Betriebsprüfung Weniger Kontrollen bei Schwarzarbeit und Mindestlohn

Besuche und Kontrollen von Fahndern in deutschen Firmen sind 2015 zurückgegangen. Das überrascht im Hinblick auf die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns. Laut Finanzministerium ist die Prüfzahl jedoch nicht das Kriterium.

Firmen, die nichts zu verstecken haben, können dem Besuch der Zollfahnder gelassen entgegen sehen. - © Foto: Andreas Scholz/Fotolia.com

Die Finanzbehörden haben 2015 deutlich weniger Betriebe auf Einhaltung des Mindestlohns kontrolliert als im Vorjahr. Die beim Zoll angesiedelte Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) überprüfte nach Angaben der Bundesregierung im vergangenen Jahr knapp 43.700 Betriebe. 2014 seien es noch gut 63.000 gewesen, wie aus einer Antwort des Bundesfinanzministeriums auf eine Anfrage der Grünen im Bundestag hervorgeht.

In der für Lohndumping besonders anfälligen Baubranche sei die Zahl der Kontrollen sogar um fast die Hälfte auf knapp 17 000 Arbeitgeber gesunken. Die Grünen nannten es am Freitag absurd, dass gerade im ersten Jahr der Einführung des gesetzlichen Mindestlohns weniger Betriebe kontrolliert wurden. Gewerkschaftsvertreter forderten erneut mehr Zollfahnder.

"Dicke Fische" im Visier des Finanzministeriums

Ein Sprecher des Bundesfinanzministeriums betonte, dass nicht die bloße Zahl der Überprüfungen entscheidend sei. Vielmehr gehe es darum, die "dicken Fische" zu bekommen. 2015 seien die Kontrollen auf einen "risikoorientierten Ansatz" umgestellt. Demnach würden die vorhandenen Ressourcen nicht für eine Maximierung der Kontrollzahlen genutzt. Ziel sei es, die großen Betrugsfälle aufzudecken. So seien die Zahl der eingeleiteten Ermittlungsverfahren "wegen Strafverfahren" sowie die Summe der Geldstrafen gestiegen. Über die Regierungsantwort hatte zuvor die "Süddeutsche Zeitung" berichtet.

Die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt forderte Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) auf, die FKS zu stärken. "Das Wegbrechen von knapp der Hälfte aller Kontrollen des Branchenmindestlohns am Bau übersteigt unsere schlimmsten Befürchtungen", sagte der Vorsitzende Robert Feiger. "Diese viel zu geringe Kontrolldichte ist geradezu eine Einladung für betrügerische Betriebe, ihre Beschäftigten illegal im Lohn zu drücken. Das ist schlecht für die Bauarbeiter, und es ist katastrophal für einen sauberen Wettbewerb in der Branche." Schon vor der Mindestlohn-Einführung habe es zu wenige Kontrolleure gegeben. Statt schnellstens FKS-Prüfer auszubilden, habe Schäuble noch Personal zur Flüchtlingskontrolle abgezogen.

Kontrollen auf weitere Branchen ausweiten

Grünen-Expertin Beate Müller-Gemmeke nannte es in der "Süddeutschen Zeitung" nicht ausreichend, dass die FKS wegen fehlender Kapazitäten vor allem Branchen überprüft, in denen spezielle Mindestlöhne gelten wie etwa in der Abfallwirtschaft. "Besser wäre es, die Kontrollen auf Branchen auszuweiten, in denen keine Tarifverträge gelten." Nur so könne es gelingen, "die Beschäftigten vor Lohndumping und die Betriebe vor Schmutzkonkurrenz effektiv zu schützen".

Die Finanzkontrolle Schwarzarbeit prüft mit gut 6800 Mitarbeitern bundesweit die Einhaltung von Mindestlöhnen und geht auch gegen Schwarzarbeit und illegale Beschäftigung vor. Gewerkschaftsvertreter beklagen seit Jahren eine zu geringe Personalausstattung. Die FSK prüft seit 1997 Mindestlöhne - darunter auch die für Branchen vereinbarten Lohnuntergrenzen sowie seit 2015 nach dem Mindestlohngesetz, das eine gesetzliche Lohnuntergrenze vorschreibt.

Von den für 2015 vorgesehenen 6865 Planstellen waren nach Angaben des Ministeriums rund 600 nicht besetzt. Die 1600 zusätzlichen Planstellen, die es zur Mindestlohn-Kontrolle geben soll, würden erst in den Haushaltsjahren 2017 bis 2022 zur Verfügung gestellt.

Rund 130.000 Ermittlungsverfahren eingeleitet

2015 hatten Zollfahnder der FKS nach Regierungsangaben 705 Ermittlungsverfahren allein wegen «Nichtgewährung des gesetzlichen Mindestlohns» sowie 2061 Ermittlungsverfahren wegen «Nichtgewährung branchenspezifischer Mindestlöhne» eingeleitet. Die dazu verhängten Bußgelder beliefen sich auf 0,2 Millionen beziehungsweise 14,8 Millionen Euro.

Insgesamt wurden 2015 von der FKS 128.432 Ermittlungsverfahren eingeleitet nach 137.292 im Jahr davor. Dieser Rückgang insgesamt beruht auf weniger Ermittlungsverfahren wegen Ordnungswidrigkeiten. Die gesamten Geldbußen beliefen sich auf 43,4 Millionen Euro. Im Jahr 2014 waren es 46,7 Millionen Euro. dhz/dpa

Fragen und Antworten zur Schwarzarbeit

Schwarzarbeit ist auch in Deutschland Usus. Zöllner sollen illegaler Beschäftigung mit Kontrollen Einhalt gebieten. Im vergangenen Jahr sank die Zahl überprüfter Firmen aber deutlich. Doch wie wichtig sind Kontrollen überhaupt im Kampf gegen Schwarzarbeit?

Wie steht es um Schwarzarbeit in Deutschland?

So wirklich weiß das niemand. Das ist schließlich ein Bereich, in dem sich die Akteure im Schatten halten. Experten vom Tübinger Institut für Angewandte Wirtschaftsforschung und der Universität Linz gehen davon aus, dass der Anteil illegaler Beschäftigung an der Wirtschaftsleistung 2016 um 0,4 Prozentpunkte auf 10,8 Prozent sinken wird. Damit würden in der Schattenwirtschaft in diesem Jahr Leistungen im Wert von 336 Milliarden Euro erbracht. Der Studie zufolge liegen die staatlichen Einbußen bei jährlich etwa 60 Milliarden Euro, beispielsweise durch entgangene Einkommenssteuer und nicht eingezogene Krankenkassen-Beiträge. Die Studie ist unter Experten aber nicht unumstritten, weil sie nicht nur auf gesicherten Daten, sondern auch auf Schätzungen basiert.

In welchen Branchen ist Schwarzarbeit besonders verbreitet?

Laut dem Experten Friedrich Schneider von der Universität Linz entfällt auf die Bauwirtschaft und Reparaturen zu Hause ein besonders hoher Anteil von Schwarzarbeit. So mancher Klempner verzichte beispielsweise gern auf eine Rechnung, so Schneider. Auch in Autowerkstätten, in Restaurants und Gaststätten gebe es relativ viele Schwarzarbeiter, zudem seien viele Putzfrauen und Babysitter juristisch gesehen illegal beschäftigt.

Warum rechnen die Experten mit einem Rückgang der Schwarzarbeit?

Grund sei die brummende Konjunktur, heißt es in der Analyse der Tübinger und Linzer Forscher. Da viele Beschäftigte im Schnitt besser verdienten oder leichter bezahlte Überstunden machen könnten, sinke der Anreiz, in der Freizeit als Schwarzarbeiter tätig zu werden.

Wie wichtig sind Kontrollen im Kampf gegen Schwarzarbeit?

Das ist umstritten. Gewerkschaftsvertreter fordern immer wieder mehr Personal für die zuständige Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) beim Zoll. Die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt etwa beklagt das Wegbrechen von knapp der Hälfte aller Kontrollen des Branchenmindestlohns am Bau.

Dagegen ist nach Ansicht des Präsidenten des Baden-Württembergischen Industrie- und Handelskammertags, Peter Kulitz, Schwarzarbeit in der Wirtschaft kaum noch präsent. Stärkere Kontrollen seien deshalb nicht notwendig. "Dass Unternehmer systematisch Schwarzarbeiter einsetzen, geht allein schon wegen hoher Transparenz der Beschäftigungsverhältnisse gar nicht - das würde in den Unternehmen doch sofort auffallen."

Was könnte noch bei der Bekämpfung von Schwarzarbeit helfen?

Experte Schneider betont, viel wichtiger als Kontrollen seien andere Faktoren, etwa regulatorische Vorgaben. Sollten beispielsweise die Beschäftigung im Niedriglohnsektor erleichtert und Lohnnebenkosten reduziert werden, wie etwa zur Einführung von Mini-Jobs vor gut einem Jahrzehnt, könnte die Schwarzarbeit seiner Einschätzung zufolge um bis zu zehn Prozent sinken.