Harte Arbeit, Schmutz, schlechte Arbeitszeiten. Mit diesen Klischees ist das Handwerk gerade bei der Nachwuchssuche oft konfrontiert. Der Hessische Rundfunk ging in einer ausgewogenen Reportage der Frage nach, was an diesen Vorurteilen dran ist – und ließ ausgiebig die jungen Leute selbst zu Wort kommen.

Der Fachkräfte- und Azubi-Mangel wird häufig aus Sicht der betroffenen Betriebe oder der Verbraucher dargestellt. Da geht es dann um lange Wartezeiten auf Handwerker oder um Betriebe, die ihren Geschäftsbetrieb nur noch schwierig aufrechterhalten können oder überhaupt keine Auszubildenden mehr finden.
Nun zäumten Redakteure des Hessischen Rundfunks im Rahmen eines Thementages "Handwerker gesucht" das Pferd von der anderen Seite auf. Sie ließen in "Generation Z - keinen Bock auf Ausbildung" die jungen Menschen zu Wort kommen und ihre Sicht auf das Handwerk schildern.
Praktischer Bezug
Dafür wurden die beiden 20-jährigen Freunde Luis und Julian, die sich explizit nicht für das Handwerk entschieden hatten, einen Tag lang in eine Metallbaufirma beziehungsweise eine Zimmerei geschickt. Luis studiert Wirtschafts- und Medienpsychologie, Julian lernt Mediengestalter.
Die Schilderung ihrer Erlebnisse dort durchzog die Dokumentation wie ein roter Faden. Die beiden trafen in den Betrieben auf Ausbilder, die ihnen freundlich, aber bestimmt, die ganz groben Grundlagen ihres Berufs näherbrachten und dabei auch über die Herausforderungen des Handwerks generell plauderten. Durch die Bilder aus den Werkstätten bekam die Sendung einen angenehm praktischen Bezug, weg von theoretischen Erwägungen rund um die Branche.
Studenten wünschen sich mehr "Optionen"
Die wiederum stellten einige Studenten an, die auf dem Campus der Universität Gießen von den Redakteuren befragt wurden, was sie denn mit dem Handwerk verbinden und warum sie gerade nicht dort eine Lehre begonnen, sondern vielmehr studieren würden.
Die Gründe waren vielfältig. So gab ein Student der Sozialwissenschaften, der zuvor eine Ausbildung zum Elektroniker gemacht hat, zu Protokoll, dass er keine Zukunft für sich in dem alten Beruf gesehen hatte. "Ich hätte gerne noch andere Optionen gehabt, und durch mein Studium stehen mir noch mehr Optionen offen." Auch "das Hierarchische" habe ihm nicht gefallen - "der Chef gibt vor und du kannst dir keine Widerworte leisten."
Eine kleine Abrechnung mit der Ausbildung war das, und auch ein anderer Student, der ein Praktikum als Metallbauer gemacht hatte, zeigte sich nicht überzeugt davon. Die schlechte Bezahlung, vor allem in der Ausbildung, aber auch danach, habe ihn gestört - "wenn man nicht gerade Schicht arbeitet, aber mit Schichtarbeit wiederum ist eine Lebensplanung unmöglich". Zudem, ergänzte eine Studentin, wüssten viele vor der gymnasialen Oberstufe einfach noch nicht, was sie mal machen wollten und würden dann eben die Schule bis zum Abitur weitermachen und dann eben ein Studium anschließen.
Mentalität der Sicherheit
Es gab noch weitere Aussagen, die sich meist um die Themen Work-Life-Balance, berufliche Perspektiven und Bezahlung drehten. Die Vorstellungen der Studenten vom Handwerk und einer Ausbildung schienen ausschließlich um solche Themen zu kreisen. Ambition, man muss es leider so konstatieren, klingt einfach anders. Kaum einer, der sich mit den Berufen selbst beschäftigt hatte, kaum einer, der sich an den Möglichkeiten der eigenen Schaffenskraft orientierte. Diese Mentalität, die zunächst auf die eigene Sicherheit abzielte, dürfte so manchen Zuschauer, vor allem sicher jene aus dem Handwerk, sprachlos gemacht haben.
Gut, dass die HR-Redakteure als Kontrast Lydia Malin vom Kompetenzzentrum Fachkräftesicherung des Instituts der deutschen Wirtschaft zu Wort kommen ließen. Sie ordnete die Aussagen der Studenten aus Expertensicht ein – und tat das auf sachliche Weise, indem sie weder bestehende Missstände leugnete noch Vorurteile gegen das Handwerk wiederholte.
Viele Eltern hätten schon ein falsches Bild vom Handwerk und den Innovationen, die es dort gebe im Kopf, und die Eltern hätten natürlich großen Einfluss auf die Berufswahl der Kinder. Damit war das grundlegende Problem beschrieben, das auch einige der Studenten zuvor betont hatten – nämlich, dass heutzutage zu oft erwartet wird, dass junge Leute studieren, damit ihnen beruflich die Welt offensteht.
Ausbildungsberufe, nicht nur im Handwerk, gelten als schlecht bezahlt, anstrengend, schlecht beleumundet, und die Arbeitszeiten als lang und unregelmäßig. Zusammenfassend hieß es in dem Beitrag dann so deutlich wie ernüchternd: "Viele sehen das als eine risikoreiche Verschwendung ihres Bildungsaufwands."
Expertin: "Auch im Handwerk tut sich was"
Ganz abgesehen davon, dass in so manchem Gewerk heute schon besser verdient wird als dies etwa Sozial- oder Geisteswissenschaftler im Schnitt nach ihrem stark theoretischen Studium erwarten können, und dass die Zukunftsfähigkeit mancher akademisierter Berufe sich in den kommenden, mutmaßlich nicht einfacheren Zeiten im Gegenzug zu jahrhundertealten Gewerken erst einmal beweisen muss, brachte die Expertin weitere Argumente vor, die die strikte Ablehnung einer Ausbildung in Zweifel zogen. "Auch im Handwerk tut sich was", sagte sie in die Kamera.
Es gebe sicher technische Berufe, etwa mit Montagetätigkeiten, die nur schwer mit dem Privatleben zu vereinbaren seien. "Aber viele Unternehmen überlegen, was sie hier tun können, etwa durch Unterstützung bei der Kinderbetreuung oder mehr Freizeit durch eine Vier-Tage-Woche." Und die Arbeitszeiten seien in vielen Berufen durchaus geregelt, etwa bei Hörgeräteakustikern, die ja oft im Rahmen der Einzelhandels-Zeiten arbeiteten.
Weil zudem viele Berufe immer anspruchsvollerer technischer Kenntnisse bedürften, sei es gerade auch für Abiturienten interessant, im Handwerk einzusteigen und diese neuen, herausfordernden, schwierigen Arbeiten anzugehen. Als Beispiel nannte Malin das Thema Smart-Home.
Bei Metzgern sieht es mit Nachwuchs schlecht aus
Doch nur weil die Diskussion um Akademisierung und fehlende Azubis Fahrt aufgenommen hat, stellt sich leider vielerorts noch keine Besserung ein. Metzger zum Beispiel haben große Probleme bei der Nachwuchssuche. Der HR besuchte eine Metzgerin in Ringgau in Nordhessen, die seit 40 Jahren im Geschäft ist. Dort sind Azubis Mangelware, seit zehn Jahren hatte Meisterin Sabine Opfer keinen mehr. Ob der Laden übernommen wird, weiß sie noch nicht.
Opfers Sohn Max Beck arbeitet in einer Metzgerei in Bayern und ist auf Instagram als "wursthandwerker" aktiv. Ob er eines Tages zurückkommt und in Mutters Betrieb einsteigt – ungewiss. Für den Fleischerberuf - der HR blendete entsprechende Zahlen ein - können sich immer weniger junge Leute erwärmen, in den letzten Jahren habe sich die Zahl der Lehrlinge in Hessen halbiert.
Natürlich gehört der Beruf nicht zu denen, die im Zeitgeist liegen. Fleischverarbeitung, das Schlachten von Tieren – alles keine Tätigkeiten, mit denen sich in weiten Teilen der jungen Generation ein Blumentopf gewinnen lässt. Hier kämpft eine Branche also nicht nur gegen den allgemeinen Trend, sondern auch noch gegen den Zeitgeist. Einfach, um es zurückhaltend zu sagen, ist das nicht.
"Das Handwerk hat ein Imageproblem"
Einfach war auch der Tag der beiden Zimmerer- und Metallbau-Praktikanten Luis und Julian nicht. Nach Stunden des Stehens, Schweißens, Sägens und vieler anderer Tätigkeiten war das Fazit der beiden ähnlich: Es habe Spaß gemacht, die Arbeit sei vielfältig, man sehe direkt, was man geschafft habe, aber es sei auch anstrengend. Ihre Ausbildung oder ihr Studium abbrechen würden die beiden jedenfalls nicht für einen Job im Handwerk. Das war ein genauso freundlich wie klar formuliert. Und einer der Studenten brachte indes auf den Punkt, was wohl bei aller fehlender Ambition in Teilen des Nachwuchses auch stimmt: "Ich denke, das Handwerk hat ein Stück weit auch ein Imageproblem."
>>> Link zur Sendung: "Generation Z - keinen Bock auf Ausbildung"