Zusammen eine paffen: Das verbindet, lockert die Stimmung – und ist dem Rest der Belegschaft oftmals ein Dorn im Auge. Tenor: "Dürfen die das überhaupt, eine Raucherpause einlegen?" Das Recht steht eindeutig auf der Seite der Nichtraucher.

Raucherpausen sind ein ständiger Konfliktherd im Betrieb. Raucher wollen auf ihr Privileg nicht verzichten und gelegentlich eine quarzen, Nichtraucher fühlen sich benachteiligt, weil sie ohne Rauchpause durcharbeiten. Dabei haben sie nicht nur den Zeitgeist auf ihrer Seite – sondern auch das Recht.
Die Deutsche Handwerks Zeitung beantwortet die wichtigsten Fragen zur Raucherpause:
Haben Arbeitnehmer Anspruch auf eine Raucherpause im Betrieb?
Nein. Eine Raucherpause ist keine Arbeitszeit, das haben Gerichte mehrfach klargestellt. Der Arbeitgeber darf Raucherpausen im Betrieb daher pauschal verbieten. Lässt er sie zu, handelt es sich um reine Kulanz. Auch das Argument der betrieblichen Übung zieht nicht (vgl. etwa Landesarbeitsgericht Nürnberg, Az. 5 Sa 58/15). Heißt im Klartext: Hat ein Arbeitgeber seinen Mitarbeitern jahrelang oder gar jahrzehntelang die Raucherpause durchgehen lassen, kann er sie trotzdem von heute auf morgen untersagen.
Vergüten muss der Arbeitgeber Raucherpausen ebenfalls nicht. "Das würde der Bezahlung einer Nicht-Arbeit gleichkommen und wäre darüber hinaus auch noch eine Ungleichbehandlung mit Nichtrauchern", sagt Nadja Semmler, Fachanwältin für Arbeitsrecht in Neuruppin.
Mehr noch: Das Sozialgericht Karlsruhe verhandelte im Jahr 2015 den Fall einer Monteurin, der auf dem Weg vom Arbeitsplatz zum Raucherbereich ein Gabelstapler über den Fuß gefahren war – und verneinte einen Arbeitsunfall (Az. S 4 U 1189/15). Damit fiel die verletzte Raucherin nicht unter den Schutz durch die gesetzliche Unfallversicherung. Die Begründung des Gerichts: Die Raucherin habe für die "Zigarettenpause ihren Arbeitsbereich für einen nicht geringen Zeitraum verlassen und sich aus privater Absicht an einen anderen Ort mit anderen spezifischen Gefahren begeben."
Unter welchen Umständen dürfen Beschäftigte während der Arbeit eine Raucherpause einlegen?
Wenn der Arbeitgeber dies aus Kulanz zulässt. Oder wenn es eine entsprechende Betriebsvereinbarung gibt. Solche Vereinbarungen gibt es meist in Betrieben, in denen viele Mitarbeiter rauchen oder wenn der Firmenchef selbst gerne eine Kippe konsumiert. Die Pausenregeln können zwar variieren, viele Unternehmen verpflichten ihre Beschäftigten während der Rauchpausen aber zum Ausstempeln und zur Nacharbeit der versäumten Zeit.
Auch ohne Betriebsvereinbarung gilt zudem, dass Beschäftigte in unbezahlten Ruhepausen, der Mittagspause zum Beispiel, zur Zigarette greifen dürfen. Dafür müssen allerdings die räumlichen Voraussetzungen – etwa ein Raucherbereich im Hof oder ein Raucherraum – vorhanden sein. Niemand darf also einfach so am Schreibtisch oder in den Werkshallen rauchen. Unternehmen, die ein solches Verhalten billigen, verstoßen gegen den gesetzlichen Nichtraucherschutz am Arbeitsplatz, der in § 5 der Arbeitsstättenverordnung niedergelegt ist.
Welche Sanktionen sind denkbar, wenn Beschäftigte unerlaubt rauchen?
"Dann verstößt der Mitarbeiter gegen die Pflicht, seine Arbeitsleistung zu erbringen", sagt Arbeitsrechtlerin Semmler. Ein solches vertragswidriges Verhalten können Arbeitgeber mit einer Abmahnung und im Wiederholungsfall mit einer Kündigung ahnden - zum Teil erlauben Gerichte bei notorischen Verstößen sogar den fristlosen Rauswurf (vgl. etwa Arbeitsgericht Duisburg, Az. 3 CA 1336/09 )
Kann ich die Raucherpause nicht als Arbeitszeit geltend machen?
Durchaus vorstellbar, dass Mitarbeiter in der Raucherpause weiterarbeiten, indem sie Projekte besprechen, Termine abstimmen oder Konzepte entwickeln. Tatsächlich verschwimmen die Grenzen zwischen Arbeit und Privatem in vielen Branchen und Berufen. Im Arbeitsrecht hat sich das aber noch nicht niedergeschlagen. "Wer sich zur Pause begibt, beendet seine Arbeitszeit," erklärt Nadja Semmler. Das gelte auch für die Raucherpause. Überschneidungen gebe es - aus rechtlicher Sicht - nicht.
Können Nichtraucher die Raucherpausen von Kollegen im Betrieb unterbinden?
Unter Umständen ja. "Der Arbeitgeber ist zum Gesundheitsschutz gegenüber seinen Mitarbeitern verpflichtet", sagt Juristin Semmler und ergänzt: "Der Gesundheitsschutz geht vor dem Raucherschutz." In der Arbeitsstättenverordnung heißt es in Paragraph 5: "Der Arbeitgeber hat die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, damit die nicht rauchenden Beschäftigten in Arbeitsstätten wirksam vor den Gesundheitsgefahren durch Tabakrauch geschützt sind. Soweit erforderlich, hat der Arbeitgeber ein allgemeines oder auf einzelne Bereiche der Arbeitsstätte beschränktes Rauchverbot zu erlassen."
Speziell Klein- und Kleinstbetriebe kann das vor praktische Probleme stellen. "Wenn nur ein Pausenraum zur Verfügung steht, muss es ein Nichtraucherraum sein", so Semmler. Angenommen, alle Mitarbeiter einschließlich des Firmenchefs paffen seit Jahren wie selbstverständlich in der hintersten Ecke der Werkstatt. Ein Neuzugang könnte dieser Praxis mit Verweis auf die Arbeitsstättenverordnung wahrscheinlich einen Riegel vorschieben. "Dem würde ich vor Gericht gute Erfolgsaussichten einräumen", meint Semmler.
Was kommt in Zukunft auf Raucher am Arbeitsplatz zu?
Sobald das Gesetz zur Dokumentation der Arbeitszeiten in Deutschland umgesetzt wird, könnte sich auch für Raucher einiges ändern. "Auch die Raucherpausen müssen dann systematisch erfasst werden", so Semmler. Das sind schlechte Nachrichten für Arbeitnehmer, die bislang aus Kulanz rauchen durften. Semmler glaubt, dass es auf eine digitale Stechuhr hinauslaufen wird. Ausstempel-Lösungen mit Apps, Chipkarten oder anderen elektronischen Hilfsmitteln sind denkbar. Das Ausstempeln, das schon heute vielerorts praktiziert wird, würde zur Norm.
Für Semmler eine begrüßenswerte Entwicklung, da sie Fairness und Gleichbehandlung stärke. Außerdem dürfte, wenn Zeitverlust droht, bei vielen die Motivation sinken, überhaupt eine Raucherpause einzulegen. Und das wäre vor allem eines: gesünder.
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"Ausgleich für Zigarettenpausen": Chef gibt Nichtrauchern mehr Urlaub
Fluppen oder Freizeit: Vor diese Wahl stellt ein Gastwirt im Süden von Rheinland-Pfalz seit Anfang 2020 seine Mitarbeiter. "Nichtraucher bekommen von mir als Ausgleich für die Rauchpausen ihrer Kollegen fünf Tage mehr Urlaub", sagt Helmut Glas. Was für manche wie Gängelei klingt, sichert in seinen Augen den Betriebsfrieden. "Früher gab es in der Belegschaft mal Anfeindungen nach dem Motto 'Der geht schon wieder eine paffen'", erzählt Glas. "Und es stimmt: Wer die Rauchpausen nicht hochrechnet, glaubt nicht, wie viel Zeit da zusammenkommt." Nun herrsche Ruhe.
Wann der Geschäftsführer des Landgasthofs "Jägerstübchen" in Neustadt die Idee zum Mehrurlaub hatte, weiß er genau. "Ich habe das auf der Weihnachtsfeier verkündet. Das Hallo war groß", erzählt Glas. Er habe vorgefühlt und sei auf Zustimmung gestoßen. "Einer der Raucher hat gesagt: 'Klasse, da disst mich keiner mehr.'" Von seinen zwölf Mitarbeitern seien fünf Raucher und sieben Nichtraucher, auch er. "Ich bin ein Gastrokind und mache das nicht, weil Rauch mich stört."
Einen seiner Angestellten, der wegen des Mehrurlaubs mit dem Rauchen aufhören wollte, erwischte er im Keller mit der Zigarette. "Da war das Gentlemen's Agreement natürlich erledigt", sagt Glas. Sein Küchenchef Steffen Grüning hingegen halte tapfer durch. Grüning hat 15 Jahre lang geraucht - und inzwischen aufgegeben.
Für die Juristin Nathalie Oberthür ist Mehrurlaub für Nichtraucher grundsätzlich zulässig. "Die rauchenden Mitarbeiter erhalten durch zusätzliche Pausen einen Freizeitvorteil, der bei den nicht rauchenden Mitarbeitern durch die Urlaubstage angeglichen wird", sagt die Fachanwältin für Arbeitsrecht in Köln. Allerdings dürfe die Unterscheidung nicht allein danach erfolgen, ob jemand rauche oder nicht, sondern, ob er unbezahlte Raucherpausen in Anspruch nehme. "Wer nur während der offiziellen Pause raucht, müsste die Urlaubstage eigentlich auch erhalten", betont Oberthür. Eine Differenzierung mit dem Ziel, Rauchen zu bestrafen, wäre unzulässig. dpa
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