Im Kampf um die besten Mitarbeiter können Handwerksbetriebe mit der betrieblichen Krankenzusatzversicherung (bKV) punkten. Ein Gewinn ist sie aber nicht nur für den Arbeitnehmer. Ein Überblick über Vorteile, Varianten und Kosten der bKV.
Der Fachkräftemangel hat in vielen Bereichen des Handwerks dramatische Auswirkungen. Laut Institut der Deutschen Wirtschaft fehlten schon 2021 rund 87.000 Fachkräfte. Besonders für kleine und mittlere Unternehmen spitzt sich die Lage zu, denn häufig gehen sie bei der Suche leer aus. Vor allem Unternehmen mit weniger als 50 Beschäftigten haben Probleme. Sie können im Schnitt jede dritte Stelle nicht besetzen.
Wer im Kampf um die besten Mitarbeiter die Nase vorn haben will, muss sich etwas einfallen lassen. Ein Baustein, der an Bedeutung gewinnt, ist die betriebliche Krankenzusatzversicherung, kurz bKV. Allein von 2021 bis 2022 hat die Anzahl der Arbeitgeber, die ihren Mitarbeitern eine bKV anbieten, um 22,5 Prozent auf 22.300 zugenommen, wie es der Verband der privaten Krankenversicherung (PKV) meldet. Damit haben inzwischen fast 1,8 Millionen Beschäftigte eine zusätzliche Absicherung, die in der Regel vom Arbeitgeber bezahlt wird und damit für sie kostenfrei ist.
Auch Arbeitgeber profitieren
Gerade im Handwerk mit seinen vielen kleinen Betrieben hat die Gesundheitsvorsorge eine besondere Bedeutung, erläutert Marcel Petschek, Direktionsbevollmächtigter im Kompetenzcenter Firmenkunden der Halleschen Krankenversicherung. Einerseits sind die Mitarbeiter aufgrund schwerer Tätigkeiten oft gefährdet, "andererseits lassen sich Ausfälle besonders schlecht kompensieren".
Bietet der Arbeitgeber eine bKV, profitieren sowohl er selbst als auch seine Arbeitnehmer. Letztere, so Petschek, bekommen so Zugang zu Leistungen, die ihnen ansonsten oft verwehrt würden. Denn anders als bei privaten Abschlüssen von Krankenzusatzversicherungen gibt es bei der betrieblichen Variante keine oder nur eine sehr vereinfachte Gesundheitsprüfung – "und es werden sogar Personen aufgenommen, die aktuell krank sind oder bereits Vorerkrankungen haben".
Aber gerade auch die Arbeitgeber gewinnen, stimmt Stefan Gaedicke, Spezialist für die bKV bei Signal Iduna, zu. "Denn Fehltage aufgrund von Krankheiten kommen die Betriebe in Summe teuer zu stehen." Bleiben die Mitarbeiter gesund oder werden es schneller wieder, spart sich der Betrieb Folgekosten, die durch Produktionsausfälle und durch Lohnfortzahlungen entstünden. Die Statistik zeigt, dass jede vierte Arbeitsunfähigkeit durch Muskel- und Gelenkerkrankungen entsteht. Bekommen Betroffene durch die bKV aber frühzeitig Zugang zu Therapien wie Osteopathie oder Chiropraktik, lässt sich hier vorbeugen.
Als Sachbezug steuer- und sozialabgabenfrei
Dabei das beste: Da die betriebliche Krankenversicherung als Sachbezug gilt, kann der Arbeitgeber diese Ausgaben nicht nur von der Steuer absetzen, sondern darüber hinaus ist sie für den Betrieb und die Angestellten sogar steuer- und sozialabgabenfrei, jedenfalls wenn die Summe aller Sachbezüge einen monatlichen Betrag von 50 Euro nicht überschreitet (siehe Kasten). Sogar vom Arbeitnehmer (mit)finanzierte Varianten sind denkbar, werden aber tatsächlich wenig genutzt. Zudem gibt es die bKV mittlerweile selbst für ganz kleine Betriebe.
Stiegen die Versicherer anfangs erst bei 15 bis 20 Mitarbeitern ein, erläutert Gaedicke, gilt das heute nicht mehr. Die Signal Iduna etwa, aber auch andere Anbieter, haben bereits Tarife, die mit drei Personen umsetzbar sind. Zudem sind die Kosten überschaubar, einzelne Leistungen gibt es bereits für unter zwei Euro pro Monat und Mitarbeiter. Für unter 50 Euro gibt es umfangreiche Pakete.
Insgesamt bietet die bKV ein breites Spektrum an Maßnahmen. Dabei ist die Erstattung von Prävention, die nicht von der gesetzlichen Kasse übernommen wird, nur ein Bereich. Ebenfalls dazu gehören unter anderem die Kostenübernahme von ambulanten Maßnahmen wie Seh- oder Hörhilfen, die Unterbringung in Ein- und Zweibettzimmern oder die Absicherung von Verdienstausfall.
Budgetmodelle im Trend
Abgeschlossen werden können die Leistungen nach unterschiedlichen Tarifmodellen. Wobei hier eine eindeutige Entwicklung weg von starren Kombimodellen hin zu Budgetmodellen (siehe Kasten) zu beobachten ist. Bei Signal Iduna machen die Budgettarife inzwischen rund 95 Prozent der Neuabschlüsse aus. Ihr Vorteil: Der Arbeitnehmer entscheidet selbst, welche Leistung er in Anspruch nehmen möchte – und kann hier auch jährlich wechseln.
Zudem bieten einige Versicherer zusätzliche Pluspunkte. So steigert die Hallesche etwa das jährliche Gesundheitsbudget, wenn es im Vorjahr voll ausgeschöpft wurde – und das bei gleichbleibendem Beitrag für den Arbeitgeber. Das klingt zwar auf den ersten Blick paradox, wie Petschek einräumt, zumal andere Produktanbieter mitunter genau den umgekehrten Anreiz schaffen. "Ist es aber ganz und gar nicht." Denn wird eine Leistung trotz Krankheit nicht in Anspruch genommen, stellt Petschek klar, "nutzt das weder den Betroffenen noch seinem Arbeitgeber". Ein weiterer Vorteil ist die Verdoppelung des vereinbarten Budgets bei einem Arbeitsunfall.
Keine Mehrarbeit für Betriebe
Viele Betriebsinhaber, wissen Experten, scheuen trotzdem die Umsetzung, weil das Ganze Ihnen zu kompliziert erscheint. Dies gilt jedoch allenfalls ganz zu Anfang bei Klärung von steuerlichen Fragen (siehe Kasten) oder der Auswahl des richtigen Tarifs. Wobei sich bei Letzterem – zumindest zur Untermauerung – eine Mitarbeiterbefragung anbieten kann.
Anschließend ist die bKV für den Arbeitgeber aber mit wenig Aufwand verbunden. Denn er schließt zwar den Gruppenvertrag ab und wird damit Versicherungsnehmer. Danach, so noch einmal Krankenversicherungsexperte Gaedicke, werden aber alle Leistungen entweder zwischen dem Versicherten und der Versicherung abgerechnet oder sogar direkt mit dem Arzt. "Für den Betrieb entsteht keine Mehrarbeit."
Die vier üblichen Varianten der bKV
- Budget-Tarife: Das Leistungspaket und die Höhe des Budgets (meist 300, 600, 900, 1.200 oder 1.500 Euro) werden jeweils für ein Jahr festgelegt. Die Mitarbeiter können dieses Budget innerhalb des gewählten Rahmens frei für individuelle Leistungen verwenden.
- Baustein-Tarife: Bei Bausteintarifen legen Betriebsinhaber fest, welche Leistungsbereiche sie ihren Mitarbeitern anbieten möchten. Wählbare Bausteine sind beispielsweise Medikamentenzuzahlung, Sehhilfe, Krankentagegeld, Zahnersatz oder Versorgung im Krankenhaus als Privatpatient.
- Kompakt-Tarife: Diese Tarifvariante, die zumeist ambulante Leistungen, Zahnvorsorge und die Bezuschussung von Zahnbehandlungen fest bündelt, war anfangs sehr verbreitet. Heute wird sie jedoch kaum noch angeboten bzw. abgeschlossen.
- Kombi-Modelle: Hier werden Budget-Varianten mit Bausteinen kombiniert. Diese Variante gewährt den versicherten Personen die freie Auswahl innerhalb eines festgelegten Budgets und Leistungspakets, erweitert den Schutz aber um weitere Absicherung beispielsweise im stationären Bereich oder bei Einkommensverlusten bei längerer Arbeitsunfähigkeit.
Tipps für Arbeitgeber
- Prüfen Sie zuerst, ob bereits Sachbezüge etwa in Form von Tankkarten oder Arbeitskleidung gewährt werden, und wenn ja, wieviel noch übrig ist. Insgesamt können bis zu 50 Euro monatlich abgabenfrei genutzt werden.
- Wenn Sie bereits Sachlohn in anderer Form auszahlen, prüfen Sie, ob dies sinnvoll ist. Unterstützt das aktuelle Angebot die Mitarbeiterbindung, wird es genutzt etc.?
- Wenn nein, klären Sie, ob es im Rahmen einer Versorgungsordnung oder Betriebsvereinbarung möglich ist, zu wechseln. Existiert beides nicht, handelt es sich möglicherweise um eine betriebliche Übung, deren Änderung schwierig sein kann.
- Ist der Sachlohn ausgeschöpft, lässt sich eine bKV natürlich auch umsetzen, sie wird für den Arbeitgeber aber teurer.
- Gibt es bereits Sachbezüge, ist es immer sinnvoll, vor Abschluss einen Steuerberater hinzuzuziehen.
- Wenn Sie sich für die bKV entscheiden: Halten sie auch hierfür in einer Versorgungsverordnung bzw. Betriebsvereinbarung fest, was wem, wie lange und unter welchen Bedingungen zur Verfügung steht.