Stress auf der Arbeit Überforderte Mitarbeiter: Wie Chefs Warnzeichen erkennen können

Hohe Fehlzeiten oder ständige Gereiztheit können Anzeichen dafür sein, dass Mitarbeiter sich über- oder auch unterfordert fühlen. Wie Chefs Warnzeichen richtig deuten und ihren Mitarbeitern helfen können.

Stress auf der Arbeit
Wenn Chefs merken, dass ihre Mitarbeiter überfordert sind, sollten sie auf jeden Fall das Gespräch suchen oder ihnen anderweitig Hilfe anbieten. - © Visual Generation - stock.adobe.com

Monotone Arbeiten, zu wenig Abwechslung oder Spannungen zwischen Kollegen können sich auf die Arbeitsleistung und Zufriedenheit eines Mitarbeiters auswirken. Möglicherweise sind Mitarbeiter überfordert. Wenn ein Kollege über einen längeren Zeitraum ein auffälliges Verhalten an den Tag legen, sollten Chefs besonderes aufmerksam sein. Es gilt zu beobachten, den Mitarbeiter anzusprechen und Hilfe anzubieten. Worauf man als Führungskraft achten sollte, weiß Judith Oldenkott, Personlaberaterin bei der Handwerkskammer Ulm.

Welche Warnzeichen sprechen für eine Überforderung oder Unterforderung eines Mitarbeiters?

"Oft sind es ähnliche Anzeichen, egal, ob die Mitarbeiter überfordert oder unterfordert sind", sagt Oldenkott. Es sei von außen schwierig festzustellen, was genau vorliegt. Stress wirkt sich bei jedem Menschen anders aus. Zentrale Merkmale für Stress gibt es aber schon. Oldenkott unterscheidet zwischen drei Möglichkeiten, wie wir Stress erleben.

  1. Körper: Der Mitarbeiter hat Schlafprobleme, Rückenschmerzen, Magen-Darm-Probleme (z.B. Reizdarm) oder Hautausschläge.
  2. Emotion: Der Mitarbeiter ist besonders leicht reizbar, aggressiv oder besonders sensibel.
  3. Denken: Der Mitarbeiter kann sich nicht konzentrieren bei der Arbeit und macht viele Flüchtigkeitsfehler.

Was kann ein Chef machen, wenn er eine Über- oder Unterforderung des Mitarbeiters vermutet?

Nachdem man sich die Warnzeichen angeschaut hat, ist der nächste Schritt zu überlegen, wie man als Chef agieren sollte. Wenn ein Kollege mal ein oder zwei Tage gereizt ist, muss das noch kein Anzeichen für eine langfristige Überforderung sein. Halten die Stresssymptome aber länger an, sollte der Vorgesetzte seine Beobachtung mit dem Mitarbeiter besprechen. Grundsätzlich sollten Chefs dabei authentisch bleiben, rät Oldenkott. Er sollte so handeln, wie es zum normalen Umgang mit seinen Mitarbeitern passt. Man sollte den Mitarbeiter nicht überfallen, sondern kann ihm ein offenes Gespräch anbieten. Ob dieser das Angebot annimmt, ist erstmal zweitrangig. Alleine die Geste ist schon viel Wert, sagt die Personalberaterin.

"Der Chef sollte seinen Mitarbeiter entscheiden lassen, ob er das Gesprächsangebot annehmen möchte. Es wäre falsch in diesem Fall darauf zu drängen und zu sagen 'Du MUSST mir erklären, was los ist'", sagt Oldenkott. Schließlich seien es oft auch private Probleme, die ein auffälliges Verhalten auslösen. Probleme, die der Mitarbeiter nicht immer mit dem Chef teilen möchte. "Fragen Sie sich, wie sie sich selbst in der Situation wohl fühlen würden."

Für eher problematisch hält die Expertin die Idee andere Kollegen über das auffällige Verhalten eines Mitarbeiters auszufragen. Damit bringe die Führungskraft nicht nur den betreffenden Mitarbeiter, sondern meist auch die Kollegen in eine unangenehme Situation. Die einzige Möglichkeit, die ein Chef hier hat, ist seine Beobachtung möglichst ohne Wertung zu teilen und eine Einschätzung der Kollegen einzuholen. Eine Frageform wäre: "XY ist meiner Meinung nach total neben der Spur. Seht ihr das genauso?"

Stimmt der Mitarbeiter einem Gespräch zu, ist es sinnvoll, die Wünsche des Mitarbeiters miteinzubeziehen. Man kann zum Beispiel fragen: "Wie können wir dich entlasten?", empfiehlt Oldenkott. Beide Parteien können dann nach einer gemeinsamen Lösung suchen. Wenn der Mitarbeiter kurzfristig mehr Freizeit benötigt und es aber wegen der Betriebsabläufe nicht möglich ihm länger frei zu geben, können womöglich flexiblere Arbeitszeiten helfen. Manche Mitarbeiter sind aber auch froh, arbeiten zu können und erleichtert, wenn der Chef sie anspricht und sie von ihren Problemen berichten können, weiß die Expertin.

Was passiert, wenn das Problem nicht angesprochen wird?

Wenn es einem Mitarbeiter offensichtlich schlecht geht, der Vorgesetzte aber nicht handelt, geht das meistens nicht gut aus. Manche Probleme lösen sich zwar von selbst. Das passiert aber nur selten, weiß Oldenkott. Mehrere Szenarien sind dann denkbar. Mitarbeiter können bei dauerhafter Überlastung ein Burnout erleiden. Dann fallen sie längerfristig aus und belasten schließlich das gesamte Team, dass die Mehrarbeit auffangen muss. Auch eine Kündigung seitens des Mitarbeiters sei denkbar. Alleine schon aufgrund der hohen Kosten für die Suche nach einem neuen Mitarbeiter und wegen des Fachkräftemangels in vielen Bereichen des Handwerks, sollten Chefs daher ein wachsames Auge für Verhaltensänderungen ihrer Mitarbeiter haben.

Was kann ein Chef langfristig machen, um eine Unter- oder Überforderung seiner Mitarbeiter zu verhindern?

Damit sich die Mitarbeiter langfristig im Betrieb wohl fühlen und Über- oder Unterforderungen schnell erkannt werden, sollten Führungskräfte für eine offene Gesprächskultur sorgen. Dazu zählt zum Beispiel auch betriebliches Gesundheitsmanagement. Denkbar sind zum Beispiel die Einrichtung eines Ruheraumes, kostenlose Getränke, Firmenfeiern oder eine ergonomische Arbeitsplatzgestaltung. Auch kleinere Maßnahmen stärken die Zufriedenheit der Mitarbeiter im Betrieb, wie zum Beispiel gemeinsame Erfolge aktiv zu benennen. Gerade im Handwerk ist es zum Beispiel möglich Fotos von abgeschlossenen Projekten aufzuhängen oder auf einem Schwarzen Brett zu notieren, wie viel Ware in einem Monat produziert bzw. verkauft wurde.

Oldenkott empfiehlt außerdem das Thema Zufriedenheit im Betrieb regelmäßig zu thematisieren. Also aktiv mit den Mitarbeitern zu sprechen und zu fragen, wie es ihnen bei der Arbeit geht. Das muss keine feste Besprechungsrunde sein. Auch kurze Gespräch in der Pause zwischen Chef und Mitarbeiter können bewirken, dass sich die Mitarbeiter besser wertgeschätzt und wahrgenommen fühlen. Nur, wer weiß, wie seine Mitarbeiter ticken, erkennt im Zweifel auch, wenn es einer Person schlecht geht. Chefs, die sich oft mit ihren Mitarbeitern austauschen, wissen dann womöglich auch schon, was das aktuelle Problem ist.

Wo gibt es Hilfe?

Sowohl Chefs als auch Mitarbeiter können sich im Falle einer Über- oder Unterforderung Hilfe holen. Chefs erhalten Unterstützung bei den Handwerkskammern. Die Personalberater bieten Schulungen an und können in einzelnen Fällen auch zwischen Chef und Mitarbeiter vermitteln oder bei einem Gespräch beratend zu Seite stehen. Eine weitere gute Anlaufstelle sind die Berufsgenossenschaften und Krankenkassen, die Informationsmaterial, aber zum Beispiel auch Kurse im betrieblichen Gesundheitsmanagement anbieten.