Im Elektrohandwerk sind Frauen noch immer unterrepräsentiert. Das möchte Anna-Lena Hochuli aus Vörstetten ändern. Auf ihrem Instagram-Kanal zeigt die 19-jährige angehende Elektrikerin die schönen Seiten ihres Berufs und motiviert so junge Frauen zum Schritt ins Handwerk.

Frau Hochuli, was war Ihr Beweggrund, ins Handwerk zu gehen?
Anna-Lena Hochuli: Das war eher eine zufällige Story. Ich habe meinen jetzigen Chef auf unserem Dorffest getroffen. Er ist ein Freund meiner Eltern und kümmert sich bei uns zu Hause immer um die Elektrik. Damals war ich in der zehnten Klasse und er fragte mich, was ich nach der Schule vorhätte. Ich erzählte ihm, dass ich vorhabe, entweder Grundschullehramt zu studieren oder zur Polizei zu gehen. Daraufhin fragte er mich, ob ich nicht ins Handwerk kommen mag und bei ihm eine Ausbildung zur Elektrikerin machen will. Da habe ich ihm erstmal den Vogel gezeigt. Physik und Mathe waren nie meine Lieblingsfächer und Elektrik hat mich nicht wirklich interessiert.
Ich hatte bis dahin nie darüber nachgedacht, ins Handwerk zu gehen. Aber ich fand die Idee doch irgendwie ganz lustig und habe dann aus Witz ein Praktikum bei ihm gemacht. Das hat mir dann so gut gefallen, dass ich danach ein längeres drangehängt habe und schließlich in die Ausbildung zur Elektrikerin gestartet bin. Ich habe sogar drei Monate vor offiziellem Ausbildungsbeginn bei ihm angefangen, weil ich einfach so viel Spaß an der Arbeit hatte. Und das war auch für mich der Hauptgrund, ins Handwerk zu gehen: der Spaß an der Arbeit.
Auf Ihrem Instagram-Kanal folgen Ihnen inzwischen mehr als 10.000 Leute. Was war der Anstoß, andere an Ihrem Arbeits- und Lebensalltag teilhaben zu lassen?
Die Idee zum Instagram-Kanal kommt aus der Zeit, in der ich selbst überlegt habe, ob ich ins Handwerk gehen sollte. Der Gedanke ist für ein Mädchen ja doch relativ untypisch. Ich wusste nicht, wie anspruchsvoll das Ganze schulisch werden würde. Davor hatte ich tatsächlich am meisten Angst, dass ich das nicht schaffe.
Um mehr über den schulischen Teil der Ausbildung rauszufinden, habe ich viel in Social Media – vor allem auf Instagram – nach Leuten geschaut, die Dinge aus ihrem Alltag als Elektriker teilen. Einige Leute habe ich auch gefunden, aber keiner von denen hat mir die Eindrücke vermittelt, die ich mir zu dem Zeitpunkt gewünscht hätte. Auch wenn ich nicht sicher war, ob es mit der Schule klappt, habe ich trotzdem die Ausbildung angefangen.
Später dachte ich dann: "Vielleicht bin ich ja genau die Person, die ich damals gesucht habe." Und mein Chef hat mich noch dazu ermutigt, selbst einen Kanal zu starten. So habe ich mich entschlossen, meinen Arbeitsalltag auf Instagram zu teilen. Nach kurzer Zeit kamen immer mehr junge Frauen auf mich zu, die darüber nachdachten, eine Ausbildung anzufangen und meinen Rat dazu hören wollten. Sie haben mir von ihren Ängsten erzählt und wir haben darüber gesprochen. So kam es schnell zu einer recht großen Community. Immerhin haben sich schon eine Handvoll Mädels aufgrund meines Accounts dazu entschieden, die Ausbildung zu machen. Das finde ich total schön. Und genau das ist mein Ziel. Ich will das Handwerk authentisch rüberbringen, sodass sich besonders Mädels ein realistisches Bild von dem Beruf machen können. Ich will zeigen, dass Handwerk nicht nur was für Jungs ist – und will erreichen, dass auch Mädchen das Handwerk als Berufsoption erkennen.
Wie viele andere Handwerksberufe ist der Elektrobereich vorwiegend durch Männer besetzt. Wie ist es für Sie als Frau, ein Handwerk zu lernen und als Elektrikerin zu arbeiten? Stoßen Sie eher auf Zustimmung oder auf Unverständnis?
Die meisten Reaktionen sind positiv. Viele Kunden, Kollegen und Freunde finden es sehr gut, dass ich ein Handwerk lerne und sind oft positiv überrascht. Ich erfahre da viel Zustimmung, was mich sehr motiviert. Das macht ungefähr 90 Prozent der Reaktionen aus. Aber klar, es gibt auch Ausnahmen. Es sind meistens Herrschaften ab 60 aufwärts, die da noch ein anderes Denken haben. Sie trauen mir nicht zu, dass ich als "braves süßes Mädchen" die Kraft habe, den Job zu machen. Meistens ist das auch gar nicht mal böse gemeint. Sie versuchen mir dann beim Tragen von schweren Sachen zu helfen oder ähnliches. Darüber muss man oft hinwegsehen und es den Leuten erst beweisen, dass man dem Job gewachsen ist.
Aber es macht im Endeffekt auch Spaß, ihnen zu zeigen, dass ich es mindestens genauso gut kann wie meine männlichen Kollegen. Und wenn es kräftemäßig wirklich mal nicht reichen sollte, helfen mir auch die Kollegen. Dafür helfe ich ihnen zum Beispiel, wenn es darum geht, an enge und schwer erreichbare Stellen zu kommen, weil ich einfach schmaler bin. So ergänzen wir uns gegenseitig. Von daher ist eine Frau im Handwerk nicht unbedingt benachteiligt.
"Wenn alle Architektur studieren, bringt es nichts, wenn keine Handwerker da sind, um das Ganze praktisch umzusetzen"
Was müsste passieren, um mehr Frauen ins Handwerk zu holen?
Da müsste man definitiv in den Schulen etwas tun. Meistens kriegt man von den Lehrern zu hören, dass man gute Noten haben muss, um später studieren zu gehen. Das ist schön und gut, aber wir brauchen eben nicht nur Leute, die studieren, sondern auch welche, die ins Handwerk gehen. Klar, sind Architekten wichtig. Nur wenn alle Architektur studieren, bringt es nichts, wenn keine Handwerker da sind, um das Ganze praktisch umzusetzen. Es braucht eben beides. Ich glaube, das ist ein gesellschaftliches Problem, weil es einfach falsch gesehen wird. Da können die Schulen einiges dagegen tun. Der Girls’Day und der Boys’Day sind schon gute Ansätze, hier müsste das Handwerk aber eine noch größere Rolle spielen. Oder vielleicht wäre sogar ein Pflichtpraktikum für Schüler im Handwerk eine gute Sache. Generell wäre mehr Aufklärung ganz wichtig.
Was würden Sie jungen Frauen raten, die unsicher sind, ob sie eine Ausbildung im Handwerk machen sollen?
Man sollte sich einfach trauen, etwas Neues auszuprobieren. Der einfachste Weg, die eigenen Interessen und Stärken herauszufinden, ist nach wie vor über Praktika. Macht Praktika in vielen verschiedenen Berufen! Da merkt man schnell, was einem liegt und was nicht. Mir war es wichtig, dass ich Spaß an meinem Job habe. Wenn man Spaß an der Arbeit hat, macht man sie auch gut und vor allem gerne. Und wenn man sich nicht traut, weil man denkt, dass man von dem Bereich keine Ahnung hat, denke ich mir immer: Man macht ja die Ausbildung, um es eben zu lernen. Wenn man es schon könnte, bräuchte man keine Ausbildung. Also einfach machen!
Mehr von Anna-Lena Hochuli auf ihrem Instagram-Kanal @elektrikerin_2020.