Richtsatzsammlung zweifelhaft Zuschätzung des Finanzamts: In vielen Fällen lohnt jetzt Einspruch

Stößt das Finanzamt bei einer Betriebsprüfung auf Fehler in der Buchhaltung, droht eine Schätzung. Dafür ziehen die Prüfer meist die Richtsatzsammlung heran, die das Bundesfinanzministerium jedes Jahr veröffentlicht. Doch nach einem aktuellen Beschluss des Bundesfinanzhofs stellt sich die Frage, ob diese Schätzungsmethode überhaupt zulässig ist. Was das für Betriebsinhaber bedeutet.

Bundesfinanzhof
In einem Beschluss stellten nun auch die Richter des Bundesfinanzhofs die Richtsatzsammlung in Frage. - © nmann77 - stock.adobe.com

Grundsätze zur Richtsatzsammlung

Bei der vom Bundesfinanzministerium veröffentlichen Richtsatzsammlung handelt es sich um ein Hilfsmittel für die Finanzämter, Umsätze und Gewinn für Gewerbetreibende zu verproben oder zu schätzen, sollten Buchhaltungsunterlagen fehlen. Diese Richtsätze, die das Bundesfinanzministerium für verschiedene Branchen festgestellt hat, sind allerdings nur Anhaltspunkte. Unternehmer können natürlich Gründe vortragen, warum ihr Handwerksbetrieb von diesen Richtsätzen abweicht.

Typische Gründe, warum die Werte der Richtsatzsammlung nicht unmittelbar auf einen Betrieb übertragbar sind:

  • Erhöhter Investitionsbedarf bei Existenzgründern
  • Geringere Umsätze wegen Existenzgründung und suche nach der richtigen Geschäftsidee
  • Geringere Umsätze wegen zahlreicher Konkurrenzunternehmen
  • Krankheit des Unternehmers oder Krankheit des Personals

Bundesfinanzhof stellt Richtsatzsammlung in Frage

In einem Beschluss stellten nun auch die Richter des Bundesfinanzhofs die Richtsatzsammlung in Frage. Das Bundesfinanzministerium wurde vom Bundesfinanzhof zum Revisionsbeitritt aufgefordert. Hintergrund: Die Erhöhung der Umsätze und des Gewinns aufgrund der Richtsatzsammlung im Rahmen einer Schätzung erscheint zweifelhaft, weil weder dem Gericht noch dem Unternehmer und dem Finanzamt klar sein dürfte, welche Einzeldaten mit welchem Gewicht in die Richtsatzsammlung eingeflossen sind.

Der Bundesfinanzhof hat dem Bundesfinanzministerium noch eine Reihe weiterer Fragen gestellt, mit der Bitte um Beantwortung im Revisionsverfahren zu einem Schätzungsfall (BFH, Beschluss vom 14. Dezember 2022, Az. X R 19/21).

Verhaltensknigge für betroffene Unternehmer

Der Beschluss des Bundesfinanzhofs verdeutlicht, dass die Schätzung von Umsätzen und Gewinn anhand der Richtsatzsammlung als sehr willkürlich angesehen werden könnte. Ob der Bundesfinanzhof nach Beantwortung der Fragen durch das Bundesfinanzministerium Schätzungen nach Richtsatzsammlung generell als steuerlich unwirksam ansehen wird, ist derzeit völlig unklar. Es könnte aber so kommen.

Aus diesem Grund empfiehlt sich für betroffene Unternehmer folgende Vorgehensweise:

  • Läuft die Betriebsprüfung noch und der Betriebsprüfer des Finanzamts präsentiert Ihnen wegen Buchführungsmängeln eine Schätzung nach Richtsatzsammlung, sollten Sie signalisieren, dass Sie wegen des Verfahrens beim Bundesfinanzhof auf jeden Fall mit einem Einspruch gegen diese Schätzung vorgehen werden. Das kann dazu führen, dass ein deutlich geringer Sicherheitszuschlag vorgenommen wird, mit dem beide Seiten gut leben können.
  • Ist die Betriebsprüfung bereits beendet und Sie erhalten geänderte Steuerbescheide, in dem die Umsätze und der Gewinn anhand der Richtsatzsammlung erhöht wurden, empfiehlt sich ein Einspruch gegen diese Bescheide und ein Antrag auf Ruhen des Einspruchsverfahrens, bis der Bundesfinanzhof sein Urteil gesprochen hat.

Praxis-Tipp: Selbst wenn in der Schlussbesprechung zur Betriebsprüfung Einigung über die Zuschätzung zu Umsatz und Gewinn nach Richtsatzsammlung erzielt wurde, kann gegen die Änderungsbescheide nach der Betriebsprüfung Einspruch eingelegt werden.