Interview zu EU-Politik "Weniger und bessere Gesetzesvorschläge"

Die Europaabgeordnete Marion Walsmann (CDU) wünscht sich von linken und grünen Parteien mehr Einsatz fürs Handwerk. Der EU-Kommission wirft sie Realitätsferne vor.

Marion Erika Walsmann: die Europaabgeordnete stammt aus Thüringen - © M. Lahousse

Frau Walsmann, haben Sie – als unvoreingenommene Newcomerin im EU-Parlament – eine Erklärung dafür, dass viele kleine und mittlere Unternehmen und Handwerksbetriebe in Deutschland von "Brüssel" eher enttäuscht als begeistert sind?

Marion Walsmann: Ich glaube, dass es bei vielen Bürgerinnen und Bürgern an Vertrauen in die Politik fehlt. Es ist etwas, an dem auch wir im EU-Parlament arbeiten müssen. Ich versuche beispielsweise durch viel stärkere Präsenz vor Ort zu zeigen, dass ich aus der engen Verbindung zu meinem Wahlkreis heraus Politik gestalten will. Es gibt auf europäischer Ebene viele alteingesessene Handhabungen, die man durchaus ändern sollte. Vor allem Newcomer wie ich setzen sich dafür ein. Meines Erachtens wäre eine erhöhte Transparenz vor allem, was den Rat angeht, eine handlungsfähigere EU-Kommission und mehr Entscheidungen, insbesondere ein Initiativrecht für das EU-Parlament wäre ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Es geht um Politik mit Augenmaß im Interesse der Menschen.

Auswirkungen auf das Handwerk

Können Sie uns Beispiele aus Ihrer Arbeit nennen, wo das Handwerk unmittelbar betroffen ist?

Da gibt es eine ganze Menge. Zu nennen wären beispielsweise das neue Kriseninstrument für den Binnenmarkt, die Ökodesignverordnung, das Recht auf Reparatur, die Gebäudeeffizienzrichtlinie, das europäische Richtlinie über die Sorgfaltspflichten von Unternehmen im Hinblick auf Nachhaltigkeit und die Bauprodukteverordnung. Besonders nennenswert ist die Ausweitung des Schutzes geografischer Angaben auf handwerkliche und industrielle Produkte. Momentan gibt es keinen EU-weiten Schutz der Qualitäten, die spezifischen lokalen Fähigkeiten und Traditionen in Bezug auf handwerkliche und industrielle Produkte wie Glaswaren, Messer, Schmuck, Keramik oder Bekleidung zugeschrieben werden. Dieses Thema birgt immense Chancen für das regionale Handwerk. Ich darf dieses Thema als Berichterstatterin gestalten.

Werden Interessen des Handwerks angemessen berücksichtigt?

Das Handwerk liegt mir am Herzen. Die meisten handwerklichen Unternehmen sind KMU und das Rückgrat der europäischen Wirtschaft. Bezogen auf den Schutz geografischer Angaben von handwerklichen und industriellen Produkten setze ich mich dafür ein, EU-weit einheitliche, einfache und effiziente Verfahren zu schaffen, welche den Verwaltungsaufwand auf ein Minimum reduzieren und einen starken Schutz gewährleisten. Was die anderen Themen angeht, so habe ich beispielsweise bei der Richtlinie über Sorgfaltspflichten von Unternehmen insbesondere mit Blick auf Nachhaltigkeit Änderungsanträge eingereicht, die den Anwendungsbereich reduziert, damit KMU nicht überbordend diesen Verpflichtungen unterliegen.

Was kann und sollte das deutsche Handwerk tun, damit seine Interessen auf dem EU-Parkett wirkungsvoller berücksichtigt werden?

Für mich als Thüringer Europaabgeordnete haben die Interessen des Mittelstands größte Priorität. Sie können sich gerne mal die von mir eingereichten Änderungsanträgen in den Ausschüssen ansehen und werden feststellen, dass ich in den meisten Fällen die Forderung nach KMU-freundlicher Gesetzgebung und Unterstützung stelle mit weniger Verwaltungsaufwand und möglichen Ausnahmen oder zumindest besondere Berücksichtigung von KMU. Wenn dann sollten vor allem auch die linken und grünen Parteien mehr mit den Interessen der Handwerker vertraut gemacht werden, denn aus diesen Reihen kommt oftmals eine ablehnende Haltung der KMU-freundlichen Politik gegenüber.

Bessere Gesetzesvorschläge, mehr Transparenz, klare Regeln

Zur Plenardebatte über das 30-jährige Bestehen des EU-Binnenmarkts: Was fordern Sie in Richtung der EU-Kommission, um den Binnenmarkt weiterzuentwickeln?

Weniger und bessere Gesetzesvorschläge, die den einheitlichen Binnenmarkt vervollständigen, ohne überzogene und realitätsfremde Forderungen zu stellen!

Die Ende 2022 aufgedeckten, mutmaßlichen Korruptionsfälle im Europäischen Parlament vermitteln den Eindruck, dass sich Reden und Entscheidungen im Europäischen Parlament kaufen lassen. Wie kann in der selbst ernannten EU-Volksvertretung so etwas verhindert werden? Wie kann sichergestellt werden, dass die Abgeordneten nur dem Votum ihrer Wähler folgen?

Direkt gewählte Abgeordnete unterliegen einer ganz besonderen Verantwortung. Was einige sozialdemokratische Abgeordnete sich hier erlaubt haben, ist unfassbar. Dieser Fall macht Schwachstellen der derzeitigen Regelungen für Nichtregierungsorganisationen deutlich. Wir benötigen mehr Transparenz bezüglich der Finanzierung von Nichtregierungsorganisationen und klarere Regeln bei den zahlreichen Freundschaftsgruppen und informellen Zusammenschlüssen im Europaparlament.