Erwachsene ohne Berufsabschluss haben es am Arbeitsmarkt schwer. Teilqualifikationen können hier helfen. Sie sollten aber bestimmte Standards erfüllen, sagt Volker Born, Abteilungsleiter Berufliche Bildung des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks im DHZ-Interview.

Herr Born, in Deutschland leben über 2,3 Millionen Erwachsene ohne Berufsabschluss. Gleichzeitig sucht das Handwerk händeringend Personal. Könnten Teilqualifikationen helfen, mehr Menschen in die Branche zu bringen?
Born: Teilqualifikationen können ein sinnvolles Instrument für bestimmte Personengruppen sein. Das gilt zum Beispiel für Langzeitarbeitslose, die über 25 Jahre alt sind und die keinen normalen Ausbildungsvertrag abschließen wollen. Aber damit allein lösen wir nicht unser Fachkräfteproblem. Denn nach den Zahlen der Bundesagentur für Arbeit sind bisher nur drei Prozent der Teilnehmerinnen und Teilnehmer an Teilqualifikationen in einen Abschluss oder in einen Vorbereitungslehrgang zur Externenprüfung eingemündet.
Laut Bertelsmann Stiftung kommen allerdings Teilqualifizierte ebenso gut in Beschäftigung wie Teilnehmer an längerfristigen Weiterbildungen. Die Wirtschaft scheint der fehlende Abschluss also nicht zu stören.
Im Moment ist jeder Betrieb bereit, jemanden einzustellen, auch wenn er oder sie nicht voll qualifiziert ist. Dennoch hören wir von den Betrieben, dass sie vor allem voll qualifizierte Fachkräfte brauchen.
Warum erreichen bisher so wenige Menschen einen Berufsabschluss über Teilqualifikationen?
Viele Qualifikationen dienten in der Vergangenheit nur dazu, Berechtigungsscheine zu erwerben, zum Beispiel den LKW-Führerschein oder einen Schweißerschein. Wenn das einer Person beruflich weiterhilft und das Unternehmen davon profitiert, spricht nichts dagegen. Aber für Menschen ohne Berufsabschluss ist solch ein Vorgehen zu kurz gegriffen.
Was brauchen diese Menschen?
Sehr wichtig ist eine umfassende Weiterbildungsberatung. Wir müssen aufzeigen: Was wäre der ganze Weg bis zum Berufsabschluss und welche Unterstützung gibt es dafür – etwa umschulungsbegleitende Hilfen oder sozialpädagogische Unterstützung. Wir müssen die Voraussetzungen der einzelnen Personen betrachten und sie dann kontinuierlich begleiten. Denn die Gefahr, dass sie den Lernprozess abbrechen, ist groß.
Warum ist die Abbrecherquote so hoch?
Wir sprechen hier von einer sehr heterogenen Gruppe. Darunter sind gering qualifizierte Menschen, die kaum lesen und schreiben können oder nur wenig Deutsch sprechen können – also Personen, die Grundkompetenzen nachholen müssen. Andere können direkt in eine Nachqualifizierung einmünden. Am erfolgversprechendsten ist es, wenn drei Seiten zusammenarbeiten: Die regionale Arbeitsagentur, die Handwerkskammer und die Betriebe vor Ort. Die Agentur klärt die Förderfragen, die Handwerkskammer qualifiziert in ihren Bildungszentren und die Betriebe bieten den Praxisbezug und können die Person vielleicht in ein Arbeitsverhältnis übernehmen.
Teilqualifikationen im Handwerk
Erwachsene ohne Berufsabschluss und Geringqualifizierte verdienen in Deutschland weniger als vollqualifizierte Kräfte. Außerdem haben sie ein höheres Risiko, ihre Arbeit zu verlieren und keine neue zu finden. Vor allem ab einem Alter von 40 Jahren nimmt die Beschäftigungsquote in der Gruppe stark ab.
Eine Bertelsmann Studie zeigt, dass Teilqualifikationen Geringqualifizierten helfen, sozialversicherungspflichtige Arbeit zu finden. Dabei können nur ein oder zwei Module besucht werden oder aber alle Bausteine, die letztlich zur Externenprüfung hinführen, also der Gesellenprüfung ohne Ausbildungsplatz. Allerdings holen bisher die wenigsten auf diesem Weg ihren Berufsabschluss nach.
Im Handwerk gibt es für 25 Berufe Qualifizierungsbausteine, die als Berufsvorbereitung oder zur Durchführung einer Einstiegsqualifizierung verwendet werden.
Wenn das langfristige Ziel ein Berufsabschluss ist: Was zeichnet solche "berufsanschlussfähigen" Teilqualifizierungen aus?
Die anschlussfähigen Maßnahmen orientieren sich an den Ausbildungsordnungen, mit strukturierten Inhalten und eigenen Rahmenlehrplänen. Im Handwerk arbeiten wir hierfür seit vielen Jahren mit Qualifizierungsbausteinen. Diese wurden von der Zentralstelle für die Weiterbildung im Handwerk für das erste Ausbildungsjahr entwickelt. Die Ausbildungsbausteine des Bundesinstituts für Berufsbildung sind darüber hinaus darauf ausgerichtet, die Teilnehmerinnen und Teilnehmer gut auf eine Externenprüfung vorzubereiten. Wenn alle Ausbildungsbausteine in der vorgeschriebenen Ausbildungszeit (hintereinander) absolviert werden, kann dies einer regulären Ausbildung entsprechen.
Kann sich also jemand, der alle Bausteine einer Teilqualifizierung absolviert hat, direkt zur Externenprüfung anmelden?

Das ist der springende Punkt. Wenn sich die Bausteine der Teilqualifizierung an der Ausbildungsordnung orientieren und wenn die Lernergebnisse klar dokumentiert sind, dann ist die Teilqualifzierung gleichwertig mit einem Vorbereitungslehrgang zur Externenprüfung. Für die Zulassung zur Prüfung muss jeweils geprüft werden, ob die Ausbildungsinhalte im Wesentlichen abgedeckt sind und ob Berufspraxis vorhanden ist.
Viele haben reichlich praktische Berufserfahrung. Sie bräuchten eigentlich keinen Lehrgang, sondern nur ein Zertifikat, um sich auf Fachkräftestellen bewerben zu können. Gibt es auch für sie einen Weg?
Da sind wir als Handwerk zusammen mit den Industrie- und Handelskamern Vorreiter. Wir versuchen Standards zu entwickeln, wie wir die Berufserfahrungen über Validierungsmaßnahmen anerkennen können. Das ist ein noch schnellerer Weg zur Integration in den Arbeitsmarkt.