Wer während des Corona-Lockdowns seinen Betrieb schließen musste, konnte froh um seine Betriebsschließungsversicherung sein – das könnte man zumindest meinen. Tatsächlich bezahlten die meisten Versicherer nur "kulanterweise" einen Teil des Schadens. Ein Erfahrungsbericht aus Sicht eines Versicherungsmaklers.
Gastautor Dennis Sturm

Im März verfügten die Behörden wegen des Coronavirus die Schließung der meisten gastronomischen Betriebe. Als Versicherungsmakler vornehmlich für Gewerbe und Handwerk erhielten wir die ersten Anrufe der Handwerksmeister, ob denn die Betriebsschließungsversicherung den Schaden bezahlt. Rund 30 unserer Handwerkskunden aus dem Lebensmittelbereich meldeten ihre Schäden mit oft bis zu 100 Prozent Umsatzausfall.
In der Folge verhandelten wir mit den Versicherern, um für die Betriebsinhaber mehr zu erreichen als den sogenannten Bayerischen Kompromiss von Anfang April, der eine pauschale Zahlung von 15 Prozent (von welchem Basiswert überhaupt?!) an die versicherten Betriebe vorsah – es wurde ein Tauziehen um jeden Euro für die Gastrobetriebe.
Der "Bayerische Kompromiss"
Den Bayerischen Kompromiss hatte die bayerische Landesregierung zwischen Versicherern, vor allem Allianz und Bayerische Versicherungskammer und dem Dehoga-Verband moderiert. Die Rechnung dieses Kompromisses lautet in etwa so:
70 Prozent der Schäden bekommen die Betriebe in irgendeiner Weise vom Staat erstattet; sei es das Kurzarbeitergeld oder Corona-Hilfen, die ab April beschlossen wurden. Der "Rest"-Schaden von 30 Prozent werde sodann durch Zwei geteilt. 15 Prozent "zahlen" die versicherten Betriebe; die anderen 15 Prozent zahlt die Betriebsschließungsversicherung.
Viele Praxis-Fragen
Die ersten Überlegungen der Versicherer waren, hier mit dem Vergleich von Betriebswirtschaftlichen Auswertungen (BWA) Schadensummen zu ermitteln. Eine Ausarbeitung, rein aus den monatlichen BWAs führt hier zu keinem klaren Ergebnis. Es müssen Kassenbücher herangezogen werden, die tagesgenau den Ausfallschaden dokumentieren. Durch diese präzise unterschieden betrachteten Zahlen erhöht sich logischerweise auch der Basiswert für die Entschädigung, denn die meisten Unternehmen konnten in den ersten Monaten 2020 und auch den ersten Wochen im März sehr gute Ergebnisse erzielen. Die Vollbremsung kam dann gegen Mitte März mit den Allgemeinverfügungen der jeweiligen Bundesländer.
Nach dem bayrischen Kompromiss strittig war bei einigen Versicherern, welche Art Unternehmen nun unter diesen Kompromiss fällt. Betraf dieser nur Restaurants, Kantinen und Cafés, die etwa dem Bäckereigeschäft angeschlossen sind? Oder bekommen Hotels auch ihren Anteil von den 15 Prozent, die der "Kompromiss" vorsah? Was im letzten Satz kompliziert klingt, ist auch kompliziert! Hotels waren ja nicht ganz geschlossen; zum Beispiel blieben die Herbergen für Geschäftsreisende weiter geöffnet. Mit den Versicherungen mussten wir dann über die Schließungsquote für die Quoten verhandeln.
Beispielsweise stellte sich die Frage: Wenn der Bäcker seine sieben Prozent Umsätze für den Verkauf von Brötchen im Umsatz steigert oder reduziert, wie wirkt sich dies auf die 19 Prozent Innenumsatz, die durch die gastronomische Schließung weggefallen sind aus? Es liegen ja unstrittig steuerlich zwei unterschiedliche Betriebsarten vor.
Anfänglich waren die Versicherer sehr zurückhaltend, zumal ja auch noch nicht klar gewesen ist, welchen Einfluss eine mögliche Entschädigung auf staatliche Leistungen haben kann. Relativ schnell konnten wir nach dem Ablauf von den ersten 30 bis 45 Tagen (solange ist regulär ja eine Betriebsschließung versichert), erste Schäden beziffern und Vergleiche mit den Versicherern schließen.
Versicherer nutzten Bayerischen Kompromiss für Vergleichsangebote
Den Bayerische Kompromiss nutzten viele Versicherer auch, um im Vergleichsvorschlag einen generellen Ausschluss für zukünftige Covid-19/ Corona-Fälle zu vereinbaren. Hätte etwa der Bistrobetreiber in seinem Betrieb einen weiteren Schaden, dann müsste die Betriebsschließungsversicherung nicht "nochmal" bezahlen (es sei betont: die 100 Prozent Schaden wurden ohnehin fast nie erstattet). Neben der so genannten Allgemeinverfügung (die Kommune schließt alle Lokale) kann einem Gastronomen noch immer eine (individuelle) "Einzelverfügung" drohen. Dies kann passieren, falls sich ein Koch des Betriebes, also eine Einzelperson selbst, mit Covid-19 infiziert. Beispiele kamen hier zuletzt vor allem aus der fleischverarbeitenden Industrie.
Höhere Entschädigungen ausgehandelt
Um diesem beschriebenen Risiko, das in den kommenden Monaten weiter droht, zu entsprechen, haben wir mit den Versicherern auf Basis der 15-Prozent-Pauschalregel oft höhere Entschädigungen ausgehandelt. Und: Die meisten unserer versicherten Betriebe blieben und bleiben weiter versichert! Dieses betrifft eben den möglichen, wahrscheinlichen Fall einer individuellen Infektion, die zu einer Einzelschließung des Betriebes führt. Hier arbeiten wir aktuell auch an neuen Lösungen für unsere Kunden.
Unsere als Versicherungsmakler ausgehandelten Vergleiche mit den Versicherern vielen durchaus unterschiedlich aus – jeder Fall ist ein Einzelfall, und immer wieder ein Tauziehen um jeden Euro. Ab Mitte März, als sich mit dem Corona-Lockdown auch die aufkommenden Probleme mit den Versicherungen zeigten, haben wir als Versicherungsmakler mit vielen Betroffenen oder deren Betreuern kooperiert. Dies waren neben unseren Kunden auch Rechtsanwälte, andere Makler und deren Kunden. So erhielten wir über unser Netzwerk einen weiten Überblick mit knapp an die 150 Schadensfällen. Mit Unterstützung unserer Anwaltspartner, konnten wir mit gestärktem Rücken mit den Versicherungen verhandeln – die Verhandlungen führten wir natürlich auf Augenhöhe und partnerschaftlich. Eine Konfrontation bringt frühestens in zwei Jahren Ergebnisse - die Liquidität wird aber jetzt gebraucht. Über die Entwicklungen haben wir dann auch regelmäßig in Podcast`s und auf unserem YouTube-Channel berichtet.
Die Versicherer haben es sich, trotz gegensätzlicher Standpunkte und legitimer Interessen unserer gemeinsamen Handwerkskunden, nicht leicht gemacht in den Zeiten der Corona-Krise angemessene und schnelle Hilfe zu bieten. Hier wird es auch noch eine Nachlese geben müssen.

Dennis Sturm ist Gründer und Geschäftsführer des Versicherungsmaklers STC aus dem Westerwald. Als ausgebildeter Versicherungsfachwirt verfügt er über ein juristisches Studium im Schwerpunkt Versicherungsrecht (LL.M). Mit STC betreut er mehrere hundert meist Inhaber-geführte Betriebe. Über die Unternehmensberatung STC Risk Consulting berät er auch unternehmerisch; etwa zu Fragen des Risiko- und Krisenmanagements. Seit 2012 hat er einen Lehrauftrag an der Finanzakademie der EBS-Universität in Oestrich-Winkel, sowie weitere Dozenten- und Publikationsaufträge.