Das aus dem Onlinehandel bekannte Verbraucherwiderrufsrecht steht teils auch Kunden von Handwerksbetrieben zu. Verzichten diese auf eine korrekte Widerrufsbelehrung, kann das teuer werden. Wann Handwerker besonders achtsam sein müssen.

Eigentlich war es ein Routineauftrag. Bei Instandhaltungsarbeiten an einer Ölheizung fiel einem Heizungs- und Sanitärfachbetrieb aus dem Norden Bayerns ein größerer Reparaturbedarf an der Heizungsanlage auf. Er sprach den Hausbesitzer darauf an – und dieser erteilte umgehend den Auftrag, die notwendigen Arbeiten durchzuführen. Die böse Überraschung folgte nach einigen Wochen: Der Kunde widerrief den Auftrag und weigerte sich, die entsprechende Rechnung zu bezahlen.
Widerrufsrecht: Handwerksbetrieb verliert vor Gericht
Der Betrieb zog vor Gericht – und unterlag (Landgericht Coburg, Urteil vom 09.08.2018, Aktenzeichen 21 O 175/18). Denn der Handwerksmeister war nicht über die Rechtslage im Bilde gewesen. Kommt ein Vertrag außerhalb der Geschäftsräume des Betriebes zustande – in diesem Fall direkt vor Ort im Heizungskeller des Wohnhauses –, greift das Fernabsatzrecht. Dem Kunden steht dann ein Widerrufsrecht zu, er kann also den Vertrag ohne Angabe von Gründen widerrufen.
Erhält der Verbraucher bei Vertragsschluss eine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung, kann er dieses Recht zwei Wochen lang ausüben und muss zugleich Wertersatz für die bis dahin angefallenen Material- und Arbeitskosten leisten. Ohne Widerrufsbelehrung jedoch verlängert sich die Frist um ein Jahr. Der Verbraucher kann dann den Vertrag also ein Jahr und zwei Wochen lang widerrufen. Und muss auch keinen Wertersatz für die bis dahin erbrachten Leistungen bezahlen. Genau das war in diesem Fall geschehen. Der Betrieb blieb vollständig auf seinen Kosten sitzen.
Handwerkern sei häufig nicht bewusst, dass das aus dem Onlinehandel bekannte Verbraucherwiderrufsrecht auch ihren Kunden zustehen kann, sofern Verträge per Telefon oder E-Mail oder auch direkt vor Ort auf der Baustelle abgeschlossen werden, sagt Markus Hofmockel, Jurist bei der Handwerkskammer Mittelfranken. "Der Widerruf kann in solchen Fällen auch nach Durchführung des Auftrages erfolgen, solange die Frist nicht abgelaufen ist. Dies hat zur Folge, dass der Handwerker keinen Anspruch mehr auf den Werklohn hat, obwohl die Leistung mangelfrei erbracht worden ist", so der Jurist. Zwar wäre das Material zurückzugewähren, aber nur wenn es sich rückstandslos ausbauen lässt. "Ein Wertersatz wäre vom Verbraucher dann zu bezahlen, wenn er ausdrücklich verlangt hat, dass vor Ablauf der Widerrufsfrist mit den Arbeiten begonnen wird", erläutert Hofmockel. In den meisten Fällen bestehe dieser Anspruch aber nicht.
Möglichst auf Vertragsschlüsse außerhalb der Geschäftsräume verzichten
Um solche juristischen Fallen zu vermeiden, rät Kammer-Jurist Hofmockel dazu, möglichst Situationen mit Verbrauchern zu vermeiden, in denen ein solches Widerrufsrecht überhaupt entsteht. Also möglichst keine Verträge außerhalb der eigenen Geschäftsräume abzuschließen. Dies ist aber in der Praxis nicht immer möglich. Dass Aufträge per Telefon oder E-Mail erteilt und Zusatzleistungen im direkten Gespräch auf der Baustelle verabredet werden, gehört für die meisten Betriebe zum Alltag. In solchen Fällen sei dann aber "unbedingt darauf zu achten, dass der Verbraucher ausreichend mit den einschlägigen Musterwiderrufsbelehrungen informiert wird", so Hofmockel. Hierzu kann man beispielsweise eine Auftragsbestätigung an den Kunden schicken, die auch eine entsprechende Widerrufsbelehrung samt Wertersatzklausel enthält.
Das gesetzliche Widerrufsrecht
Der Widerruf kennzeichnet ein Recht, das sich auf geschlossene Verträge und abgegebene Willenserklärungen auswirkt. Wer einen rechtswirksamen Widerruf durchführt, ist nicht mehr an die zuvor abgegebene Willenserklärung gebunden. In dem Fall müssen grundsätzlich bereits getätigte Leistungen der jeweils anderen Vertragspartei zurückgewährt werden – in der Praxis bekommt also der Kunde sein Geld erstattet und gibt dafür die erhaltene Ware zurück.
Bei Verträgen zwischen Unternehmern müsste ein Widerrufsrecht gesondert vereinbart werden. Bei Verträgen mit Verbrauchern steht selbigen jedoch ein gesetzliches Widerrufsrecht von 14 Tagen zu, wenn der Vertrag außerhalb der Geschäftsräume eines Unternehmens geschlossen wurde. Das betrifft insbesondere online oder telefonisch geschlossene Verträge sowie sogenannte Haustürgeschäfte. Bei Verbraucherbauverträgen besteht das gesetzliche Widerrufsrecht ohne jede Ausnahme, also auch bei in den Geschäftsräumen des Unternehmers abgeschlossenen Verträgen. Die 14-Tage-Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, zu dem der Verbraucher über sein Widerrufsrecht informiert wird. Vergisst der Unternehmer diese Belehrung, verlängert sich das Widerrufsrecht um ein Jahr. Hinzu kommt, dass kein Wertersatz für bereits vor der Ausübung des Widerrufsrechts erhaltene Leistungen gezahlt werden muss.
Musterwiderrufsbelehrungen erhalten Handwerker über die zuständigen Innungen und die Handwerkskammern. Auch der Zentralverband des Deutschen Handwerks stellt Handwerksbetrieben entsprechende Musterformulierungen zur Verfügung.
"Will der Handwerker verhindern, dass dem Verbraucher ein Widerrufsrecht von mehr als zwölf Monaten zusteht, muss er diesen umfassend über sein Widerrufsrecht belehren", bestätigt Moritz Torgau. Er ist Rechtsanwalt mit Schwerpunkt auf Bau- und Architektenrecht in der Kanzlei Abel und Kollegen im saarländischen St. Ingbert. Denn den Handwerker als Unternehmer würden gerade bei außerhalb von Geschäftsräumen oder im Fernabsatz geschlossenen Verträgen umfassende Aufklärungspflichten treffen. "Dies gilt insbesondere dann, wenn er diesem nur auf der Baustelle gegenübersteht", so Torgau.
Vertragsverhältnis wird durch Widerruf zum Abwicklungsverhältnis
In einer Neuformulierung des entsprechenden Paragrafen im Bürgerlichen Gesetzbuch, die zum 28. Mai dieses Jahres in Kraft tritt, ist dies noch einmal ausdrücklich klargestellt. Dort heißt es, der Verbraucher habe Wertersatz für einen Wertverlust der Ware zu leisten, wenn "der Wertverlust auf einen Umgang mit den Waren zurückzuführen ist, der zur Prüfung der Beschaffenheit, der Eigenschaften und der Funktionsweise der Waren nicht notwendig war" – und wenn "der Unternehmer den Verbraucher über dessen Widerrufsrecht unterrichtet hat". Unterlässt er dies, verlängert sich das Widerrufsrecht automatisch um ein Jahr – und der Anspruch auf Wertersatz entfällt. Voraussichtlich werden im Zuge der Neuformulierung auch die Muster-Widerrufsformulare überarbeitet.
Der Widerruf habe grundsätzlich zur Folge, dass das Vertragsverhältnis sich juristisch betrachtet in ein sogenanntes Abwicklungsverhältnis umwandelt, erläutert Rechtsanwalt Torgau. "Zahlungen, die der Verbraucher bereits geleistet hat, sind an diesen zurückzuerstatten". Wertersatz für bereits geliefertes Material könne in solchen Fällen auch nicht von dieser Rückzahlung abgezogen werden. Der Handwerker ist dann in eine juristische Falle getappt – und bleibt auf sämtlichen Kosten sitzen. Der Schaden kann Betriebe durchaus in ihrer Existenz gefährden, warnt Kammer-Jurist Hofmockel. "In der Beratung begegnen uns immer wieder Fälle, bei denen Handwerker auf diese Weise fünfstellige Beträge verloren haben." Juristische Fallen können eben extrem teuer werden.