Druckluftanlage, Holzspäneabsaugung, Werkstattheizung – in Tischlereien gibt es vieles, was Energie schluckt. Einsparen lassen sich Kosten am besten durch Unabhängigkeit in der Energieversorgung. Diese Tischlereien machen vor, wie sie sich selbst mit Energie versorgen.

Georg Brückner bleibt absolut gelassen, wenn man die Debatte um die steigenden Energiekosten anspricht. Dreht er die Heizung auf, kommt die Wärme aus der eigenen Abfallholzverwertung – quasi kostenlos. Abhängigkeiten bestehen nur darin, dass der Tischlermeister Aufträge braucht für Arbeiten, bei denen Holzreste übrigbleiben. Aber auch dabei kann er entspannt bleiben, denn um seinen Betrieb über das ganze Jahr mit Wärme zu versorgen, braucht er nur rund 40 Prozent seines Abfallholzes. Holzabfälle hat er so viele, dass er bald auch noch seinen Nachbarn – eine Fahrradwerkstatt – mitversorgen wird. "Im Moment heizen die noch mit Gas, aber davon wollen sie weg", sagt Brückner.
Sowohl mit der zukünftigen Wärmekooperation als auch mit dem Restholz, das die Innenbau & Design GmbH von Georg Brückner aus Markkleeberg bei Leipzig nicht selbst verheizt, verdient sie heute Geld. Das Holz geht zur stofflichen Verwertung weiter an ein Spanplattenwerk. Noch vor ein paar Jahren musste er für die Entsorgung dieser Abfälle bezahlen. "Vor dem Einbau der jetzigen Heizungsanlage waren das im Jahr 3.000 Euro und dazu kamen rund 7.000 Euro fürs Heizen", sagt der Tischlermeister. Gespeist wird die Heizung mit Hackschnitzeln per Schnecke aus einem Silo im Hof des Betriebs. Der Strom für diese Automatisierung kommt direkt von der Photovoltaikanlage auf dem Dach seiner Werkstatthalle.
Unabhängige Energieversorgung: Wichtiges Thema im Handwerk
Wie wichtig Unabhängigkeit bei der Energieversorgung ist, wird derzeit ganz besonders deutlich. Dass darin die Zukunft liegt, sieht auch der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH). "Was für unser Land als Ganzes gilt, das trifft auch auf die betriebliche Ebene zu: Ziel sollte so viel Unabhängigkeit wie möglich und vertretbar sein", teilt der Verband auf Anfrage der Deutschen Handwerks Zeitung (DHZ) mit. Vertretbar bedeutet in diesem Fall auch, dass ein individueller Blick nötig sei. "Denn nicht alles ist überall möglich oder sinnvoll. In einigen Fällen können Quartiers- oder Stadtteillösungen vielversprechendere Ansätze sein", erklärt der ZDH.
Die aktuelle Situation und die aktuellen Energiepreisschocks bringen nach Aussage des Verbands vielen Betrieben Verunsicherung und zusätzliche Kostenbelastungen. Ad hoc sei es nur schwer möglich, sich komplett unabhängig von Energieimporten zu machen. Dennoch sollte Deutschland eine "Lehre" aus dem russischen Angriffskrieg ziehen und darauf achten, dass Energieimporte möglichst ausgewogen auf mehrere Länder verteilt sind. "Dominierende Abhängigkeiten, erst recht ohne schnell zu aktivierende Alternativen, – wie sie in Deutschland von russischen Gasimporten besteht – müssen künftig vermieden werden", erklärt der ZDH.
Unabhängig machen von Energieimporten: Planbarkeit notwendig
Mit Blick auf eine stärkere Unabhängigkeit bei den Betrieben selbst mahnt der Verband, dass diese durch den massiven energiepolitischen Transformationsprozess nicht überfordert werden dürfen. "Was sie vielmehr brauchen, sind verlässliche Rahmenbedingungen und Planbarkeit." So bräuchten die Handwerksbetriebe nun auch ausreichende Mittel zur Finanzierung der betrieblichen Transformation. Hier werde die Bedeutung der Bürgschaftsbanken und Mittelständischen Beteiligungsgesellschaften noch einmal deutlich zunehmen.
Darüber hinaus mahnt der ZDH, dass die Mittelstandsinitiative Energiewende und Klimaschutz (MIE) mit ihrem spezifischen Unterstützungsangebot dringend über das Jahresende 2022 hinaus verlängert werden sollte. Die Initiative ist ein Förderprojekt des Bundeswirtschafts- und des Bundesumweltministeriums und wird vom Zentralverband des Deutschen Handwerks, sowie dem Deutschen Industrie- und Handelskammertag begleitet.
Zur Unabhängigkeit gehört auch, die eigenen Verbräuche zu kennen und zu wissen, wo im Betrieb die Energiefresser zu finden sind. "Hier sollte man erst einmal ansetzen und versuchen, den Verbrauch zu reduzieren", sagt Kerstin Reek-Berghäuser. Sie ist Leiterin des Umweltzentrums der Handwerkskammer Koblenz und berät Handwerksbetriebe im Rahmen der Mittelstandsinitiative Energiewende und Klimaschutz. Dabei hilft sie den Betrieben, das Einsparpotenzial zu ermitteln und bei den Entscheidungen zu Investitionen in mehr Energieeffizienz. Dabei steht derzeit besonders das sogenannte E-Tool im Fokus. Die Initiative bietet es Betrieben kostenlos an zur Erfassung und Auswertung aller Energieverbräuche und -kosten.
Energieverbräuche erfassen für eine unabhängige Energieversorgung
"Dieses Instrument erlaubt es Betrieben auf einfache Weise eine Energiebilanz zu erstellen. Wer sich jetzt schon auf den Prozess einlässt, wird es dann, wenn das mal Pflicht wird, leicht haben entsprechende Anforderungen zu erfüllen", sagt Reek-Berghäuser. Anders als Vorgängermodell ist das E-Tool als cloudbasierte Lösung auf gebaut. Man kann quasi von überall aus Zugriff darauf haben. Es ist als offizielles Analysetool auch von der Deutschen Energieagentur (dena) für den Einsatz im Rahmen der Initiative Energieeffizienz- und Klimaschutz-Netzwerke anerkannt. Es ermöglicht seit kurzem auch das eigenständige Erstellen eines CO2-Fußabdrucks. "Meist genügt eine halbstündige Einführung per Webinar zum Umgang damit, wir bieten interessierten Betrieben aber auch individuelle Unterstützung an", sagt die Betriebsberaterin.
Kerstin Reek-Berghäuser hat auch der Tischlerei von Rolf Hendgen in Koblenz geholfen, die eigenen Energieverbräuche kritisch zu betrachten und dann entsprechende Maßnahmen für mehr Unabhängigkeit auf den Weg zu bringen. Das war bereits im Jahr 2013 und ging damit einher, dass Rolf Hendgen den Neubau seines Firmensitzes plante. Schon von Anfang an hat der Tischlermeister dabei seine Energieverbräuche als einer der ersten Handwerksbetriebe im sogenannten Energiebuch, das die MIE anbietet, dokumentiert.
Gerade ist er dabei, alle Daten in das E-Tool zu übertragen. "Dann kann ich in den Grafiken auf den ersten Blick die jährlichen Entwicklungen der Verbräuche ablesen", sagt der Betriebsinhaber. Er hat noch weitere Pläne, wie er die dann gut verfügbaren Daten nutzen möchte. "Wir wollen uns auch mit den Themenfeldern klimaneutraler Betrieb und dem CO2-Fußabdruck beschäftigen." Von seinen Kunden bekommt er ein positives Feedback auf die bisherigen Aktivitäten, die er auch auf seiner Homepage erwähnt. "Auch Bewerbern, Auszubildende und ist unser Engagement schon positiv aufgefallen. Das spornt uns auch an", sagt Hendgen.
Unabhängigkeit durch das Heizen mit Holzabfällen
Durch die Dokumentation der Verbräuche wusste er auch, dass die größten Energiefresser die Heizung der Werkstatthalle und die Holzspäneabsaugung sind. So legte er darauf ein großes Augenmerk. Deshalb bekam eine gut gedämmte Gebäudehülle einen besonderen Stellenwert bei der Planung und Umsetzung und auch eine effektive Heizungsanlage. Auch für Rolf Hendgen lag es nahe, die eigenen Holzabfälle als Energieträger zum Heizen zu nutzen.
Bei ihm funktioniert dies jedoch mit einer anderen Technik als das Heizen mit Hackschnitzeln. Seine Anlage bereitet die Resthölzer zu Briketts auf. Mit diesen entsteht beim Verbrennen heißes Wasser. "Das wird dann in Deckenstrahlplatten geleitet und die Strahlungswärme dieser Platten heizt unsere Werkstatt", berichtet er. Das läuft vollautomatisch ab. Hendgen berichtet, dass er damit mit wesentlich geringerem energetischem Aufwand durch die Strahlungswärme optimale Wohlfühltemperaturen erreiche. Statt der Luft in der großen Halle erwärmt die Wärmestrahlung die Oberflächen.
Auch wenn die größten Energiekostentreiber für den Tischler die Holzspäneabsauganlage und die Druckluftanlage für den Antrieb der Maschinen sind, war es für Rolf Hendgen wichtig, eigenen Strom zu erzeugen und damit nicht an die Kostensteigerungen der großen Energieanbieter gekoppelt zu sein. Daher hat er sein Werkstatthallendach mit einer PV-Anlage ausgestattet.
Bei der Planung der Späneaubsauganlage im Neubau hat er darauf geachtet, dass die Rohrleitungen kurz und geradlinig konzipiert sind. "Durch den nachgeschalteten Ventilator arbeiten wir in der Anlage mit Unterdruck, dies ist verschleißärmer und energieeffizienter", erklärt er. Außerdem sorgt ein Frequenzumrichter dafür, dass die Absaugleistung nicht immer auf Volllast läuft, sondern dem tatsächlichen Bedarf angepasst wird. Damit die Anlage dauerhaft effizient arbeiten, achtet der Tischlermeister auf regelmäßige jährliche Wartungen. Um unnötige Verbräuche zu vermeiden, schaltet er zudem die Druckluftanlage jede Nacht und auch über die Wochenenden ab.
Energieverbrauch senken: Auch kleine Maßnahmen zählen
In der Energieberatung durch die Handwerkskammer kamen aber auch vergleichsweise einfache Maßnahmen mit in die Betrachtung, die helfen, den Energieverbrauch zu senken. Dazu gehören die Dämmung der warmwasserführenden Leitungen im Betrieb und auch die Umrüstung auf eine LED-Beleuchtung. Kerstin Reek-Berghäuser hat noch als Tipps parat: "Möglichst viel Tageslicht in die Räume lassen und die Wände weiß streichen. Außerdem sollte man darauf achten, dass Heizkörper nicht mit Schränken oder Ähnlichem zugestellt sind." Denn auch mit solchen, vergleichsweise banal klingenden Tipps spare man Energiekosten.
Auch Rolf Hendgen kann bei den Energiekosten seines Betriebs vergleichsweise entspannt in die Zukunft blicken. Sowohl die gut gedämmte Gebäudehülle und der geringe Wärmebedarf dadurch als auch, dass er sein Restholz zum Heizen nutzt und Strom selbst produziert, helfen ihm in der aktuellen Lage und auch langfristig Kosten zu sparen. "Bisher hatten wir nicht im Fokus das die Energieversorgungssicherheit ein wichtiges Thema werden könnte. Deshalb sind wir sehr zufrieden, dass wir uns rechtzeitig mit den Thema Nutzung von Ressourcen wie den Resthölzern auseinandergesetzt haben. Wir sind nun tatsächlich ein Stück weit unabhängig von eingekauften fossilen Energieträgern", sagt er.
Abhängigkeiten bestehen aber auch in gewisser Weise für ihn. Das betrifft vor allem steigenden Spritpreise, die er bei den Anlieferungen durch seine Holzlieferanten zu spüren bekommt. Ganz deutlich schlägt es aber auch bei den Mobilitätskosten zu Buche. Das zeigt sich dann, wenn er seine Mitarbeiter zur Montage zu den Kunden schickt. Steigende Preise für den Rohstoff Holz, auf den er ja angewiesen ist, sind für ihn ein Grund daran zu arbeiten, noch weniger Holzreste zu erzeugen als bislang schon. Zum Heizen genügen auch kleinere Mengen Holzabfall.
Unabhängige Energieversorgung: Eigener Strom zum Betanken der Betriebsfahrzeuge
Die Heizungsanlage muss mindestens eine Nennwärmeleistung von 30 Kilowattstunden haben. Bei dem beschicken der Heizung darf kein gestrichenes, lackiertes oder beschichtetes Holz eingesetzt werden. Auch Hölzer die mit Holzschutzmittel oder mit Mitteln die halogenorganischen oder Schwermetall beinhalten behandelt sind, darf man nicht in der Heizungsanlage verbrennen. Diese Hölzer müssen entsorgt werden, sagt dazu Kerstin Reek-Berghäuser.
Da kaum davon auszugehen ist, dass die Spritpreise wieder stark sinken und das schon lange eine große ökonomische und ökologische Belastung für Handwerksbetriebe darstellt, hat Georg Brückner entschieden, hauptsächlich regional tätig zu sein. Er schickt seine Mitarbeiter nicht mehr auf Montage hunderte Kilometer weiter in andere Städte. Auch in der Region Leipzig gibt es für den Tischlermeister genug Aufträge. Hier ist er schon seit Jahren hauptsächlich mit seinen drei Elektrofahrzeugen – einer davon ein Transporter – unterwegs. Er „tankt“ diese über den Strom aus der eigenen PV-Anlage. Nur noch ein größere Dieseltransporter gehört zu seinem Fuhrpark. Mit seinen Mitarbeitern hat er auch über deren Mobilität gesprochen. "Über die Hälfte kommt mittlerweile regelmäßig mit dem Rad oder dem E-Bike zur Arbeit, einige fahren mit den Öffentlichen und lassen das Auto zuhause stehen", berichtet er stolz.
Bislang kann Georg Brückner den Strom, den er mit seiner PV-Anlage produziert noch nicht speichern, aber auch dazu hat er Pläne. "Im Sommer sind wir damit komplett unabhängig und können noch eine ordentliche Menge einspeisen", erklärt er. Von den 96 kWp, die er dann in Spitzenzeiten produziert, kann er ein Drittel ins Netz abgeben. Er bekommt dann auch noch eine gute Vergütung, da die Anlage bereits seit dem Jahr 2012 in Betrieb ist als die Einspeisevergütung noch hoch war. Sie ist den Anlagenbetreibern für zwanzig Jahre sicher.
Pflicht informiert zu sein über neue Techniken und mehr Unabhängigkeit
Mit der Hochschule Leipzig hat er damals ein Projekt durchgeführt und dabei getestet, ob sich ein Speicher lohnen würde. Da seine Tischlerei den Strom allerdings hauptsächlich nur am Tag benötigt, zeigte sich, dass sich die Anschaffung eines Langzeitspeichers nicht rechnet. Nun plant der Tischlermeister gerade ein neues Testprojekt – wieder gemeinsam mit der Hochschule. "Diesmal wollen wir ein Carport aufbauen mit Photovoltaik auf dem Dach und einem Speicher. Hier sollen dann die E-Autos geladen werden – auch komplett unabhängig", sagt Brückner.
Zwar können viele Solarstrom nur zur Eigenversorgung nutzen und Elektrofahrzeuge sind noch recht teuer in der Anschaffung. Dennoch lohnt sich seiner Meinung nach eine Anschaffung gerade für Handwerksbetriebe mit großen Hallendächern und der Notwendigkeit ständig und im kleinen Radius unterwegs zu sein. "Im Moment bekommt man so gute Förderungen dafür", rät er. Das wichtigste Argument sei aber in der Tat die Unabhängigkeit, die sich langfristig auszahlt.
Georg Brückner sieht es auch gerade für einen Handwerksbetrieb als verpflichtend an, informiert zu sein über neue Techniken. Das, was man betriebswirtschaftlich und mit Blick auf die Umwelt stemmen kann und muss, sollte man auch tun. So hat er sich in letzter Zeit auch mit der möglichen Nutzung einer Kleinwindanlage auseinandergesetzt und über Blockheizkraftwerke informiert, die er mit seinen Holzresten speisen könnte. "Bisher kann das aber die bestehende Anlage in der Effizienz nicht übertreffen und es lohnt sich noch nicht", berichtet der Tischlermeister von seinen Recherchen.