Nach Kühlschränken, Waschmaschinen und anderen Elektrogroßgeräten sollen bald auch Smartphones und Tablets gesetzliche Reparaturvorgaben bekommen. Die angekündigten Verbesserungen reichen allerdings nicht an das Recht auf Reparatur heran, das schon lange in der Diskussion steht. Kritiker fordern Nachbesserungen. Im Fokus dabei: die Ökodesign-Richtlinie der EU.

Zwar steht ein Recht auf Reparatur im Koalitionsvertrag der Bundesregierung. Doch bevor es innerhalb der Regierungsparteien abgestimmt werden kann, ist die EU dran. Sie muss über die grundsätzliche Gesetzgebung entscheiden. Aktuell konzentrieren sich die EU-Politiker dabei auf die Produktgruppe der Smartphones und Tablets. Hersteller sollen über die sogenannte Ökodesign-Richtlinie neue Reparaturvorgaben bekommen.
Ersatzteile, Anleitungen, Software: Das regeln die Reparaturvorgaben für Smartphones und Tablets
Konkret gemeint sind dabei:
- Einzelteile von Smartphones und Tablets wie Akkus oder Displays sollen besser austauschbar sein. Sie sollen nicht mehr fest miteinander verbaut oder gar verklebt sein dürfen.
- Ersatzteile müssen mit allgemein verfügbaren Werkzeugen wechselbar sein.
- Ersatzteile sollen insgesamt besser, schneller und länger verfügbar sein. Hersteller sollen sie sieben Jahre lang zur Verfügung stellen müssen. Gezählt wird ab dem Zeitpunkt, nachdem das letzte Gerät des jeweiligen Modells auf den Markt gekommen ist. Dabei sollen sie in den ersten fünf Jahren innerhalb von fünf Arbeitstagen an denjenigen geschickt werden müssen, der das Smartphone oder das Tablet repariert. In den folgenden beiden Jahren müssen die Hersteller sie innerhalb von zehn Arbeitstagen verschicken.
- Besonders wichtig für Smartphone und Tablets: Die besseren und längeren Verfügbarkeiten von Ersatzteilen sollen auch für Software gelten.
- Hersteller müssen Reparaturanleitungen im Netz frei zur Verfügung stellen.
Gemeinsam sollen diese Vorgaben das Recht auf Reparatur voranbringen. Die Ökodesign-Richtlinie bildet die Basis, denn darin sind die Vorgaben definiert. Bereits seit März 2021 greifen sie für Elektrogroßgeräte wie Kühlschränke und Waschmaschinen. Produktgruppenweise werden sie ausgeweitet. Als zweite Gruppe sind nun Smartphones und Tablets dran.
Schon in der ersten Hälfte des Jahres 2023 könnten die neuen Reparaturvorgaben für sie EU-weit in Kraft treten. Dann beginnt eine Übergangsfrist bis Ende 2024, bis die Regelungen greifen müssen. Am 18. November haben sich die Europäische Kommission und Vertreter der Mitgliedstaaten auf neue Ökodesign-Anforderungen für Smartphones und Tablets geeinigt. Nun haben das Europäische Parlament und der Rat drei Monate Zeit, den Beschluss zu prüfen. Politische Initiativen wie der Runde Tisch Reparatur erwarten dabei keinerlei Widerspruch, sondern sehen es eher als Formsache, dass die Pläne umgesetzt werden.
Reparaturvorgaben für Smartphones und Tablets dienen als Blaupause
Dabei ergibt es nur Sinn, sie als direkte EU-Vorgabe Gültigkeit erlangen zu lassen, denn die Hersteller der Smartphones und Tablets agieren allesamt global. Nach der Bestätigung werden die Ökodesign-Anforderungen im Amtsblatt der EU veröffentlicht und treten 20 Tage später in Kraft. "Das wird voraussichtlich in der ersten Hälfte des Jahres 2023 sein", erklärt Katrin Meyer, die Sprecherin des Runden Tisch Reparatur. Die Reparaturvorgaben für Smartphones und Tablets sind ihrer Ansicht nach deshalb besonders wichtig, weil sie – gemeinsam mit den Vorgaben für Elektrogroßgeräte – als Blaupause für das gelten werden, was dann schrittweise für weitere Produktgruppen in den kommenden Jahren greift.
Dabei muss man allerdings grundsätzlich von langen Zeiträumen ausgehen, in denen die Vorgaben Wirkung zeigen. So kann Katrin Meyer auch noch nicht von Erfahrungen berichten, die sich durch das Inkrafttreten der Vorgaben für Elektrogroßgeräte zeigen. "Sie greifen ja erst für neue Geräte, die seit März 2021 auf den Markt kommen und bis diese dann reparaturbedürftig sind, wird es in den meisten Fällen noch dauern", sagt sie. Dennoch sei es wichtig, jetzt für alle weiteren Geräte den richtigen Weg vorzugeben, damit sich in Zukunft etwas ändert und mehr repariert statt weggeworfen wird.
Details der Reparaturvorgaben stoßen auf Kritik
Für den richtigen Weg hin zu einem Recht auf Reparatur genügen die aktuellen Beschlüsse für Smartphones und Tablets nach Ansicht des Runden Tischs Reparatur allerdings noch nicht aus. Zwar begrüßen die Mitstreiter der Initiative, dass es hierbei grundsätzlich vorangeht. "Aber es gibt noch Details zum Nachbessern", erklärt Katrin Meyer und verweist auf den Aspekt der sogenannten Serialisierung, der zu wenig Berücksichtigung finde.
Gemeint ist dabei, dass Hersteller derzeit Ersatzteile wie Akkus oder Displays über die Seriennummer an die Geräte koppeln. Auch wenn man die Teile einzeln tauschen kann – egal, ob das eine Vertragswerkstatt übernimmt, der Nutzer selbst oder eine freie Werkstatt und egal, ob es Originalersatzteile sind oder nicht – braucht man vor dem Tausch eine Freischaltung der Teile durch den Hersteller. Ansonsten sind die Teile nicht miteinander kompatibel bzw. funktionieren einfach nicht. Um Reparaturen wirklich praxistauglich einfacher zu machen, braucht es in der Ökodesign-Richtlinie ein Verbot der Serialisierung. "Aber das haben Kommission und EU-Länder in der aktuellen Version verpasst mitaufzunehmen", kritisiert Meyer. So gibt es derzeit nur eine Frist für die Dauer, bis die Freischaltung erfolgt sein muss. Sie liegt bei drei Tagen.
Als zweiten Kritikpunkt nennt sie, dass auch verpasst wurde, eine Grenze oder einen Rahmen für die Ersatzteilpreise zu formulieren. Das gilt sowohl für die Reparaturvorgaben in der Ökodesign-Richtlinie als auch im sogenannten Reparierbarkeitsscore, an dem die EU-Politik ebenfalls derzeit arbeitet. Für beides gilt nach Ansicht des Runden Tischs Reparatur, dass sie ohne einen festgesteckten Preisrahmen an Aussagekraft bzw. voraussichtlicher Wirkung verlieren. "Reparaturen müssen sich finanziell lohnen", sagt Katrin Meyer. So würden viele Menschen zum Beispiel auf die Reparatur eines defekten Handydisplays verzichten, wenn das Ersatzteil mit mehreren Hundert Euro fast so viel kostet wie ein ganzes Smartphone. So bräuchte es einerseits Festlegungen für den Ersatzteilpreis in der Richtlinie. Als starken Einfluss auf eine Kaufentscheidung wertet sie aber auch den geplanten Reparierbarkeitsscore. Hier sollten Preisangaben für Ersatzteile mit in die Bewertung der Reparierbarkeit einfließen.
Reparierbarkeitsscore und Reparaturvorgaben für Smartphones und Tablets ohne Ersatzteilpreise wirkungslos?
Nach Angaben des Bundesumweltministeriums soll der Reparierbarkeitsscore EU-weit ab 2025 auf den Geräten zu finden sein. Er soll künftig als Angabe direkt auf einem Gerät Informationen zur Reparierbarkeit liefern. Vergleichbar zu Informationen zur Energieeffizienz soll er gut sichtbar anhand einer grafischen Darstellung bei der Kaufentscheidung helfen. Denn Umfragen zeigen, dass immer mehr Menschen die Reparierbarkeit wichtig beim Kauf neuer Produkte ist. Doch sie können bisher nur mit viel Aufwand gut und schlecht reparierbare Produkte voneinander unterscheiden.
In der vergangenen Woche haben technische Experten der EU-Mitgliedsstaaten nun über den Vorschlag der EU-Kommission zum sogenannten Ökolabelling von Smartphones und Tablets beraten. Katrin Meyer hat sich den Entwurf angeschaut und bewertet ihn als bisher unzureichend, da der Ersatzteilpreis dabei keine Rolle spielt. Dabei habe Frankreich schon gezeigt, wie ein Reparierbarkeitsscore aussehen müsse, damit er in der Praxis Wirkung zeigt. Hier bekommen Verbraucher bereits seit Januar 2021 Informationen über die Reparierbarkeit von Smartphones, Laptops, Fernsehern, Rasenmähern und Waschmaschinen über ein Label. Und dabei fließt der Preis für die Ersatzteile in die Bewertung ein: Je geringer der Preis für Ersatzteile im Verhältnis zum Neupreis des Produkts, desto besser schneidet das Produkt ab.
Auch diese Festlegungen hätte die EU-Kommission im aktuellen Entwurf verpasst. Der Runde Tisch Reparatur erhofft sich, dass sowohl in den künftigen Vorgaben über die Ökodesign-Richtlinie als auch, wenn der Reparierbarkeitsscore in die Umsetzung geht, die Hersteller noch mehr in die Pflicht genommen werden, Reparaturen zu fördern statt sie zu verhindern oder zu verzögern.