Die neue Corona-Arbeitsschutzverordnung verlagert die Wahl der angemessenen Schutzmaßnahmen in die Hand der Arbeitgeber. Währenddessen kehrt außerhalb der Betriebe ab dem 3. April weitestgehend Normalität ein. Diese Diskrepanz motiviert nicht zu ambitionierten Schritten. Was Arbeitgeber jetzt dürfen oder müssen – und wie sie für Akzeptanz in der Belegschaft sorgen.

Bis zum 25. Mai gilt es, angemessen durch die unbeständige Infektionslage zu steuern. Dann läuft die Neufassung der Corona-Arbeitsschutzverordnung voraussichtlich aus. Bis dahin verpflichtet sie Betriebe, einen Basisschutz aufrechtzuerhalten.
Wie genau dieser aussehen soll, ist nicht näher definiert. Somit haben Arbeitgeber einerseits große Freiräume. Andererseits tragen sie eine hohe Verantwortung, denn sie müssen die Gesundheit ihrer Mitarbeiter schützen. Wie das anhand der neuen Verordnung gelingen kann, ohne das Betriebsklima zu strapazieren.
1. Hygiene-Schutzkonzept erstellen
Die neue Corona-Arbeitsschutzverordnung basiert wie gehabt auf einem Hygieneschutzkonzept. Im Rahmen einer Gefährdungsbeurteilung muss analysiert werden, wo ein Ansteckungsrisiko besteht. Hinsichtlich der Vorkehrungen schreibt die Verordnung keine konkreten Pflichten vor. Sie benennt jedoch beispielhaft einige Maßnahmen, die Arbeitgeber zu prüfen haben. Zu diesen gehören das Tragen von Masken, ein kostenloses Testangebot sowie eine Verlagerung der Arbeit ins Homeoffice. "Ist laut Gefährdungsbeurteilung keiner dieser Punkte zweckmäßig, kann jedoch darauf verzichtet werden", erläutert Rechtsanwalt Volker Görzel.
An anderer Stelle macht die Verordnung hingegen klare Vorgaben: Der Arbeitgeber muss weiterhin das Impfen während der Arbeitszeit erlauben. Der Impf- oder Genesenen-Status der Angestellten darf allerdings nicht mehr erfragt oder im Konzept berücksichtigt werden. Eine 3G-Regelung ist somit nicht mehr möglich.
Finden im Arbeitskontext Infektionen statt, weil der Schutz unzureichend war, ist eine Haftungsklage gegen den Arbeitgeber theoretisch möglich. "Das ist aber in der Praxis sehr unwahrscheinlich. An welchem Ort sich jemand angesteckt hat, ist kaum nachweisbar", schätzt der Rechtsanwalt.
2. Den Dialog suchen
Bei der Einschätzung des Infektionsrisikos sind – falls vorhanden – die Fachkraft für Arbeitssicherheit, der Betriebsarzt und zwingend der Betriebsrat als gleichberechtigte Ansprechpartner miteinzubinden. Dabei geht es laut Stefan Ganzke, Sicherheits-Experte der Wandel Werker Consulting GmbH, nicht nur darum, eine weitere Kontrollinstanz zu schaffen. Vielmehr bietet sich die Chance, die Perspektive der Angestellten miteinzubeziehen. Wenn alle Prozesse transparent sind, fällt es den Kollegen leichter, die Entscheidungen anzunehmen.
Kommen die Beteiligten zu dem Schluss, dass Masken in bestimmten Situationen getragen werden müssen, ist es Aufgabe des Arbeitgebers diese bereitzuhalten. Auch die Tests hat er kostenlos zur Verfügung zu stellen, wenn die Notwendigkeit besteht.
Aber nicht nur die Begebenheiten vor Ort sind entscheidend. Auch die Stimmen der Arbeitnehmer spielen eine Rolle. "Wenn einzelne Mitarbeiter sich weiterhin testen wollen, dann sollten Arbeitgeber dies auch zulassen. Die Kosten stehen in keinem Verhältnis zu Mitarbeitern, die aus Sorge abgelenkt und deutlich weniger produktiv sind", ist Ganzke überzeugt. Den Ängsten der Mitarbeiter verständnisvoll zu begegnen, ist in seinen Augen besser, als sie abzuweisen.
3. Flexibel auf Veränderungen reagieren
An den Handlungen des Unternehmers messen sich seine Authentizität und Glaubwürdigkeit. Zum einen heißt das, dass er als gutes Beispiel voran gehen und die Regeln genauso beherzigen muss, wie alle anderen auch. Zum anderen ist es wichtig, dass er flexibel reagiert, wenn sich herausstellt, dass das Konzept nicht angemessen ist.
Laut dem Gesetzgeber ist es dem Infektionsgeschehen anzupassen. Woran sich dieses misst – Inzidenzrate oder Hospitalisierungen – bleibt offen. So gesehen gibt es keinen Hinweis, ab welchem Zeitpunkt Arbeitgeber ihr Konzept nachjustieren müssen. Umso wichtiger ist es, aufmerksam darauf zu achten, was im Betrieb, bei der Montage oder auf Baustellen geschieht. Der Sicherheitskultur-Experte erklärt: "Wenn im direkten Umfeld mehr Menschen an Corona erkranken, ist eine Nachbesserung erforderlich. Aber auch wenn die Inhalte situationsbedingt überzogen sind, gilt es zu handeln. Flexibilität in beide Richtungen ist bedeutend."
Auch was passiert, wenn ein Betrieb sich in einer Region befindet, die zum Hot-Spot erklärt wird, ist unklar. Handwerkspräsident Wollseifer pocht auf belastbare Aussagen der Politik: "Besonders für die Handhabung der länderspezifischen Hot-Spot-Regelungen muss es transparente und nachvollziehbare Kriterien geben. Unsere Betriebe brauchen und erwarten hier Klarheit und Verlässlichkeit!"
4. Empathie zeigen und Eigenverantwortung betonen
Aber egal ob in der Politik oder im Betrieb: Bei der Vermittlung neuer Regeln sind nicht nur Klarheit und Transparenz gefragt. Auch andere Faktoren bestimmen über die Akzeptanz. "Ein Chef sollte gegenüber seinen Mitarbeitern Empathie zeigen.", weiß Arbeitssicherheitsprofi Ganzke von der Wandel Werker Consulting GmbH.
Es gilt, verständnisvoll und auf Augenhöhe zu agieren. Ist beispielweise jemand genervt von den Corona-Maßnahmen, kann die Führungskraft ehrlich spiegeln, dass es ihr auch so geht. Daraufhin sollte sie betonen, dass die Gesundheit der Mitarbeiter an erster Stelle kommt. Auch die Familien der Kollegen sind so sicherer vor einer Infektion mit Corona. Dies eint die Belegschaft zu einem solidarischen Team: "Jeder will so gesund nach Hause zurückkehren, wie er zur Arbeit kam."
Es ist darüber hinaus ratsam, immer wieder zu verdeutlichen, dass das Wohlergehen aller in der Eigenverantwortung jedes Angestellten liegt. Der Appell an das Verantwortungsbewusstsein funktioniert besser, als Regeln stur zu diktieren. Auch Lob ist ein unterschätzter Schlüssel zum Erfolg, der auf der Zielgeraden der Pandemiebekämpfung nochmal motiviert. "Erfolgreicher Arbeitsschutz ist zu großen Teilen Personalführung, auch ohne Corona", fasst Ganzke zusammen.