Bildungswende soll berufliche Bildung fördern Berufsschule: Raus aus dem Schatten der Universität

Die Stadt Bayreuth bekommt eine neue Berufsschule. Der Weg dorthin war lang, das Projekt wird teuer – aber es ist ein wichtiger Schritt hin zur Gleichwertigkeit von Bildungswegen.

Bauarbeiten an der Berufsschule Bayreuth mit Bagger.
Zehn Jahre dauerte es bis zum Baubeginn an der Berufsschule Bayreuth. ­Mindestens weitere acht Jahre werden ­vergehen, bis Abschnitt für Abschnitt alle Gebäudeteile ersetzt sind. - © Bayreuther Sonntagszeitung/Jürgen Lenkeit

Am Anfang war das Wasser. Nicht gerade in biblischen Ausmaßen, aber bei Starkregen doch genug, um den Unterricht in der Schweißerwerkstatt der Staatlichen Berufsschule 1 in Bayreuth unmöglich zu machen. "Das Wasser sammelte sich in der Werkstatt, wir konnten aber nicht erkennen, wo es durch das Dach kam", erklärt Schulleiter Prof. Manfred Müller. Die Bayreuther Stadträte begutachteten die Schule und bestätigten: Hier besteht großer Handlungsbedarf. Zehn Jahre ist das her.

Marode Berufsschulen, veraltete Technik

Marode und veraltete Gebäude, aber auch eine mangelnde technische oder digitale Ausstattung sind ein Problem, das viele Schulen beeinträchtigt. Der Weg zum modernen Standort aber ist mühsam und langwierig.

"Zwischen der ersten Idee und der politischen Entscheidung, dass gebaut wird und die Gelder dafür vorhanden sind, vergehen regelmäßig sieben bis acht, oft auch zehn Jahre", beobachtet Sven Mohr, Vorsitzender des Bundesverbands der Lehrkräfte für Berufsbildung (BVLB). So lange müssten Schüler und Lehrer unter den sich kontinuierlich verschlechternden Bedingungen arbeiten. Niemand investiere in das Alte, wenn Neues geplant sei.

Schul-Renovierung immer teurer

Neben Schülern und Lehrern haben auch Kommunen unter den Folgen der langwierigen Prozesse zu leiden. In Bayreuth sind die kalkulierten Baukosten von anfänglich 50 auf mittlerweile 132 Millionen Euro gestiegen. Nach einer Führung der Stadträte durch das sanierungsbedürftige Schulhaus war klar geworden, dass eine einfache Reparatur nicht genügen würde. Das gesamte Gebäude ist nicht gedämmt und auch die Raum­aufteilung entspricht nicht den Anforderungen an modernen Unterricht.

Rektor Müller sollte Pläne für eine Generalsanierung ausarbeiten. Als diese vorlagen, zeigte eine Wirtschaftlichkeitsprüfung, dass ein Neubau günstiger wäre. Mittlerweile waren Jahre ins Land gegangen und Müller plante von Neuem. Dennoch hätte der Bau aus seiner Sicht 2017 beginnen können, aber wieder hakte es am Geld. "Bayreuth ist in erster Linie eine Universitätsstadt. Die berufliche Bildung hat lange Zeit ein Schattendasein gefristet", kommentiert Müller. Die Entscheidung, in die berufliche Bildung zu investieren, habe viel zu lange gedauert.

Zwei-Klassen-Bildung benachteiligt Berufsschulen

Grafik zu staatlichen Ausgaben für Schüler und Studenten
Für Studenten gibt der Staat im Schnitt deutlich mehr aus als für Berufsschüler. - © Quelle: Datenreport Statistisches Bundesamt, Grafik: DHZ

Hans Peter Wollseifer, Präsident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH), spricht in diesem Zusammenhang von einer Zwei-Klassen-Bildungsgesellschaft. Wenn berufliche und akademische Bildung gleichwertig sein sollen, müsse dies gesetzlich festgeschrieben werden und die finanziellen Mittel müssten in gleichwertiger Höhe zur Verfügung stehen. Tatsächlich werden im Schnitt pro Hochschüler in Deutschland 7.300 Euro ausgegeben, pro Berufsschüler 3.200 Euro, zeigt der Datenreport des Statistischen Bundesamts.

Wenn der beruflichen Bildung seitens der Politik Wertschätzung nicht im gleichen Umfang entgegengebracht werde wie der akademischen, dann habe das Folgen, betont der ZDH. Finanzströme lenkten Bildungsströme. Man könne zu Recht fragen, ob die Vernachlässigung der Berufsschulen und handwerklichen Bildungsstätten nicht auch den Trend zur Akademisierung und damit den Fachkräftemangel befördere.

Fachkräftemangel könnte Gleichwertigkeit fördern

Grafik zu Studenten- und Schülerzahlen
Die Zahl der Ausbildungsverträge sinkt, die Zahl der Studienanfänger steigt. - © Quelle: Statistisches Bundesamt, Grafik: DHZ

In Bayreuth hat aber nicht zuletzt der Fachkräftemangel zu einem Umdenken im Stadtrat geführt: "Gegen Ende der Entscheidungsphase wurde die Bedeutung der beruflichen Bildung deutlich stärker gesehen als in früheren Zeiten", beobachtet Schulleiter Müller.

Mittlerweile gelte der Neubau als Leuchtturmprojekt. Ein dutzend Schulen, die ebenfalls einen Neubau oder eine Generalsanierung planen, hätten sich bei ihm nach dem Bayreuther Modell erkundigt, berichtet Müller. "Der Effekt wird für die gesamte berufliche Bildung sehr groß sein." Was jetzt noch fehle, seien neue Schilder am Ortseingang. Darauf stehe bisher "Universitätsstadt Bayreuth". Er könne sich aber auch "Universitäts- und Berufsbildungsstadt Bayreuth" vorstellen.