56 Prozent aller Väter erhalten bei der Geburt ihres Kindes einen oder mehrere Tage Sonderurlaub von ihrem Arbeitgeber. Einen gesetzlichen Anspruch auf bezahlte Freistellung haben sie jedoch nicht. Was arbeitsrechtlich gilt – und warum sich die Rechtslage bald grundlegend ändern könnte.

Werdende Väter haben bisher keinen gesetzlichen Anspruch auf Sonderurlaub bei Geburt eines Kindes. Eine bezahlte Freistellung ist nur bei "vorübergehender Verhinderung" möglich. Hier greift § 616 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, der die Geburt des eigenen Kindes als ein solches Leistungshindernis betrachtet. "Ein werdender Vater – gleich, ob er sich in einem Arbeits- oder Ausbildungsverhältnis befindet – ist also am Tag der Geburt unter Fortzahlung der Vergütung freizustellen. Doch Achtung: Dieser Fall wird vielfach in den Arbeitsverträgen ausgeschlossen. Das ist rechtlich zulässig", erklärt Rechtsanwalt Ilhan Aydin, Experte der Praxisgruppe Arbeitsrecht in der Kanzlei Muth & Partner in Fulda.
In der Praxis gewährt nur gut jeder zweite Arbeitgeber Sonderurlaub nach der Geburt eines Kindes. Das geht aus einer Unternehmensbefragung hervor, die das Institut für Demoskopie Allensbach im Auftrag des Familienministeriums durchgeführt hat. Demnach gewähren 26 Prozent der befragten Arbeitgeber einen Tag Sonderurlaub, weitere 26 Prozent zwei Tage. Mehr als zwei Tage sind es nur bei vier Prozent.
Doch auch wenn sich im Arbeitsvertrag keine entsprechende Klausel findet, kann der Sonderurlaub ausbleiben. Etwa dann, wenn die Geburt in den Urlaub, auf ein Wochenende oder einen Feiertag fällt. Nach derzeitiger Rechtslage gilt, dass in solchen Fällen eine Freistellung nicht nachgeholt werden kann.
Sonderurlaub bei Geburt: Was bei Gleitzeitverträgen gilt
Knifflig ist auch die Frage, wie das Thema Sonderurlaub bei Geburt bei Gleitzeit-Verträgen zu beurteilen ist. Sofern § 616 des Bürgerlichen Gesetzbuchs aufgrund "vorübergehender Verhinderung" greift, sind werdende Väter für den gesamten Tag der Geburt nicht zur Arbeitsleistung verpflichtet. Aydin warnt jedoch: "Zum Teil wird hier aber auch die Ansicht vertreten, dass der Arbeitgeber nur die Kernarbeitszeiten vergüten muss. Diese Frage wurde allerdings von den höheren Gerichten noch nicht abschließend geklärt." Da sich Betriebe zunehmend familienfreundlich verhalten, sind Einsparungen dieser Art aber eher selten zu erwarten. Ohnehin könnten sich die Regelungen rund um den Sonderurlaub schon bald grundlegend zugunsten der Väter ändern.
Eine neue EU-Elternzeitrichtlinie führt 10 Tage Vaterschaftsurlaub ein
Im Juni 2019 wurde die neue "EU-Richtlinie zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben für Eltern und pflegende Angehörige" (RL 2019/1158/EU) verabschiedet, die bis August 2022 in nationales Recht umzusetzen war und unter anderem den Vaterschaftsurlaub beinhaltete. "Bislang wurde diese – für werdende Väter – günstige Richtlinie aber noch nicht in Deutschland umgesetzt. Bei uns gilt also weiterhin § 616 des Bürgerlichen Gesetzbuchs", sagt Aydin. Die EU-Elternzeitrichtlinie zielt darauf ab, Betreuungs- und Pflegeaufgaben zwischen Männern und Frauen gleichmäßiger aufzuteilen, damit Väter und Kinder frühzeitig eine enge Bindung aufbauen können. "Väter und auch gleichgestellte zweite Elternteile sollen, entsprechend dieser Richtlinie, zehn Arbeitstage Vaterschaftsurlaub bei Geburt des Kindes bekommen", so der Arbeitsrechtler. Die EU-Mitgliedstaaten können dabei selbst bestimmen, ob der Vaterschaftsurlaub teilweise vor der Geburt des Kindes oder ausschließlich danach und oder in flexibler Form genommen werden kann.
Frühestens ab 2024 sollen 14 Tage Sonderurlaub für Väter gelten
Die aktuelle Ampel-Regierung hat in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart, eine bezahlte Vaterschaftsauszeit einzuführen. "Hierin heißt es, dass die Regierung eine zweiwöchige vergütete Freistellung für die Partnerin oder den Partner nach der Geburt eines Kindes einführen wird", erklärt Aydin. Mit diesem Gesetzesvorhaben wird in Deutschland die oben genannte EU-Elternzeitrichtlinie umgesetzt. Bundesfamilienministerin Lisa Paus plant die Vaterschaftsfreistellung frühestens im nächsten Jahr. Väter hätten durch die gesetzliche Verankerung den Vorteil, den Vaterschaftsurlaub nicht mehr beantragen zu müssen und könnten direkt nach der Geburt ihres Kindes präsent sein, um ihre Partnerin zu unterstützen. Die Möglichkeit, sich die Familienarbeit partnerschaftlich aufzuteilen, gilt als wichtige Voraussetzung für den Aufbau einer tragfähigen Vater-Kind-Bindung.
Sonderurlaub bei Geburt für Mütter kein Thema
Die Frage nach Sonderurlaub bei Geburt stellt sich für Mütter nicht. Hier greifen gesetzliche Schutzfristen. Nach dem Mutterschutzgesetz (MuSchG) darf der Arbeitgeber eine schwangere Frau in den letzten sechs Wochen vor dem voraussichtlichen Entbindungstermin nicht mehr beschäftigen. Ausnahme: die Schwangere äußert explizit den Wunsch weiterzuarbeiten. In diesem Fall können Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung theoretisch bis zur Entbindung gestatten. Die Mitarbeiterin kann diese Erklärung jederzeit widerrufen. Nach der Entbindung ist eine arbeitende Frau bis zum Ablauf von acht Wochen freigestellt, bei Frühchen, Zwillingen oder Kindern mit Behinderung auch länger. Hier greift ein absolutes Beschäftigungsverbot.
Für Verwandte sieht der Gesetzgeber übrigens keinen Sonderurlaub bei Geburt vor. Arbeitstätige Großeltern oder Geschwister der werdenden Eltern können sich also nicht unter Fortzahlung der Vergütung von der Arbeit befreien lassen.
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