Einerseits soll die Energiewende in Zukunft die Energieversorgung sichern, andererseits trägt sie zur Verschärfung der aktuellen Krise bei. Über die Hintergründe und die Rolle des Handwerks.
Viele Handwerksbetriebe treiben die Klima- und Energiewende mit ihren Dienstleistungen voran. Solarmodule und Photovoltaikanlagen müssen installiert, Windräder aufgestellt, Gebäude gedämmt und Heizungen ausgetauscht werden. "Solche Dienstleistungen sind natürlich lohnend für die Betriebe. Der Andrang ist so groß, dass viele Betriebe neue Kunden vertrösten müssen, weil ihre Auftragsbücher schon voll sind", erzählt Michel Durieux, Referatsleiter im Zentralverband des Deutschen Handwerks. Doch derzeit erfreuen sich keineswegs alle Handwerksbetriebe an den Chancen der Energiewende. Etliche Unternehmer erleben vielmehr eine Energiekrise mit stark steigenden Kosten für Strom und Gas. Umso dringender müssen Handwerker auch im eigenen Betrieb ihre Energie effizienter einsetzen, um Geld zu sparen.
So plant Deutschland den Umstieg auf Erneuerbare
Auch die Energiewende verfolgt das Bestreben, Energie effizienter zu nutzen, um den Verbrauch zu reduzieren. Das übergeordnete Ziel besteht aber darin, die Energieversorgung von fossilen Energieträgern wie Kohle, Öl und Gas auf erneuerbare Energien umzustellen. Durch das Verbrennen fossiler Brennstoffe entstehen Treibhausgase wie Kohlenstoffdioxid (CO₂) und Methan. Sie sorgen mit dem Treibhauseffekt für eine globale Erderwärmung. Die deutsche Absicht ist es, bis zum Jahr 2045 Energie hauptsächlich aus regenerativen Quellen wie Wind- und Wasserkraft, Sonnenenergie, Geothermie oder nachwachsenden Rohstoffen zu beziehen. Deswegen sollen Kohlekraftwerke möglichst bis 2030, spätestens jedoch 2038 abgebaut werden. Auch Atomkraftwerke sollen 2023 vollständig vom Netz gehen.
Energiewende trägt Mitschuld für Energiekrise
Auch wenn die erneuerbaren Energien ausgebaut werden, entstehen dadurch Versorgungslücken. Strom aus erneuerbaren Energien ist nicht grundlastfähig, weil die Einspeisung durch fehlenden Wind oder Sonne schwankend ist. Diese Lücken sollten durch die Gaskraftwerke gefüllt werden. Durch den russischen Krieg in der Ukraine fiel dieser Plan in sich zusammen. Ohne Erdgas aus Russland ist die Energie- und Wärmeversorgung stark gefährdet. Die Preise steigen immer weiter. Jetzt wird deutlich, wie abhängig die deutsche Energiewende und Energieversorgung von russischem Gas ist.
Aber bereits vor dem Ukraine-Krieg konnten die Versorgungslücken, die durch das Abschalten von Atom- und Kohlekraftwerken entstehen, nicht vollständig mit Strom aus Gaskraftwerken geschlossen werden. "Wir haben in den letzten fünf Jahren in Europa 20.000 Megawatt Kohlekraftwerke abgestellt und seit 2011 20.000 Megawatt Kernenergie verloren. Das hat man energiepreislich in der Pandemie nicht bemerkt, weil die wirtschaftliche Tätigkeit zurückging", sagte Fritz Vahrenholt, ehemaliger Umweltsenator in Hamburg, in einem Podiumsgespräch auf den Hayek-Tagen 2022. "Die wieder anspringende Konjunktur des letzten Jahres hat aber gezeigt, dass wir einfach eine Energieknappheit haben. Schon lange vor dem Ukraine-Krieg explodierten die Börsenstrompreise in Deutschland." Die Energiewende trägt so gesehen also eine Mitschuld für die Energiekrise.

Fehlendes Gas aus Russland verteuert Preise – auch beim Strom
Dadurch dass Russland Deutschland kein Gas mehr liefert, haben die Gasversorger höhere Beschaffungskosten. Die Nachfrage übersteigt das Angebot. Deutschland muss nun mehr und teureres Erdgas aus Norwegen und den Niederlanden importieren. Aus den USA wird zusätzlich LNG (Flüssigerdgas) importiert, allerdings ist die Gewinnung ökologisch umstritten. Die höheren Kosten bekommen alle Privathaushalte und Handwerksbetriebe zu spüren, welche Gas zum Heizen verwenden. Für etliche Betriebe ist Gas ein Produktionsmittel, etwa zum Betreiben von Backöfen, zum Trocknen von Lacken oder für den Betrieb von Glüh- und Brennöfen. Durch die höheren Gaspreise steigt aber auch der Strompreis, da Gaskraftwerke ihren Strom durch das Verbrennen von teurem Erdgas erzeugen. Darum bieten sie ihren Strom in der Börse zurzeit zu viel höheren Preisen an.

Gaspreisbremse: Wie sie funktioniert – und was das Handwerk kritisiert
Anfang August hatte die Bundesregierung bereits eine Gasumlage beschlossen. Die Gasumlage wurde inzwischen durch eine Gaspreisbremse ausgetauscht. Diese funktioniert nach aktuellem Stand so, dass ab März 2023 für 80 Prozent des prognostizierten Jahresverbrauchs ein gedeckelter Preis von zwölf Cent pro Kilowattstunde gilt. Grundlage soll die Jahresverbrauchsprognose sein, die der Abschlagszahlung für den September 2022 zugrunde gelegt wurde. Darüber hinaus soll es eine rückwirkende Entlastung zum 1. Februar 2023 geben. Oberhalb dieses Kontingents sollen Marktpreise gelten. Holger Schwannecke, Generalsekretär des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks, kritisiert, dass diese Entlastung für das Handwerk zu spät komme: "Auch die Einmalzahlung im Dezember ist für viele energieintensive Handwerksbetriebe nur ein Tropfen auf den heißen Stein und wird keinesfalls ausreichen, um die Existenz und damit Arbeits- und Ausbildungsplätze zu sichern."
Um die Stromversorgung zu garantieren und den Einsatz von Gas für die Stromerzeugung zu verringern, werden die eigentlich für den 31. Dezember 2022 zur Abschaltung vorgesehen letzten drei Atomkraftwerke bis April 2023 weiter betrieben. Auch Kohlekraftwerke, die nach den Plänen für den Kohleausstieg 2022 und 2023 normalerweise außer Betrieb gehen sollen, werden als Ersatz auf Abruf gehalten. Der Ausbau von Gaskraftwerken muss auf jeden Fall erstmal gestoppt werden. Andernfalls würde sich die Abhängigkeit von russischem Erdgas weiter erhöhen. Die Energiewende wird in diesem Sinne also zunächst einmal gebremst.
Fachkräfte dringend gesucht: Ohne Handwerk keine Energiewende
Die Regierung setzt zur Sicherung der Energieversorgung aber auch auf einen noch schnelleren Ausbau der erneuerbaren Energien. Dies unterstützt die Energiewende wiederum. Allerdings lässt sich so eine Beschleunigung in der Realität nur schwer umsetzen. Langwierige Genehmigungsverfahren, Bürgerproteste gegen Windräder oder Gemeinden, die sich gegen Stromtrassen wehren, sind nicht die einzigen Probleme. Baumaterial fehlt und wird immer teurer und die Anzahl der Handwerker ist nicht ausreichend genug, um den Ausbau wesentlich zügiger voranzubringen. "Nur wenn es gelingt, mehr Menschen für eine klimarelevante Tätigkeit im Handwerk zu gewinnen, kann die Energiewende erfolgreich sein", betont ZDH-Präsident Hans Peter Wollseifer im +3-Magazin der Süddeutschen Zeitung.