TV-Kritik: "mex - das Marktmagazin" Viel Arbeit, wenig Fachkräfte: Über das Energiewende-Dilemma

Die Bundesregierung hat bei der Energiewende einiges vor. Stellt sich die Frage, wer all diese Vorhaben umsetzen soll. Mex - das Marktmagazin des Hessischen Rundfunks nahm sich nun dieser Thematik an, verpasste dabei aber die Chance, neben dem Fachkräftemangel auf andere Schwierigkeiten hinzuweisen.

Handwerker auf einem Hausdach mit Solarpanels
Ob Photovoltaik-Anlagen oder Wärmepumpen: Handwerker haben gerade alle Hände voll zu tun. - © wjarek - stock.adobe.com

Gefühlt soll das ganze Land schon bald Strom und Heizenergie aus Solarpanels und Wärmepumpen beziehen. Die energiepolitische Debatte im Land zielt jedenfalls auf den massiven Ausbau dieser Formen der Energieerzeugung ab. Nur die Umsetzung ist noch keinesfalls klar.

In einem Beitrag von "mex- das Marktmagazin", das sich im Rahmen eines Thementages zum Handwerker- und Fachkräftemangel mit dem Thema beschäftigte, gab der Präsident des hessischen Handwerkstags, Stefan Füll, im Interview dementsprechend die Richtung vor. "Wir wissen, das ist ein Zukunftsmarkt für das ganze Handwerk, für viele Branchen, die davon profitieren", sagte er, nur um einen Nebensatz nachzuschieben, der genau die Problematik auf den Punkt brachte: "Wenn sie denn die ausgebildeten jungen Leute haben."

Zu hohe Nachfrage

Die These, die die HR-Journalisten für ihren Beitrag wählten, war ziemlich klar: Der Fachkräftemangel bremst schon jetzt die Energiewende aus. Schon vor einer Woche hatte "mex" über den Solar-Boom berichtet, der angesichts der dramatischen Verteuerung am Energiemarkt derzeit Fahrt aufnimmt. Von "extrem hoher Nachfrage" sprach der Chef einer Monteurfirma, es gebe Wartelisten teilweise bis ins Jahr 2023.

Vor allem standen aber die Kunden und Verbraucher im Mittelpunkt und ihre Beweggründe, sich eine PV-Anlage auf das Hausdach montieren zu lassen. Der Beitrag eine Woche später vertiefte nun das Thema und brachte ganz zentral die Sicht des Handwerks ein. So konstatierte Füll, dass die Betriebe kleinere Aufträge derzeit schon noch gut abarbeiten könnten, aber bei umfangreicheren Aufträgen - etwa bei großen Neubaugebieten - werde die Nachfrage "zu groß für das, was man jetzt auf dem Markt hat". Es fehlen schlicht und ergreifend die Fachkräfte, um den Boom zu verarbeiten. Handwerkspräsident Hans Peter Wollseifer wurde entsprechend mit der Aussage zitiert: "Wenn wir dem nicht wirksam entgegenwirken, drohen die Fachkräfteengpässe zu echten Bremsklötzen beim Klimaschutz zu werden."

Ausflug in die Praxis vor Ort

Klare Aussagen von den Handwerks-Funktionären, und auch in der Praxis vor Ort sah sich die mex-Redaktion um. So begleitete sie einen Heizungsmonteur beim Einbau einer Wärmepumpe. Er baue kaum noch Öl- und Gasheizungen ein, sondern vor allem Wärmepumpen, hieß es. Dazu wurden Zahlen des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft eingeblendet, wonach 44 Prozent der 2021 neu eingebauten Heizungen Wärmepumpen, 27 Prozent Gasheizungen und 22 Prozent Fernwärme sind. Öl und restliche Heizformen spielten praktisch keine Rolle. Der Eigentümer des gezeigten Hauses gab im Interview zu Protokoll, dass er sich zusätzlich eine Photovoltaik-Anlage auf das Dach habe bauen lassen, alles letztlich mit dem Ziel, "keine fossilen Energien mehr zu verbrennen." Im aktuellen Bestand allerdings, ließen die HR-Journalisten noch wissen, dominierten noch immer Gas- und Ölheizungen. Wärmepumpen kämen auf einen Anteil von derzeit knapp drei Prozent.

Technische Schwierigkeiten ausgeblendet

So verdienstvoll die handwerksnahe Herangehensweise des HR an die Thematik war - hier hätte man sich schon noch den erläuternden Hinweis gewünscht, dass der Einbau von Wärmepumpen gerade in Bestandsimmobilien ohne größere energetische Sanierung eben nicht unproblematisch ist, da beispielsweise die Vorlauftemperaturen dort höher sein müssten und zunächst eine energetische Sanierung sinnvoll ist. Der Wärmepumpen-Boom ist, so wie er in "mex" praktisch vorgestellt wurde, also in einer Bestandsimmobilie, noch eher ausbaufähig. In Neubauten indes dürften die meisten Heizungen Wärmepumpen sein, allerdings handelt es sich dabei auch oft um Häuser mit hohen Energiestandards mit Fußbodenheizungen. Alles Umstände, die eigentlich noch in den Beitrag gehört hätten.

Es fehlt die letzte Genauigkeit

Doch abgesehen davon hat das Handwerk auch jenseits der Wärmepumpe mit der Montage von Photovoltaik-Anlagen oder Windrädern alle Hände voll zu tun. Das bestätigen auch Wissenschaftler. Umweltökonom Dietmar Edler sagt dem HR, dass im Bereich der energetischen Gebäudesanierung "erhebliche Anstrengungen" notwendig seien, um das benötigte Personal um- oder weiter zu qualifizieren. Dabei, so die mex-Redakteure, gäbe es in etwa 40 Prozent der untersuchten "Klimaberufe", wie sie in dem Beitrag genannt wurden, heute schon Personalnöte. An diesem Punkt war der Beitrag leider etwas weniger genau. So wurden zwar Zahlen eingeblendet, wie viele Beschäftigte es im Zuge der Vorhaben bei der Energiewende bis 2035 brauche, aber keine Vergleichszahl, wie viele es heute bereits gibt.

Die Zahlen waren im Übrigen einer Auftragsstudie der Grünen-Bundestagsfraktion entnommen, stammen also mithin aus dem politischen Umfeld. Gut, dass das erwähnt wurde, aber an dieser Stelle fehlte eben auch die letzte Exaktheit im Umgang mit den Zahlen. Auch der Lösungsvorschlag zur Beseitigung des Fachkräftemangels durch Umweltökonom Edler klang ein wenig reißbrettartig. Auf dem Weg zur Klimaneutralität werde es auch Bereiche in der Wirtschaft geben, wo die Bedarfe zurückgehen, und darin könnten neue Potenziale stecken für neue, umgeschulte, weitergebildete Arbeitskräfte. Wie das genau gehen soll, welche Umschulungen nötig sind - all das blieb im Dunkeln, und Nachfragen wurden auch nicht gestellt.  

Hochvolt-Techniker gesucht

Interessant war schließlich noch der Schwenk ins Kfz-Gewerk, wo es um Elektromobilität ging. Die Ausbildung von Kfz-Mechatronikern beinhalte noch nicht alle Fähigkeiten, die im Umgang mit Elektroautos vonnöten seien, war die These. Dafür brauche man Hochvolt-Techniker, so Joachim Kuhn, Geschäftsführer des hessischen Landesverbands des Kfz-Gewerbes, der seine Einschätzung mit notwendigen Messungen unter Spannung und dem Ein- und Ausbau von Batterien begründete. In Hessen hätten etwa drei Prozent der Ausbildungs-Absolventen zuletzt eine solche vertiefende Ausbildung genossen - zu wenig für die künftigen Herausforderungen, auch wenn Kuhn einschränkte, dass der Bedarf derzeit noch nicht so hoch sei.

Ein ungutes Gefühl

Es ist kompliziert mit der Energiewende und dem Handwerk. Auf der einen Seite volle Auftragsbücher, auf der anderen Seite zu wenig Leute. Die ambitionierten Ziele der Bundesregierung könnten am Ende ziemlich klein ausfallen, konstatierten die HR-Journalisten berechtigterweise. Und die Zuschauer, die sich die Beiträge des HR zum Thementag zum Handwerkermangel schon zuvor angeschaut hatten, beschlich ein ungutes Gefühl. Da wurden nämlich um die Wartezeiten thematisiert, die derzeit bei der Beauftragung von Handwerkern an der Tagesordnung sind. Wochenlanges Warten auf einen Termin, so sehen die Kunden die Realität. Und angesichts der großen energiepolitischen Ziele dürfte sich die Situation wohl in absehbarer Zeit kaum bessern.