Weniger Krankheitstage, Unfälle, Magen-Darm-Infekte: Die Corona-Pandemie wirkt sich abseits von Covid-19 auch in ganz anderen gesundheitlichen Bereichen aus – ebenso im Negativen. Ein Überblick.

Welche Folgen hat eine Pandemie auf die Gesundheit? Immer mehr zeigt sich, dass die Auswirkungen weit über die eigentliche Krankheit hinausreichen und nicht nur von Alter und sozialem Status abhängen, sondern auch davon, in welcher Branche man arbeitet.
Covid-19-Infektionen in Zahlen
Bisher haben sich 5,7 Millionen Menschen in Deutschland mit Covid-19 infiziert, 140.000 mussten intensivmedizinisch behandelt werden, mehr als 100.000 sind im Zusammenhang mit Covid-19 verstorben. Aktuell gibt es rund 800.000 Betroffene, 5,97 Personen von 100.000 müssen durchschnittlich ins Krankenhaus (gerundete Zahlen, Stand 29. November 2021).
Weniger Infektionskrankheiten
Maskenpflicht, Abstandsregeln und Lockdown sollten Corona eindämmen, haben aber auch andere ansteckende Krankheiten ausgebremst. 85,5 Prozent weniger Masernfälle, 64 Prozent weniger Keuchhusten, rund 80 Prozent weniger virale Magen-Darm-Infekte und eine sehr moderat verlaufene Grippesaison registrierte das Robert Koch-Institut zwischen der 10. und der 32. Meldewoche 2020 im Vergleich zum Vorjahr. Im ersten Halbjahr 2021 zählte die DAK-Gesundheit durchschnittlich 6,7 Fehltage weniger pro Beschäftigten.
Unfallzahlen in vielen Branchen gesunken
Seit Beginn der Pandemie sanken laut Deutscher Gesetzlicher Unfallversicherung die Unfallzahlen bei der Arbeit. Die Lockdown-Maßnahmen lassen sich hier direkt ablesen. Am stärksten war der Rückgang mit 40 Prozent im weitgehend geschlossenen Gastgewerbe, am geringsten mit 0,1 Prozent am Bau, wo im Lockdown normal gearbeitet wurde.
Arztbesuche und Vorsorge vermieden
Auch Krankmeldungen wegen Muskel-Skelett-Erkrankungen gingen seit Pandemiebeginn um etwa zehn Prozent zurück, meldet die IKK classic – möglicherweise eine Folge davon, dass die Menschen weniger häufig zum Arzt gingen.
Das Vermeiden von Arztbesuchen könnte langfristig zu deutlich schwereren Krankheitsverläufen führen, befürchtet die AOK mit Hinweis auf viele ausgefallene Vorsorgeuntersuchungen auch beim Zahnarzt, im Hautkrebsscreening und in der allgemeinen Krebsvorsorge. Selbst Risikopatienten für Schlaganfall oder Herzinfarkt suchten seltener einen Arzt auf. Die Sterblichkeitsrate bei Schlaganfallpatienten stieg nach Zahlen des Wissenschaftlichen Instituts der AOK im Frühjahr 2020 um drei Prozentpunkte gegenüber dem Vorjahreszeitraum.
Weniger Bewegung und massive Essstörungen
Während des Lockdowns und durch Kontaktbeschränkungen haben sich alle Menschen, insbesondere aber Kinder und Jugendliche, weniger bewegt und gleichzeitig mehr gegessen. Laut einer Sonderanalyse des DAK-Kinder- und Jugendreports wurden 2020 60 Prozent mehr Kinder wegen Adipositas (Fettleibigkeit) behandelt als 2019. Erwachsene nahmen durchschnittlich 1,5 Kilogramm zu (Studie der Technischen Universität München). Gleichzeitig stieg die Zahl stark untergewichtiger Kinder um 35 Prozent.
Psychische Erkrankungen nehmen zu
Essstörungen wie Magersucht und Bulimie zählen zu den psychischen Erkrankungen, ebenso wie Alkoholsucht. Laut dem Global Drug Survey konsumierten 43 Prozent der Befragten weltweit in der Pandemie häufiger Alkohol.
Immer mehr Rauschtrinker in Deutschland
Die Kaufmännische Krankenkasse (KKH) warnt, dass die Zahl der sogenannten Rauschtrinker in Deutschland deutlich gestiegen ist. So wurden im ersten Corona-Jahr 2020 bundesweit rund 34 Prozent mehr Versicherte wegen einer Abhängigkeit, Entzugserscheinungen, eines akuten Rausches oder psychischer Probleme aufgrund von Alkohol ärztlich behandelt als noch zehn Jahre zuvor.
Den größten Anstieg registriert die KKH mit rund 67 Prozent in Thüringen, das geringste Plus von fast 10 Prozent in Hamburg.
Im ersten Corona-Jahr 2020 haben einer KKH-Hochrechnung zufolge rund 1,3 Millionen Menschen in Deutschland einen exzessiven Alkoholkonsum an den Tag gelegt, rund doppelt so viele Männer wie Frauen.
Vergleicht man das Jahr 2019 direkt vor der Pandemie mit dem vergangenen Jahr 2020, so verzeichnet die KKH beim Rauschtrinken noch keine nennenswerte Veränderung. In einer von der KKH beauftragte Online-Umfrage aus dem Jahr 2020 hatte allerdings fast ein Viertel der regelmäßigen Alkoholkonsumenten zugegeben, seit der Pandemie häufiger zur Flasche zu greifen. Darüber hinaus fühlen sich viele Menschen, die wegen ihrer Alkoholsucht bereits in Therapie sind, aufgrund der Corona-Pandemie im Stich gelassen. Etliche Hilfsangebote mussten wegen der Krise vorübergehend eingestellt werden, was wiederum zu vermehrten Rückfällen führen kann.
Schon kleine Mengen Alkohol steigern das Risiko für zahlreiche Krankheiten, unter anderem Bluthochdruck, Übergewicht, Leberzirrhose und Krebs, warnt die KKH. Vor allem Rauschtrinken ist besonders gefährlich, weil es darüber hinaus akute Schäden wie Alkoholvergiftungen und Verletzungen sowie Gewalt nach sich ziehen kann. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) spricht von Rauschtrinken, wenn bei einer Gelegenheit große Mengen Alkohol konsumiert werden, beispielsweise bei einem Treffen mit Freunden. Bei Frauen ist dies bei mindestens vier Gläsern und bei Männern bei mindestens fünf Gläsern der Fall. Zur Orientierung: Als Maß dient ein kleines Glas Bier oder ein Glas Sekt mit einem reinen Alkoholgehalt zwischen 10 und 12 Gramm.
Dass Menschen auf Krisen mit Suchtverhalten, Essstörungen, Angststörungen und Depressionen bis hin zum Suizidversuch reagieren, zeigt sich jetzt besonders bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Kliniken für Psychiatrie und Psychosomatik schlagen Alarm: "Die Belegung unserer Klinik liegt seit Monaten deutlich über 100 Prozent und junge Patienten und Patientinnen, die dringend stationäre Behandlung benötigen, warten bis zu einem halben Jahr auf einen Platz", warnt Gerda Schwarz von der Klinikgruppe Mediclin.
Aber auch Patienten, die schon vor der Pandemie unter psychischen Erkrankungen litten, berichten laut Deutscher Depressionshilfe von einer Verschlechterung ihres Krankheitsverlaufs und von massiven Einschnitten in ihrer Versorgung.
Sozialer Zusammenhalt – Handwerk trägt
Die Krise hat die Menschen mürbe gemacht. Zwei Drittel der Deutschen sehen die Gesellschaft als gespalten, zeigt eine Studie des Meinungsforschungsinstituts Ipsos.
Viele reagieren darauf mit sozialem Rückzug und Misstrauen, was negative Folgen für die psychische Gesundheit hat. Handwerker stechen hier positiv heraus, zeigt eine gemeinsame Studie der Deutschen Sporthochschule Köln und der IKK classic. 68 Prozent der befragten Unternehmer und Beschäftigten betrachten demnach ihren Betrieb als eine Art zweite Familie, in der man sich nicht nur bei der Arbeit, sondern auch privat unterstützt. Dank des guten Zusammenhalts, der familiären Atmosphäre und ihres Stolzes auf den Beruf berichteten die Befragten von hoher Lebenszufriedenheit und einem guten Wohlbefinden, trotz der Pandemie.
Infos zum Umgang mit psychischen Belastungen während der Pandemie im SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandard bietet die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung.