Mehrwertsteuer senken und Co. für mehr Reparaturen Schuhmacher startet Petition für einen Reparaturbonus

Schuhe haben mittlerweile das Image von Wegwerfprodukten. Sie sind günstig und werden immer seltener repariert. Das Umweltbundesamt schlägt deshalb vor, die Mehrwertsteuer unter anderem auf Schuhreparaturen zu senken. Ein Schuhmachermeister fordert stärkere Anreize und hat eine Petition für einen Reparaturbonus für Schuhe gestartet.

Schuhmacher früher und heute
Schuhmacher früher und heute: Das Foto zeigt einen zentralen Kritikpunkt von Schuhmachermeister Andreas Baumbach, den er im Rahmen seiner Online-Petition äußert: Immer weniger Schuhe werden repariert, obwohl es drängender denn je wäre, auf mehr Ressourcenschutz zu achten. - © Andreas Baumbach

Fahrtkosten, Lebensmittel und generell all das, was wir konsumieren und im Alltag ver- und gebrauchen: Alles ist teurer geworden. Anfang Juni hat das Umweltbundesamt (UBA) Vorschläge veröffentlicht, die helfen sollen, Kosten zu senken. Im Mittelpunkt der Vorschläge steht: Sie sollen nicht nur die Verbraucher, sondern auch Klima und Umwelt entlasten – und das mit einer Senkung der Mehrwertsteuer.

Die Veröffentlichung hat die Diskussion vor allem über die Lebensmittelversorgung angeheizt. Ein anderer genannter Aspekt dagegen findet bislang wenig Beachtung in der öffentlichen Debatte. So schlägt das UBA auch vor, den Mehrwertsteuersatz auf ausgewählte Reparaturdienstleistungen zu senken, damit wieder mehr Menschen diese nutzen. Konkret gemeint sind dabei Reparaturdienstleistungen an Fahrrädern, Schuhen und Lederwaren, Kleidung und Haushaltswäsche. Für sie sollte nach Ansicht der Behörde nur noch eine Mehrwertsteuer von sieben statt 19 Prozent anfallen. So soll der Preis für die Dienstleistungen sinken – und das wiederum soll ein Anreiz sein, dass wieder mehr Menschen die genannten Gegenstände reparieren lassen statt sie durch neue zu ersetzen.

Mehr Reparaturen durch weniger Mehrwertsteuer?

"Die vom UBA vorgeschlagenen Mehrwertsteuerermäßigungen sollen zu Umweltentlastungen führen. Dabei berücksichtigen sie den rechtlichen Rahmen, der EU-Mehrwertsteuer-Richtlinie", erklärt dazu Michael Golde, der sich beim UBA mit ökonomischen Aspekten und Instrumenten des Ressourcenschutzes befasst.  So besage der europäische Rechtsrahmen, dass der reguläre Mehrwertsteuersatz von mindestens 15 Prozent erhoben werden muss. Für bestimmte Güter und Dienstleistungen sind aber Ausnahmen möglich, die in einem Katalog aufgelistet sind. Damit steht für die genannten Bereiche rechtlich nichts im Wege und eine Änderung der Besteuerung könnte Golde zufolge sozusagen direkt ohne Umwege in Deutschland umgesetzt werden.

Voraussetzung natürlich: Der Gesetzgeber setzt eine entsprechende Reform um. Anders als im Lebensmittelbereich gibt es von Seiten der Bundesregierung aber bislang wenig positive Signale dafür. Einzig eine Kleine Anfrage der Bundestagsfraktion der CDU/CSU richtet sich derzeit an die Bundesregierung. Sie enthält die Frage danach, ob die Vorschläge zu einer Mehrwertsteuersenkung auf ausgewählte Reparaturdienstleistungen eine gesetzliche Gültigkeit bekommen sollen. Eine Antwort der Bundesregierung steht noch aus.

Per Online-Petition zum Reparaturbonus für Schuhe

Für Michael Golde bzw. das UBA gehört ein Mehr an Reparaturen unbedingt in den Bereich dessen, was jeder derzeit tun kann, um nachhaltiger zu wirtschaften und Klima und Ressourcen zu schonen. "Deshalb gehören diese Reparaturen auch in unseren Katalog der Bereiche, in denen Mehrwertsteuersenkungen nötig wären – und rechtlich möglich sind", sagt Golde. Denn für ein Mehr an Reparaturen bräuchte es finanzielle Anreize. Die Reparaturpreise müssten sinken und für Reparaturbetriebe sollten sich diese Dienstleistungen wieder stärker finanziell lohnen. Außerdem brauche es eine stärkere Diskussion über den Umgang mit Produkten und die sogenannte Wegwerfmentalität.

Schuhmachermeister Andreas Baumbach
Andreas Baumbach ist Schuhmachermeister und hat eine Online-Petition gestartet für einen Reparaturbonus für Schuhe. - © Andreas Baumbach

Genau diese Diskussion möchte auch Andreas Baumbach anstoßen. Für den Schuhmachermeister aus Wiesbaden sind Reparaturen einerseits sein tägliches Geschäft. Andererseits das Prinzip der Nachhaltigkeit schlechthin – und dass, obwohl er selbst den Begriff der Nachhaltigkeit derzeit in den Diskussionen schon als abgenutzt beschreibt. Andreas Baumbach hat erst kürzlich eine Online-Petition für einen Reparaturbonus für Schuhe gestartet. Er schreibt gleich zu Beginn der Hintergründe auf change.org: "Früher sprach kaum jemand über Nachhaltigkeit, aber Schuhe wurden repariert. Heute reden alle über Nachhaltigkeit, doch Schuhe werden weggeschmissen und durch neu produzierte Schuhe ersetzt."

Reparaturbonus: Staat soll die Hälfte der Reparaturkosten tragen

Damit formuliert er auch eine Kritik am Umgang mit Ressourcen und daran, dass die Kosten für bestimmte Produkte in eine starke Schieflage geraten sind. Bei Schuhen zeige sich das besonders. Während die Inflation stetig steigende Werte zeigt, werden Schuhe – entgegen der allgemeinen Teuerung – im Durchschnitt betrachtet immer günstiger. Sie haben den Charakter von Wegwerfprodukten bekommen und das spürt ein ganzer Berufszweig, der in den Anfangsjahren der Bundesrepublik noch über 75.000 Betriebe mit über 130.000 Beschäftigten zählte. Immer weniger Menschen lassen sich Schuhe vom Maßschuhmacher herstellen und kaum einer lässt seine Schuhe noch reparieren und versucht sie somit länger zu erhalten. So gibt es auch immer weniger Betriebe dieser Handwerksbranche. Aktuell sind es noch rund 1.700 in ganz Deutschland.

Das Problem liegt laut Baumbach tatsächlich hauptsächlich am Preis. Denn es rechnet sich einfach kaum, wenn man seine Schuhe neu besohlen lässt, wenn die Reparatur dann teurer ist als ein neues Paar. Das gilt auch dann, wenn jedem klar ist, dass das neue billige Paar auch nur ein paar Monate hält – wenn überhaupt. So müsste man dem Schuhmacherhandwerk zufolge erst einmal in ein richtiges, angepasstes Paar Schuhe investieren aus guter Qualität – sowohl was das Material betrifft als auch die handwerkliche Herstellung. Erst dann würde sich auch eine Reparatur lohnen und der Schuhträger würde wohl auch schonender und nachhaltiger mit den Schuhen umgehen.

Um die Reparatur dann als solche noch lohnenswerter zu machen und vor allem wieder als Option in die Köpfe der Menschen zu bringen, braucht es Andreas Baumschuh zufolge eben einen Bonus vom Staat. Dieser sollte seinen Vorschlägen zufolge die Hälfte der Reparaturkosten übernehmen. Zwar stellt eine Mehrwertsteuersenkung auch eine staatliche Finanzhilfe dar, aber bei Schuhen würde das kaum etwas bringen, sagt Baumbach. "Das ist einfach viel zu wenig."

Mehrwertsteuer auf Reparaturen senken: "Das ist einfach zu wenig"

Er rechnet vor: Sohlen und Absätze aus einem hochwertigen Material kosten etwa 40 Euro. Eine Mehrwertsteuersenkung würde den Preis auf 35,95 Euro reduzieren. "Ist das überzeugend, wenn der Neupreis für manche Schuhe heute nur bei 30 Euro liegt?", fragt er. Zwar findet der Handwerksmeister den Ansatz durchaus richtig, dass in der Studie des UBA auch die Reparaturdienstleistungen eine Rolle spielen und damit in der Debatte stehen. Aber leider entscheidet für die meisten Menschen die Wirtschaftlichkeit und nicht der nachhaltige Gedanke – auch wenn dieser an Relevanz gewinnt.

Der Schuhreparaturbonus von Andreas Baumbach soll deshalb wie folgt aussehen: Wer Schuhe reparieren lässt, bekommt die Rechnung dafür dann zur Hälfte erstattet. Gestalten könnte man die Abwicklung des Bonus nach dem Vorbild des Reparaturbonus in Thüringen. Dort kann jeder Thüringer Bürger eine Reparaturrechnung von einem haushaltsüblichen Elektrogerät einmal im Jahr bei der Verbraucherzentrale einreichen. Er bekommt die Hälfte der Kosten erstattet – maximal aber 100 Euro. Voraussetzung ist: Die Rechnungssumme für die Reparatur liegt bei mindestens 50 Euro inklusive Mehrwertsteuer. Mehr zum Thüringer Reparaturbonus können Sie hier nachlesen.>>>

Dabei ist es Baumbach wichtig zu betonen, dass der gesellschaftliche Nutzen der Reparaturen und damit auch eines Bonus, der Reparaturen fördert, groß ist. Der Bonus beruht auf dem Prinzip der Freiwilligkeit, denn man muss ihn nicht beantragen – aber man kann. Und anders herum: Nutzt man den Reparaturbonus nicht, kostet er die Gesellschaft auch nichts.

Reparaturbonus soll Reparaturdienstleistungen wieder lohnenswert machen

Gleichzeitig profitiert die Gesellschaft, wenn durch mehr Reparaturen, weniger Müll entsteht, dessen Entsorgungskosten auch schon heute der Steuerzahler trägt. Obendrein werden Ressourcen geschont und die Umweltverschmutzung in den Produktionsländern verringert. Bekommen Reparaturbetriebe wieder mehr Aufträge und ist das Reparieren wieder eine Gewohnheit, lohnt es sich auch wieder mehr diese Dienstleistung anzubieten. Das wiederum senkt die Kosten. Genau diesen Kreislauf möchte Schumacher Andreas Baumbach wieder in Gang bringen durch seine Petition. Mit dieser zusammen stellt er übrigens umfassende Informationen zum Thema Reparatur und Nachhaltigkeit online zur Verfügung – natürlich alles mit Blick auf Schuhe. Bis heute hat die Online-Petition fast 500 Unterschriften bekommen. Gerichtet ist sie an das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz.

Die Online-Petition von Andreas Baumbach finden Sie unter change.org/p/schuhreparaturbonus.>>>

Zum Vorbild für seinen Bonus hat Baumbach neben Thüringen, wo es nun bereits seit Mai 2022 die zweite Auflage bzw. Förderrunde gibt – übrigens auch Österreich. Auch hier gibt es einen Reparaturbonus für Elektrogeräte bzw. eine Förderung von bis zu 200 Euro für deren Reparatur. Und mit europäischen Vorbildern argumentiert auch das UBA für seine Mehrwertsteuersenkung. Denn auch diese gibt es bereits in anderen Ländern für Reparaturdienstleistungen – etwa in Belgien, Irland, Luxemburg und auch in Österreich.

EU-MitgliedstaatMehrwertsteuersatz
Reparaturen Fahrräder, Schuhe
und Lederwaren, Kleidung und
Haushaltswäsche
Mehrwertsteuer-Normalsatz
Deutschland 19% 19%
Belgien 6% 21%
Irland 13,5% 23%
Luxemburg 8% 22%
Malta 5% 18%
Niederlande 9% 21%
Österreich 10% 20%
Polen 8% 23%
Schweden 12% 25%
Slowenien 9,5% 22%
Quelle: umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/479/publikationen/texte_38-2022_oekologische_finanzreform.pdf