Jahrespressekonferenz Sparkassenpräsident beklagt aberwitzige Bürokratie

Deutschland lähmt sich durch bürokratische Belastungen selbst. Der baden-württembergische Sparkassenpräsident Peter Schneider fand nun ungewöhnlich deutliche Worte, um auf den Wust unsinniger Vorschriften und Regeln hinzuweisen.

Viele Handwerker haben ein Geschäftskonto bei der Sparkasse. - © nmann77 - stock.adobe.com

Der baden-württembergische Sparkassenpräsident Peter Schneider hat die ausufernde Bürokratie und Regulatorik in Deutschland und Europa beklagt und "in weiten Teilen für geisteskrank" erklärt. "Wir schmeißen völlig unnötig riesige Summen raus", sagte Schneider bei der Vorstellung der Zahlen des baden-württembergischen Sparkassenverbands in Stuttgart. "Was wir uns da leisten, macht mich fassungslos." Ihm fehle eine Diskussion über die Verbindung von Fachkräftemangel und unnötiger Bürokratie. Niemand hätte in einem solchen überregulierten System noch Lust, Verantwortung zu übernehmen. "Wir töten operative Verantwortlichkeit. Man kann jeden fragen – Lehrer, Arzt, Handwerker, überall Bürokratie." Anlass für Schneiders Aussage war die Frage, was er vermissen werde an seiner jetzigen Tätigkeit und was er für den Ruhestand plane. Der 64-Jährige hört im kommenden Jahr auf. "Endlich kann ich dem Bürokratenwahn hinter mir lassen", sagte Schneider augenzwinkernd.

"Wir schmeißen völlig unnötig riesige Summen raus."

Peter Schneider, Sparkassenpräsident Baden-Württemberg

Die Bilanz der Sparkasse ist ein Gradmesser für den Zustand der Wirtschaft insgesamt. Sparkassen gelten neben den Genossenschaftsbanken als wichtigste Partner des Mittelstands und damit auch der Handwerksunternehmen.

Kredite für den Mittelstand

Die Kreditversorgung des Handwerks hält Schneider für stabil. Unternehmen sicherten sich nach Erkenntnissen der Sparkassen 2022 zunächst zu günstigen Konditionen ausreichend Liquidität. Sie nutzten neue Kredite vorwiegend für größere Lagerbestände, um sich gegen Lieferengpässe abzusichern.

Aufgrund der Zinswende wurde im vergangenen Jahr bei den Krediten eine zweigeteilte Entwicklung sichtbar: Darlehenszusagen starteten zunächst stark ins Jahr und gingen nach der Zinserhöhung zurück. 2022 sagten die baden-württembergischen Sparkassen insgesamt 32,9 Milliarden Euro an neuen Krediten zu. Dies war der zweithöchste Wert in der Geschichte der Sparkassen in Baden-Württemberg. Über die Hälfte dieser Summe, nämlich 17,4 Milliarden Euro, sagten die Sparkassen Unternehmen und Selbstständigen zu. 16,6 Milliarden Euro wurden im vergangenen Jahr an Unternehmen ausgezahlt. Schneider: "Die Zahlen zeigen, dass sich die Unternehmen in Krisenzeiten ausreichend Liquidität und Kreditlinien gesichert haben." Die Sparkassen seien ein stetig verlässlicher Finanzpartner für Mittelstand.

Auch der Markt für Immobilienkredite entwickelte sich 2022 aufgrund der hastigen Zinswende zweigeteilt: Im ersten Halbjahr zogen viele Kunden eine geplante Finanzierung vor, um sich die günstigen Zinsen noch zu sichern. Im zweiten Halbjahr sank dagegen die Vergabe neuer Kredite deutlich. Analog zur nachlassenden Kreditnachfrage im Lauf des Jahres 2022 ging die Zahl der Baugenehmigungen zurück. Laut Angaben des Statistischen Landesamts lag die Zahl der genehmigten Wohnungen in Baden-Württemberg von Januar bis Ende November bei rund 38.400. 2021 waren es bis Ende November 41.800 Wohnungen.

Zuversicht fürs Baugewerbe

Das mittelständische Baugewerbe hatte zuletzt lautstark vor einem Kollaps des Neubaugeschäfts gewarnt. Schneider wollte in diesen Pessimismus nicht einstimmen. "Es wird spannend sein zu sehen, wie sich die Immobilienpreise entwickeln." In der Tendenz müsse man von einer Verknappung ausgehen. Zudem sei es eine Generationenaufgabe, den Gebäudebestand klimatisch zu sanieren. "Ich teile aber nicht die Ansicht, dass das Neubaugeschäft zusammenbricht." Allerdings mahnte auch die Sparkassenorganisation eine bessere Förderung und mehr Verlässlichkeit der Baupolitik an.

"Ich teile nicht die Ansicht, dass das Neubaugeschäft zusammenbricht."

Peter Schneider

Im gesamten Jahr 2022 sagten die Sparkassen Privatkunden für den Bau oder den Erwerb von Immobilien Kredite in Höhe von 12,3 Milliarden Euro zu. Zusagen in Höhe von 4,5 Milliarden Euro gingen an Unternehmen. Rund 80 Prozent der Immobilienkredite von 88,3 Milliarden Euro entfallen im Südwesten derzeit auf Kredite an Privatkunden. Bauträger und andere Unternehmen haben bei den Sparkassen aktuell rund 19,2 Milliarden Euro ausgeliehen.

Bausparvertrag wieder gefragt

Absoluter Gewinner des Jahres 2022 ist der Bausparvertrag. Schneider: "Mit dieser schon oft totgesagten Sparform können sich unsere Kundinnen und Kunden die günstigen Kreditzinsen für die nächsten Jahre sichern. Das haben sie in beeindruckender Weise getan." 2022 vermittelten die Sparkassen in Baden-Württemberg LBS Bausparverträge mit einer Bausparsumme in Höhe von 4,75 Milliarden Euro – ein Plus von 35 Prozent gegenüber 2021 (da waren es 3,47 Milliarden). "Bausparen hat Zukunft, denn damit haben die Menschen eine einzigartige Möglichkeit, sich langfristig vor weiter steigenden Zinsen zu schützen", so Schneider.

"Die Zinswende der EZB war überfällig angesichts der höchsten Inflationsraten seit Bestehen des Euros."

Peter Schneider

Die Kunden der 50 Sparkassen in Baden-Württemberg reagierten überraschend besonnen auf die großen Umbrüche des Jahres 2022. "2022 war in vielerlei Hinsicht eine Zäsur", so Sparkassenpräsident Peter Schneider. "Zunächst sind wir mit großer Zuversicht gestartet, dass wir die Pandemie hinter uns lassen. Mit dem Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine am 24. Februar war die positive Grundstimmung des Jahresanfangs mit einem Schlag verschwunden." Seitdem prägten Begriffe wie Zeitenwende, Sanktionen, Energieknappheit und steigende Inflation das Wirtschaftsleben. Mit der deutlich zu späten Zinsentscheidung vom 21. Juli hat die Europäische Zentralbank (EZB) die Negativzinsen abgeschafft. Schneider: "Die Zinswende der EZB war überfällig angesichts der höchsten Inflationsraten seit Bestehen des Euros."

Viele Privatleute können nicht mehr sparen

Tatsächlich sparten die Privatkunden auch im vergangenen Jahr in nennenswerter Höhe – und das trotz deutlich gestiegener Ausgaben wegen der Rekordinflation. Schneider warnte indes, dass die Sparfähigkeit der Kunden zurückgehe. Mittlerweile könnte rund die Hälfte der Privatkunden kein Geld mehr zur Seite legen. "Sie brauchen ihre kompletten Einnahmen für die Deckung der monatlichen Ausgaben."