Corona-Erfolgsstory Vom Autosattler zum Babyschuh-Produzenten

Die Firma Belkon ist als Polsterei, Näherei und Sattlerei auf die Automobil- und Polstermöbelindustrie spezialisiert. Ideen, wie sich das Unternehmen weiterentwickeln könnte, hatten die Inhaber schon vor der Pandemie. Den Lockdown haben sie zum Handeln genutzt und die Eigenmarke Steppke entwickelt.

Maren und Michael Verfürth
Maren und Michael Verfürth führen das Familienunternehmen seit 2014. - © Herrmannsdörfer

Von außen unauffällig wirkt die Firma Belkon in Nufringen bei Stuttgart. Doch im Inneren der 1.200 Quadratmeter großen Industriehalle sind mehrere Geschäftsbereiche unter einem Dach vereint. War das Unternehmen anfangs nur in der Automobil- und Möbelbranche tätig, werden nun Schuhe für Kleinkinder hergestellt, Hundekörbe gefertigt, Stoffe geschnitten und Möbel restauriert. Im Zuge der Corona-Pandemie hat sich einiges bei Belkon getan. Für die Geschäftsführer Maren und Michael Verfürth glichen die vergangenen Monate allerdings einer Achterbahnfahrt.

Seit 2002 arbeitet Belkon als Dienstleister für verschiedene Automobilhersteller. In der Produktionshalle werden unter anderem Kunststoffteile aus dem Fahrzeuginneren mit Leder, Teppich oder anderen Stoffen bezogen. Seit einigen Jahren hat sich das Unternehmen auch in der Polstermöbelindustrie etabliert und fertigt Möbelstücke. Maren und Michael Verfürth führen das Familienunternehmen seit 2014 in zweiter Generation fort. "Wir haben zu Beginn vor allem an unserem Online-Auftritt geschraubt", sagt Michael Verfürth. Wie wichtig die Homepage für das Unternehmen in der Pandemie geworden ist, konnten die beiden zu diesem Zeitpunkt noch nicht ahnen.

Erstes Produkt für Privatkunden

"Wir hatten schon vor Corona verschiedene Ideen, wie sich unser Unternehmen weiterentwickeln könnte. Doch es fehlten uns die Kapazitäten, diese Ideen konkret umzusetzen", erklärt Maren Verfürth. Einen Gedanken konnten sie 2018 dann doch verwirklichen und haben die Eigenmarke Greg & Greta entwickelt. Unter dieser Marke produziert Belkon hochwertige, sichere und individuelle Kindersitzerhöhungen für Autos. "Das war der erste Schritt in den Privatkundenbereich", sagt Michael Verfürth. Jeder Kunde kann über einen Online-Konfigurator einen Kindersitz passend zum eigenen Autointerieur in Auftrag geben. 

Fokus auf Privatkundschaft

Dass sich Belkon verstärkt auf private Kundschaft ausrichten muss, zeigte sich Anfang des vergangenen Jahres. "Wir hatten schon Ende 2019 einen leichten Auftragsrückgang im Automobilbereich. Die Corona-Pandemie hat das Ganze dann natürlich verstärkt", sagt Michael Verfürth. Zahlreiche Großkunden, auch aus der Polstermöbelindustrie, hätten Aufträge storniert, wichtige Bauteile konnten nicht mehr geliefert werden, die 14-köpfige Belegschaft wurde teilweise in Kurzarbeit geschickt. Stillstand gab es aber nicht. Lange bevor in Deutschland die Maskenpflicht eingeführt wurde, produzierte Belkon Alltagsmasken in verschiedenen Farben. Maren Verfürth erinnert sich: "Die Leute haben uns die Türen eingerannt und die Telefonleitungen sind heiß gelaufen."

Diese Resonanz hatten die beiden nicht erwartet. "Wir haben Ende März 2020 angefangen im Zwei-Schicht-Betrieb Masken aus Polyester herzustellen. So konnten wir einige Mitarbeiter wieder relativ schnell aus der Kurzarbeit zurückholen." Innerhalb kürzester Zeit mussten Vertriebswege aufgebaut werden, um die Masken im großen Stil unter die Menschen zu bringen – Neuland für das Unternehmen. Ein Weg war ein örtlicher Supermarkt, ein anderer war ein kurzfristig programmierter Online-Shop. Einige Wochen hielt dieser Maskenboom an. Rund 16.000 Stück gingen über die Ladentheke, wurden per Post verschickt oder persönlich ausgeliefert.

Neue Eigenmarke entwickelt

Da sich die Auftragslage aus der Automobil- und Möbelindustrie nicht verbessert hatte, machte sich das Ehepaar an eine weitere Idee, welche bisher nicht umgesetzt werden konnte. Sie haben die neue Eigenmarke Steppke entwickelt und einen Verkaufsraum in ihren Betrieb integriert. Unter Steppke stellt Belkon unter anderem Kinder- und Babyschuhe, Handtaschen, Rucksäcke, Kinderkleidung, Möbel und Hundekörbchen her. Die Produkte werden in der hauseigenen Polsterei und Näherei entwickelt, hergestellt und verkauft. "Wir garantieren so, dass alle Produkte eine einwandfreie Qualität besitzen", sagt Maren Verfürth, die als gelernte Modedesignerin federführend für Steppke zuständig ist.

Stoffdepot
Belkon verfügt über mehr als 2.000 verschiedene Stoffe, Bänder und Nähzubehör. - © Herrmannsdörfer

Belkon hat sich im Sommer des vergangenen Jahres ein weiteres Standbein aufgebaut und kurz nach der Eröffnung des Ladens ein Stoffdepot eingerichtet. Nähbegeisterte können hier mehr als 2.000 verschiedene Stoffe, Bänder und Nähzubehör kaufen. Dafür wurde die Produktionshalle umgebaut und renoviert. Entstanden ist ein 200 Quadratmeter großes Stoffatelier im Obergeschoss mit Blick auf die Produktionshalle.

"Die ersten Wochen liefen sehr gut an", sagt Michael Verfürth, "doch dann kam im November der zweite Lockdown – und das hat richtig wehgetan." Drei Nächte lang habe er an einem Online-Shop für Steppke und das Stoffdepot gearbeitet. "Das hat uns natürlich geholfen, trotzdem muss man Stoffe einfach sehen und fühlen", sagt der Geschäftsführer. Mit den Lockerungen der Corona-Beschränkungen, ging auch die Kundenzahl stetig nach oben. Mittlerweile verfügt Belkon über viele Stammkunden. "Viele bringen ihre selbstgenähten Stücke mit und zeigen stolz, was aus unseren Stoffen geworden ist", erzählt Maren Verfürth. Gerade während des Lockdowns hätten viele Menschen die Leidenschaft zum Nähen entdeckt.

Synergieeffekte zahlen sich aus

Alle Geschäftsbereiche profitierten voneinander, sagen die beiden Unternehmer. Wer zum Stoffkauf komme, kaufe auch gerne etwas im Steppke Laden. Michael Verfürth sagt: "Wenn Kunden in der Produktionshalle ein Möbelstück sehen, welches gerade restauriert wird, erinnern sich viele an die eigene Couch oder die eigenen Stühle." Das Unternehmen habe so eine Reihe von Aufträgen von Privatpersonen bekommen. Durch das Inhouse-Geschäft seien aber auch größere Industriekunden auf Belkon aufmerksam geworden, erklärt er. "Kunden, die bei uns eingekauft haben, vermittelten uns Aufträge von größeren Unternehmen."

Die Eigenmarken will Belkon künftig weiter ausbauen – auch wenn sich die gewerbliche Auftragslage langsam wieder erholt. Maren Verfürth könnte sich zudem Nähkurse oder andere Events im Stoffdepot vorstellen. Und an der Außendarstellung soll durch gezielte Werbemaßnahmen gearbeitet werden, damit Kunden gleich zu Beginn sehen, was sie im Inneren des Unternehmens erwartet.