Gegen die Wegwerfgesellschaft So könnte ein Recht auf Reparatur unseren Alltag verändern

Viele elektrische Geräte sind heute so gebaut, dass man sie nur schwer reparieren kann. Außerdem bekommt man oftmals nur schwer Ersatzteile oder sie sind sehr teuer. Ein Recht auf Reparatur soll dies ändern – und es soll einen Bewusstseinswandel anstoßen. Das sind die aktuellen Pläne.

Recht auf Reparatur
Ein Recht auf Reparatur soll es in Deutschland bald auch für elektrische Kleingeräte geben. - © HollyHarry - stock.adobe.com

Ein Backofen mit gesprungener Glasfront, Handy mit wiederkehrendem Softwarefehler oder ein Bügeleisen, das nur noch auf einer Einstellung heiß bügelt? Alles für den Mülleimer?

Im Schnitt produziert jeder Bundesbürger pro Jahr mehr als zehn Kilo Elektroschrott. Viele der weggeworfenen Geräte hätte man sicherlich reparieren und so weiter nutzen können. Doch bisher stößt dies auf einige Hürden – rechtlich und weil zu wenige überhaupt ans Reparieren denken.

Das Recht auf Reparatur steht als solches im Koalitionsvertrag. Doch wie kann es in der Praxis aussehen? Bundesverbraucherschutzministerin Steffi Lemke (Grüne) ist zwar noch nicht auf die Forderung des Bundesverbands der Verbraucherzentralen eingegangen, innerhalb der ersten 100 Tage ihrer Amtszeit das angekündigte neue Recht gesetzlich zu verankern. Doch sie hat sich der Thematik angenommen. Sie möchte nach eigenen Aussagen eine breite gesellschaftliche Debatte anstoßen zum Umgang mit Konsumartikeln und einer längeren Nutzung.

Recht auf Reparatur: So profitiert das Handwerk

Liegt es am Ende also doch am Verbraucher, sein Verhalten zu ändern und nicht an den Herstellern, die sich einer besseren Reparierbarkeit verwehren?

Aus Sicht von Elektromeister Heinrich Jung müssen beide umdenken – Gesellschaft und Wirtschaft. Das angekündigte Recht auf Reparatur helfe dabei entscheidend weiter. Heinrich Jung setzt sich sowohl politisch als auch durch seine tägliche Handwerksarbeit seit Jahrzehnten dafür ein, dass Elektrogeräte länger genutzt werden. Allein im vergangenen Jahr hat er ungefähr 3.600 Geräte repariert. Darüber führt er eine genaue Statistik. "82 Prozent aller Geräte, die mir jemand gebracht hat, konnte ich dazu bringen, dass man sie nicht wegwerfen muss", berichtet der Inhaber der Blitzblume, einer Reparaturwerkstatt im rheinland-pfälzischen Ingelheim.

Politisch engagiert sich der Handwerker beim "Runden Tisch Reparatur", einem unabhängigen Zusammenschluss verschiedener Organisationen und auch einiger Vertreter aus dem Handwerk. Wichtig ist ihnen allen, dass das Thema der Reparatur in der gesamten Nachhaltigkeitsdebatte einen größeren Stellenwert bekommt. Von besonderer Bedeutung ist das Recht auf Reparatur. Wie dies umgesetzt werden sollte, hat der Runde Tisch auch in einem Forderungskatalog zusammengefasst. Dieser kann hier nachgelesen werden.>>>

Zentral ist dabei die Verfügbarkeit von Ersatzteilen, Reparaturanleitungen und Spezialwerkzeug sowie passender Software, um programmierbare Geräte korrekt einstellen zu können. Bei den Ersatzteilen spielt der Preis eine wichtige Rolle, denn er muss das Reparieren lohnenswerter machen als den Neukauf. Außerdem sollen Ersatzteile länger von den Herstellern bereitgehalten werden müssen. "Gerade die Geräte, die jahrelang gute Dienste geleistet haben, lohnen sich meistens bei der Reparatur", erklärt Heinrich Jung. "Dann muss man aber auch noch Ersatzteile bekommen." Kleine Reparaturdienstleister wie er haben zwar oft ein eigenes kleines Lager mit Ersatzteilen aus gebrauchten, ausrangierten Elektrogeräten. Eine breite Auswahl für alle Modelle, Gerätetypen und Marken kann er aber aus Platzgründen nicht bereithalten.

Recht auf Reparatur: Das steht im Koalitionsvertrag

Im Koalitionsvertrag der Bundesregierung heißt es zu den Plänen von SPD, Grünen und FDP:

"Wir wollen Nachhaltigkeit by design zum Standard bei Produkten machen. Die Lebensdauer und Reparierbarkeit eines Produktes machen wir zum erkennbaren Merkmal der Produkteigenschaft (Recht auf Reparatur). Wir stellen den Zugang zu Ersatzteilen und Reparaturanleitungen sicher. Herstellerinnen und Hersteller müssen während der üblichen Nutzungszeit Updates bereitstellen. Wir prüfen Lösungen zur Erleichterung der Nutzbarkeit solcher Geräte über die Nutzungszeit hinaus. Für langlebige Güter führen wir eine flexible Gewährleistungsdauer ein, die sich an der vom Hersteller oder der Herstellerin bestimmten jeweiligen Lebensdauer orientiert."

Recht auf Reparatur bereits auf EU-Ebene

Für Elektrogroßgeräte wie Waschmaschinen oder Kühlschränke hat Jung zwar im Prinzip bereits jetzt schon neue Rechte in Bezug auf Ersatzteile. Denn seit März 2021 gelten auf EU-Ebene bereits Reparaturvorgaben. So müssen Hersteller von Waschmaschinen, Kühlschränken und anderen großen Haushaltsgeräten dafür sorgen, dass Ersatzteile sieben bis zehn Jahre lang verfügbar sind. Wirksam werden kann dies im Alltag aber noch kaum. Die dazugehörige Ökodesign-Richtlinie greift erst für neue Geräte und nicht für die, die in Haushalten derzeit eventuell kaputt gehen.

Mit dem Recht auf Reparatur, wie es die Bundesregierung angekündigt hat, sollen neue Reparaturvorgaben dann auch für Kleingeräte greifen wie Föhn, Toaster oder Smartphones, Laptops und Tablets. In der Diskussion ist dabei einerseits die Verfügbarkeit von bezahlbaren Ersatzteilen und Anleitungen. Andererseits, dass elektrische Geräte von vorne herein so gebaut werden, dass man sie reparieren kann. Oft gelangt man nur schwer oder überhaupt nicht an die entscheidenden Stellen heran – nicht an Batterien und Akkus, nicht an Anschlüsse. Manches Mal benötigt man auch spezielles Werkzeug, das nur die Hersteller oder deren Kundendienst besitzen und nur gegen entsprechend teurer Gebühren freigeben. Diese Praxis soll nicht mehr erlaubt sein.

Dennoch sollte sich die aktuelle Debatte aus Sicht von Heinrich Jung nicht hauptsächlich um neue Produkte – also einen weiteren Konsum – drehen. Es gehe darum, die Nutzungszeit der Geräte zu verlängern. "Man muss auch die graue Energie beachten, die bei der Herstellung verbraucht wird und die Ressourcen", sagt der Reparaturwerkstattbetreiber. Geräte müssten immer einen zweiten Verwertungszyklus durchlaufen dürfen – entweder beim Ursprungsbesitzer selbst oder indem sie als gebrauchtes Gerät einen neuen finden.

Mehr Reparaturen – mehr Handwerksarbeit und weniger Elektroschrott

Jung berichtet aus seinen jahrelangen Erfahrungen, dass sich die Groß- und Kleinelektrogeräte selbst allerdings sehr verändert hätten. "1983 kam der erste AEG Öko Lavamat auf den Markt. Das war eine Art Revolution, denn das erste Mal stand das Einsparen von Strom und Wasser im Fokus", erzählt er. Technisch gesehen seien heute eher nur noch kleine Schritte möglich und keine großen Optimierungen mehr. Also gehe es nicht mehr in erster Linie darum, andere neue Geräte, sondern das Vorhandene länger zu nutzen.

Und hierbei könne das Handwerk viel leisten bzw. sollten Handwerksbetriebe seiner Meinung beim Thema Reparatur wieder stärker mitarbeiten. "Das Reparaturhandwerk stirbt aus, wenn wir uns jetzt nicht um den Nachwuchs kümmern und wenn das Thema nicht insgesamt präsenter wird. Ich bin Handwerksmeister und möchte, dass sich das Reparieren wieder lohnt", sagt der Elektriker, der aus Überzeugung noch nie ein Gerät verkauft hat. Er setzt ausschließlich auf seinen handwerklichen Reparaturservice. Und diesen bietet er auch ehrenamtlich in Repaircafés an. Sein Ansatz: das Thema in die breitere Bevölkerung zu tragen. "Wenn es insgesamt an Relevanz gewinnt – in der Politik und bei den Verbrauchern – dann wird mehr repariert und das Reparaturhandwerk bekommt auch Aufträge", fasst er seinen Einsatz zusammen.

Recht auf Reparatur: Wichtig nicht nur für Elektrogeräte

Das aktuell diskutierte Recht auf Reparatur setzt bisher ausschließlich bei Elektrogeräten an. Dabei steht die Notwendigkeit auch in anderen Bereichen bzw. andere Alltagsgegenstände. So kennt man die Probleme der schwer verfügbaren und sehr teuren Ersatzteile zum Beispiel auch in Reparaturbetrieben wie dem von Schuhmacher Hagen Matuszak. Er repariert Turnschuhe in seinem Unternehmen Sneaker Rescue in Berlin. Da er oftmals nur schwer an Ersatzteile kommt, arbeitet er oftmals mit passenden Alternativen.

Ein Recht auf Reparatur bewertet er grundsätzlich als "gute Sache". Auch Schuhhersteller könnten seiner Meinung nach von vorne herein anders produzieren und Sollbruchstellen wie die an Fersen und Zehen haltbarer konzipieren. Matuszak spürt ein steigendes Interesse der Sneakerträger, die Schuhe reparieren zu lassen. "Das Interesse steigt tatsächlich und zwangsläufig, das die Sneaker-Qualität immer weiter nachlässt", sagt der Schuhmacher. Mehr über seinen Betrieb "Sneaker Rescue" können Sie hier nachlesen.>>>

Weitere Infos zum Thema Schuh-Reparatur bekommt man beim Projekt "Repair Your Pair ". Es widmet sich der Frage, wie Schuhreparaturen und der nachhaltige Gebrauch von Schuhen gefördert werden können.

Handwerk und Repaircafés sollten zusammenarbeiten

Die Zusammenarbeit von Handwerkern und Reparaturinitiativen wie Repaircafés ist derzeit auch ein Thema des Instituts für Betriebsführung im Deutschen Handwerks Institut. Julia Maxi Bauer arbeitet hier als Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Projekt Realkoop mit. Sie erforscht und berät dazu, wie diese Zusammenarbeit gelingen kann. Auch sie sieht einen großen Nutzen für Handwerksbetriebe und Verbraucher darin, das Thema als solches stärker ins Bewusstsein zu bringen. Außerdem sei der ganz konkrete Austausch von Wissen, Ersatzteilen und auch Werkzeugen nicht zu unterschätzen.

Bauer ist entsprechend auch der Meinung, dass ein Recht auf Reparatur Verbraucher dazu animiert, mehr Geräte reparieren zu lassen. "Das Recht auf Reparatur setzt bei den Herstellern an. Es führt unter anderem durch das Vorhalten von Ersatzteilen dazu, dass Reparaturen günstiger sind und Hersteller auf Obsoleszenz verzichten", sagt sie und erwähnt den Reparaturindex, der ebenfalls in der Diskussion steht. Dieser könnte helfen, dass Handwerksbetriebe stärker mit ihrem Fachwissen eingebunden werden. Sie können beim Kauf neuer Geräte und wenn es darum geht, ältere Geräte weiter nutzbar zu machen, hinsichtlich der Reparaturfähigkeit Berater sein.

Ein Mehr an Reparaturen zieht zwangsläufig auch ein Weniger an Müll und Elektroschrott nach sich. Die Nutzungsdauer ist entscheidend. Und unter anderem über diese sollten Verbraucher besser aufgeklärt werden, wenn sie ein Produkt kaufen. Die Aufklärung soll nach den aktuellen Plänen der Bundesverbraucherschutzministerin künftig über neue Hinweise direkt auf den Produkten erfolgen – als Reparierbarkeitsindex. Dieser soll zeigen, wie reparierfreundlich ein Produkt ist. Als Vorbild dient den Plänen des Bundesverbraucherschutzministeriums dabei Frankreich. Hier gibt es seit 2021 einen Index, der darüber informiert, wie einfach sich Smartphones, Fernseher, Rasenmäher oder andere Geräte reparieren lassen.

Recht auf Reparatur: So kann es erfolgreich werden

Aus Sicht von Julia Maxi Bauer gilt es jetzt aber an mehreren Stellschrauben zu drehen, damit das Thema Reparatur als Ressourcenschutz vorankommt. "Dazu zählt die Einwirkung auf rechtliche Rahmenbedingungen genauso wie die Unterstützung von Verbrauchern, damit diese wieder mehr Dinge reparieren lassen. Wir müssen aber auch das Angebot von Reparaturen ausweiten und dies kommunizieren. Und wir müssen die Akteure zusammenzubringen, um sich kennenzulernen, zu unterstützen und Bedenken offen anzusprechen", erläutert die Wissenschaftlerin.

Insgesamt muss ein Umdenken stattfinden, denn das Verhalten – die Wegwerfmentalität – hängt stark mit dem Angebot zusammen und dessen Qualität, an die man sich gewöhnt hat. "Viele Verbraucher denken, dass sich Reparaturen nicht lohnen. Sicherlich sind sie auch nicht daran gewöhnt, bestimmte Gegenstände zu pflegen und zu reparieren zum Beispiel Kleidung und Schuhe. Aber Aufklärung auf der einen Seite und Änderung rechtlicher Rahmenbedingen auf der anderen Seite können einen Verhaltenswandel herbeiführen", sagt Bauer.

Als ganz konkreten Vorschlag für ein Mehr an Reparaturen erwähnt sie eine angepasste Mehrwertsteuer auf Reparaturen – ähnlich dem Handwerkerbonus. Diesen Vorschlag hatte bereits vor einiger Zeit auch das Umweltbundesamt mit in die Diskussion eingebracht. Aufgegriffen wurde er von der Politik noch nicht. Heinrich Jung erzählt dagegen, dass er seinen reparaturfreudigen Kunden auf Steuererleichterungen hinweist. Seine Reparaturleistungen können als haushaltsnahe Dienstleistung abgerechnet werden. Deshalb hat er immer ein EC-Kartenlesegerät dabei. Nur über diesen Zahlungsweg erkennen die Finanzämter die absetzbare Leistung an.