Haftungsrisiko Bauabzugssteuer: Ohne Freistellung haftet der Auftraggeber

Welche Risiken drohen Handwerksbetrieben bei der Bauabzugssteuer?

Bernhard Köstler

Bauabzugssteuer: Geben Bauunternehmer einen Auftrag an einen Subunternehmer weiter, müssen sie steuerlich besonders gut aufpassen. Es gelten Besonderheiten. - © Robert Kneschke/ Fotolia.com

Erhält ein Unternehmer eine Rechnung, in der Bauleistungen abgerechnet werden, sollten sämtliche Alarmsirenen losgehen. Denn grundsätzlich muss der Auftraggeber 15 Prozent einbehalten und ans Finanzamt abführen. Kommt der Auftraggeber dieser Verpflichtung nicht nach, haftet er für die nicht einbehaltene Bauabzugssteuer. Die Haftung lässt sich nur dann mit Sicherheit vermeiden, wenn der leistende Unternehmer zum Zeitpunkt der Rechnungsstellung eine gültige Freistellungsbescheinigung seines Finanzamts vorlegt. Und genau zu der Haftungsfrage hat das Landgericht München I jetzt ein interessantes Urteil gesprochen (LG München I v. 21. Mai 2010, Az.: 18 O 22179/09).

Ein typischer Praxisfall: Gerda Müller, selbstständige Friseurin, möchte endlich neuen Wind in ihren Salon bringen und beauftragt einen Handwerker mit dem Umbau. Dafür erhält sie eine Rechnung über 10.000 Euro zzgl. 1.900 Euro Umsatzsteuer.

Da der Handwerker trotz mehrmaliger Aufforderung keine Freistellungsbescheinigung seines Finanzamts zur Bauabzugssteuer vorlegt, überweist Frau Müller ihm nur 10.115 Euro. 1.785 Euro überweist sie als Bauabzugssteuer ans Finanzamt (15 Prozent von 11.900 Euro).

Risiko: Hätte Frau Müller trotz fehlender Freistellungsbescheinigung 11.900 Euro an den Handwerker ausbezahlt und der Handwerker wäre seinen steuerlichen Pflichten nicht nachgekommen, würde das Finanzamt Frau Müller für die nicht einbehaltenen 1.785 Euro in Haftung nehmen.

Bauabzugssteuer: Urteilsfall zeigt Haftungsrisiko

Ein Haftungsrisiko wollte auch ein Bauunternehmen aus München vermeiden. Mit einem Subunternehmer wurde ein Vergleich geschlossen, nachdem dieser noch 10.000 Euro erhalten soll. Noch vor der Zahlung wurde bei dem Subunternehmer ein Insolvenzverfahren eröffnet. Und der Insolvenzverwalter weigerte sich, für den insolventen Subunternehmer eine Freistellungsbescheinigung vorzulegen.

Seine Begründung: Dem Finanzamt würden die 15 Prozent Bauabzugssteuer nicht zustehen, sondern nur eine Quote der ausstehenden Steuern. Der Auftraggeber behielt daraufhin die Bauabzugssteuer ein und führte sie an das Finanzamt ab.

Die Klage des Insolvenzverwalters dagegen schmetterten die Richter des Landgerichts München I ab. Legt ein insolventes Unternehmen keine Freistellungsbescheinigung von der Bauabzugssteuer vor, bleibt dem Auftraggeber zur Vermeidung einer Haftung nur der Einbehalt und die Abführung der einbehaltenen Beträge ans Finanzamt. Dass dem Finanzamt der 15prozentige Einbehalt nicht in voller Höhe zusteht, ist eine Sache zwischen dem Finanzamt und dem leistenden Unternehmen.

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Warum die Freistellung bei der Bauabzugssteuer so wichtig ist

Für Bauunternehmen sind bei der Bauabzugssteuer Sonderfälle zu beachten

Eine Besonderheit wurde von den Münchner Richtern noch bestätigt. Ist der Auftraggeber nämlich selbst Bauunternehmer und die Rechnung weist wegen der Steuerschuldnerschaft nach § 13b Umsatzsteuergesetz (UStG) keine Umsatzsteuer aus, muss er die Umsatzsteuer für die Ermittlung des korrekten Einbehalts fiktiv dem Rechnungsbetrag hinzurechnen.

Beispiel: Heinz Wohlgemut, Bauhandwerker, vergibt Bauleistungen an einen Subunternehmer. Die Rechnung lautet über 20.000 Euro. Umsatzsteuer wird nicht ausgewiesen, weil die Steuerschuldnerschaft nach § 13b UStG greift. Da keine Freistellungsbescheinigung vorgelegt wird, muss Heinz Wohlgemut Bauabzugssteuer berechnen, einbehalten und abführen.

Fazit: Das Urteil hat mehrere Signalwirkungen. Zum einen sollten Auftraggeber trotz Insolvenz des Rechnungsstellers die Bauabzugssteuer einbehalten, wenn keine Freistellungsbescheinigung vorgelegt wird. Zum anderen sollten insolvente Unternehmen die Bauabzugssteuer einkalkulieren, wenn Forderungen an Factoringunternehmen verkauft werden.

Ausnahmen von der Bauabzugssteuer

Ein Steuerabzug ist nicht vorzunehmen, soweit bestimmte Grenzen hinsichtlich der Zahlung im Kalenderjahr nicht überschritten werden. Für die Prüfung der Bagatellgrenze ist im Saldo nicht auf die im Kalenderjahr getätigten Zahlungen, sondern auf die erbrachten Leistungen abzustellen.

Grundsatz: Die im Kalenderjahr von demselben Bauunternehmer zu erbringenden Leistungen übersteigen voraussichtlich einen Wert von 5.000 Euro nicht.

Ausnahme: Die im Kalenderjahr von demselben Bauunternehmer zu erbringenden Leistungen übersteigen voraussichtlich einen Wert von 15.000 Euro nicht, wenn ausschließlich von der Umsatzsteuer befreite Vermietungseinkünfte erzielt werden.

Praxis-Beispiel Vermieter V hat eine Eigentumswohnung, die er zu Wohnzwecken fremd vermietet. Weitere unternehmerische Tätigkeiten entfaltet V nicht. V lässt in der Wohnung anlässlich eines Mieterwechsels durch den Bauunternehmer B Parkett verlegen. Die Kosten hierfür betragen 10.000 Euro, zuzüglich 1.900 Euro Umsatzsteuer. Eine Freistellungsbescheinigung legt B nicht vor. Weitere Bauleistungen wird V voraussichtlich in dem Kalenderjahr von B nicht in Anspruch nehmen.

V kann das Gesamtentgelt in Höhe von 11.900 Euro dem B in voller Höhe überweisen. Einen Abzug braucht er nicht vorzunehmen. V erbringt nur umsatzsteuerfreie Vermietungsleistungen, deshalb gilt die Freigrenze von 15.000 Euro pro Kalenderjahr.

Auch private Vermieter von Immobilien sind Unternehmer, die zum Einbehalt der Bauabzugsteuer verpflichtet sind. Doch eine Verpflichtung gilt für Vermieter nur, wenn Sie mehr als zwei Immobilien vermieten.

Dieser Beitrag wurde am 24. Februar 2017 aktualisiert.