Das Baugewerbe erleidet eine Stornierungswelle, die der des Corona-Schocks im Frühjahr 2020 nahekommt. Auch die Zahl der Baugenehmigungen ist rückläufig. Der Zentralverband des Deutschen Baugewerbes warnt vor einem beunruhigendem Szenario.

Während der Corona-Pandemie war das Baugewerbe eine Stütze der Konjunktur. Nun sieht es auch in diesem Bereich schwierig aus. Bürger und Investoren stellen weniger Bauanträge und stornieren begonnene Projekte. Das geht aus Zahlen des ifo-Instituts und des Zentralverbands des Deutschen Baugewerbes (ZDB) hervor. Vor allem Einfamilienhäuser bleiben demnach momentan auf der Strecke. Steigende Materialkosten und unklare zukünftige Förderrichtlinien schaffen ein Klima, in dem Bauherren zweimal überlegen, welche Schritte sie gehen. Felix Pakleppa, Hauptgeschäftsführer des ZDB, warnt angesichts dieser Verunsicherung vor einem möglichen Szenario: "Sollte sich dieser Trend fortsetzen und die Zurückhaltung zunehmen, werden wir schon bald eine tiefe Delle in der Baukonjunktur sehen."
Auftragsbücher noch prall gefüllt
Aktuell seien die Auftragsbücher noch gut gefüllt. Mehrfamilienhäuser verzeichneten laut den heute vom ZDB veröffentlichten Zahlen im Mai sogar einen Anstieg der Baugenehmigungen um neun Prozent gegenüber dem Vormonat. "Investoren haben einen längeren Atem, beziehungsweise den entsprechenden finanziellen Background, um an die Realisierung ihrer Projekte zu glauben", erklärt Ilona Klein, Pressesprecherin des Verbands. Trotzdem können sie die schlechten Zahlen im privaten Bereich nicht ausgleichen. Die Anzahl der Baugenehmigungen bei Einfamilienhäusern ging um rund 17 Prozent zurück. Im Schnitt verzeichnete der Verband für Mai einen Rückgang der Genehmigungen um sechs Prozent.
Inflation, Energiekrise und Lieferschwierigkeiten
Der Einbruch gehe auf die Verunsicherung der Bauherren und Investoren zurück, die angesichts der Entwicklungen vorsichtig seien: "Man muss es so klar sagen: Die Folgen der Inflation, der Energiekrise und der gestörten Lieferketten haben den Bau nun erreicht", unterstreicht Pakleppa. So meldet das ifo-Institut, dass im Juni rund 47 Prozent der Hochbauunternehmen mit Lieferengpässen zu kämpfen hatten. Im Tiefbau waren es knapp 40 Prozent. Durchschnittlich rechnen die Betriebe laut der Erhebung damit, dass die Engpässe noch knapp neun Monate andauern. "Die Unternehmen müssen die höheren Preise für Material und auch Kraftstoff an die Kunden weitergeben, und so steigen die Baupreise weiter rasch", erklärt ifo-Forscher Felix Leiss. Dies führe letztlich dazu, dass Bauprojekte storniert werden. Die Größenordnung erinnere aktuell an den "Corona-Schock" im Frühjahr 2020.
Politik muss Rahmen schaffen
Neben diesen Aspekten spiele laut ZDB auch die unklare Förderung im Jahr 2023 eine Rolle. Angesichts der schwammigen Rahmenbedingungen, würden viele Bauherren lieber abwarten. "Das Förderchaos hat dem Einfamilienhausbau sicherlich nicht gut getan", kreidet Ilona Klein an. "Der Einfamilienhausbau sowie der Sanierungsbereich brauchen klare Regeln, nicht nur Ankündigungen, damit die Menschen wissen, worauf sie sich einstellen können." Auch die öffentliche Hand könne positive Reize setzen. Wenn sie ihrer Rolle gerecht werden wolle, müsse sie die regionale Baukonjunktur unterstützen. Der Bund habe dazu beispielsweise Mittel im Bundesprogramm Städtebauförderung aufgestockt, so Klein.