchquote laut Datenreport 2021 des Bundesinstituts für Berufsbildung bei einem guten Viertel. Warum das Handwerk hier schlechter abschneidet, hat viele Gründe.
Je niedriger der Schulabschluss des Auszubildenden zum Beispiel ist, desto höher das Risiko, dass sich Ausbilder und Azubi vorzeitig voneinander trennen. 37,6 Prozent der im Handwerk 2019 rekrutierten Azubis hatten Hauptschulabschluss, 40,3 Prozent die Mittlere Reife und nur 14,9 Prozent eine Studienberechtigung. In Industrie und Handel war das Verhältnis genau umgekehrt. Der Anteil der Hauptschüler betrug 19,5 Prozent, der Realschüler 40,2 und der Studienberechtigten 35,2 Prozent.
Vertragslösungen abhängig von Alter und Schulbildung
Auch in der Industrie gibt es Bereiche mit sehr hohen Lösungsquoten, allen voran die Gastronomie. Diese Zahlen werden aber ausgeglichen durch Zweige mit extrem niedrigen Quoten. Solche fehlen im Handwerk. Im Jahr 2020 gab es nur einen Handwerksberuf, in dem weniger als zehn Prozent der Ausbildungen vorzeitig gelöst wurden und diese Branche ist sehr klein. Die Chirurgiemechanik hatte bundesweit 45 neue Ausbildungsverträge, es wurden lediglich 8,4 Prozent vorzeitig gelöst.
Ein Drittel der vorzeitigen Vertragslösungen in allen Wirtschaftsbereichen geschieht innerhalb der Probezeit, also in den ersten drei bis vier Monaten nach Ausbildungsbeginn. Ein weiteres Drittel ist zwar nach der Probezeit, aber noch innerhalb des ersten Ausbildungsjahres. Ein Viertel der Lösungen ereignet sich erst im zweiten Lehrjahr und über zehn Prozent im dritten (Bibb-Datenreport 2021).
Laut Zahlen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung gehen 40 Prozent der vorzeitigen Vertragslösungen von den Betrieben aus. Der Rest geschieht im gegenseitigen Einvernehmen oder auf Wunsch der Auszubildenden. Die Gründe für die Trennung erklären beide Seiten sehr unterschiedlich.
Trennungsgründe aus Sicht der Betriebe
- mangelnde Berufsorientierung des Azubis im Vorfeld
- Fehlzeiten
- Unpünktlichkeit
- unzureichende Identifikation mit dem Betrieb
- mangelnde Motivation und fehlendes Durchhaltevermögen
- unzureichende Leistung im Betrieb, Überforderung
- mangelndes Sozialverhalten, Teamfähigkeit
Trennungsgründe aus Sicht der Azubis
- Konflikte mit Chef oder Kollegen
- Kommunikationsprobleme
- Betrieb, Arbeitsumfeld oder Beruf passte nicht
- Beschäftigung statt Ausbildung
- Zeit- und Leistungsdruck
- mangelnde Vermittlung von Ausbildungsinhalten
- unbezahlte Überstunden
- ungünstige Arbeitszeiten
- Nichteinhalten des Jugendarbeitsschutzes
- ungünstige Urlaubsregelungen
- Überforderung, Probleme im Betrieb oder in der Berufsschule
- gesundheitliche Probleme
- familiäre, private Probleme
- die eigene schlechte Arbeitsleistung und Verlässlichkeit
Viele der von Ausbildern angeführten Kritikpunkte sind identisch mit den Warnzeichen dafür, dass der Azubi sich innerlich bereits verabschiedet hat, zeigt die Studie: „Ausbildungsabbrüche? – Nicht in meinem Betrieb!“
Warnzeichen für Abbruch
- häufiges unentschuldigtes Fehlen
- Desinteresse und Lustlosigkeit
- häufige Krankmeldungen
- über einen längeren Zeitraum krankheitsbedingte Fehlzeiten
- unzureichende Leistungen in der Berufsschule
- wiederholte Unpünktlichkeit
(Quellen: Bibb-Datenreport 2021, Analyse der Ursachen und Entwicklung von Lösungsansätzen zur Verhinderung von Ausbildungsabbrüchen in Handwerksbetrieben, Greilinger 2013)
Drei Monate bis zum Ausbildungsabbruch
Meist bleibt den Unternehmern sehr wenig Zeit, um auf die Situation zu reagieren und einen Abbruch zu vermeiden. Nach Untersuchungen zu vorzeitigen Vertragslösungen in der betrieblichen Ausbildung des Ludwig-Fröhler-Instituts dauert es meist weniger als drei Monate von den ersten Gedanken bis zur tatsächlichen Trennung. Deswegen ist es wichtig, schon in der Anbahnungsphase der Ausbildung Klarheit zu schaffen.
Was hilft gegen Ausbildungsabbrüche?
Auf viele Faktoren im Zusammenhang mit Ausbildungsabbrüchen haben Unternehmer keinen Einfluss. Stellschrauben sind aber noch intensivere Angebote zur Berufsorientierung von Seiten der Betriebe, damit Azubis im Vorfeld wissen, was sie im Beruf erwartet.
- Präsentation des Ausbildungsberufs im Rahmen schulischer Informationsveranstaltungen
- Betriebsbesichtigungen in Kooperation mit Schulen
- verpflichtende Betriebspraktika, möglichst zweiwöchig, bei denen ein realistisches Bild des Ausbildungsberufs, der Arbeitstätigkeiten und der Anforderungen vermittelt wird
- Einbezug der Eltern in die Bewerbungsphase
Während der Ausbildung ist eine gute Kommunikation wichtig, um Schwierigkeiten gar nicht erst aufkommen zu lassen beziehungsweise, sie frühzeitig zu bemerken:
- offene Aussprachen, auch unter Einbeziehung von Eltern und Partnern der Azubis, Kollegen, Beratern der Handwerkskammer, Berufsschullehrern
>>> Lesetipp: 10 Fragetechniken für lösungsorientierte Gespräche mit Azubis - Nachhilfemaßnahmen für Azubis, Schulungen zur Konfliktbewältigung/Mediation für Azubis sowie die Mitarbeiter
- Entgegenbringen von Aufmerksamkeit und Verständnis sowie Anerkennung und Lob
- Verbesserung der Ausbildungsqualität des Betriebs und der direkt mit der Ausbildung betrauten Mitarbeiter
>>> Lesetipp: Lebenslanges Lehren lernen