Jährlich werden tausende Verstöße gegen den Mindestlohnt gezählt. Damit schwarze Schafe konsequent von öffentlichen Vergabeverfahren ausgeschlossen werden können, fordern die IG Bau und die Linke ein wirkungsvolles öffentliches Melderegister. Ein neues Gutachten hält dies für zulässig.

Wenn Betriebe ihren Mitarbeitern nicht den gesetzlichen Mindestlohn zahlen, ermittelt die Finanzkontrolle Schwarzarbeit. Da die Zahl der Verstöße nach wie vor hoch ist, fordert die IG Bau stärkere Kontrollen und ein wirkungsvolles öffentliches Mindestlohn-Melderegister. Der Wissenschaftliche Parlamentsdienst hat nun ein Gutachten herausgebracht, dass ein solches Melderegister für zulässig hält. Was das im Detail bedeutet.
Mehr als 4.000 Betrugsfälle, Bau besonders betroffen
Die Finanzkontrolle Schwarzarbeit leitete 2020 bundesweit 4.220 Ermittlungsverfahren wegen Mindestlohnverstößen ein – Fälle, in denen entweder der gesetzliche Mindestlohn oder bestehende Branchenmindestlöhne nicht korrekt gezahlt wurden. Mit 981 gab es die meisten Fälle in Nordrhein-Westfalen. In Berlin wurden 201, in Niedersachsen 247 und in Hamburg 41 Fälle vom Zoll aufgedeckt und entsprechende Ermittlungsverfahren eingeleitet. Dies zeigen die offiziellen Zahlen des Bundesfinanzministeriums.
Die meisten Verstöße habe es dabei auf Baustellen gegeben. "Deutlich mehr als 1.000 Fälle und damit rund jedes vierte Ermittlungsverfahren wegen Lohnbetrügereien wurde gegen Baufirmen eingeleitet", sagte Robert Feiger, Chef der Industriegewerkschaft Bauen Agrar Umwelt (IG Bau), im Juli dieses Jahres. Als Folge seien im vergangenen Jahr allein gegen Bauunternehmen Bußgelder von mehr als 8,1 Millionen Euro wegen Mindestlohnverstößen verhängt worden. Für alle Branchen waren dies bundesweit knapp 27,2 Millionen Euro.
Für Feiger sind die Zahlen ein Beweis, dass Mindestlohnbetrug noch immer ein Problem auf dem Bau ist: "Auch wenn sich der überwiegende Teil der Unternehmen gesetzestreu verhält, sorgen 'schwarzen Schafe' mit ihren Machenschaften immer noch für 'Wild-West-Methoden' auf manchen Baustellen".
Um den Mindestlohnbetrug wirksam einzudämmen, fordert er eine Ausweitung der Kontrollen durch den Zoll und eine deutliche Erhöhung der Bußgelder. Zudem sollte es eine gesetzliche Regelung geben, die Firmen automatisch verpflichtet, entgangenen Arbeitslohn nachzuzahlen. Bislang müssen Beschäftigte ihren Anspruch auf Zahlung des Mindestlohns gegenüber Ihrem Arbeitgeber auf zivilrechtlichem Weg einklagen. Bei einem Verstoß wird für die Arbeitgeber zwar das Bußgeld fällig, aber weiter nur die entgangenen Steuern und Sozialabgaben und nicht der entgangene Arbeitslohn.
So sehen die aktuellen Strafen für Mindestlohn-Verstöße aus
Außerdem kann ein Unternehmen von der Vergabe öffentlicher Aufträge ausgeschlossen werden. Das regelt das "Gesetz zur Errichtung eines Registers zum Schutz fairen Wettbewerbs", das am 1. Juni dieses Jahres in Kraft getreten ist. Firmen können von der Vergabe ausgeschlossen werden, wenn sie wegen Mindestlohnverstößen rechtskräftig belangt worden sind.
Das reiche aber in der Praxis nicht, so die IG-Bau. Das Wettbewerbsregistergesetz biete keine Handhabe, wenn Firmen bei Vergabeverfahren bewusst Falscherklärungen zur Einhaltung der Tariftreue und der Mindestlohnbestimmungen abgeben. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass öffentliche Auftraggeber Verträge mit Firmen schließen, die von der Vergabe auszuschließen gewesen wären.
Mindestlohn-Betrüger sollen von öffentlichen Vergaben ausgeschlossen werden
Daher spricht sich Feiger für ein wirkungsvolles öffentliches Mindestlohn-Melderegister aus. In diesem sollen Verstöße von Unternehmen eingetragen werden und dadurch "schwarze Schafe" von Vergaben öffentlicher Aufträge ausgeschlossen werden. "Und dazu zählt auch schon, wenn ein Unternehmen bei Auftragsangeboten bewusst falsch erklärt, dass es die Bestimmungen zu Mindestlöhnen einhält." Wer bei Ausschreibungen falsch spiele und die Regeln nicht einhalte, dürfe keine öffentlichen Aufträge mehr bekommen.
Dass ein solches öffentliches Melderegister rechtlich zulässig ist, bestätigte nun auch der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags auf Anfrage der Linken. So sei das Datenschutzrecht, das dem entgegenstehen könne, grundsätzlich auf juristische Personen nicht anwendbar, "da es sich nicht um personenbezogene Daten handelt, auch nicht, wenn der Name des Unternehmens sich von einer Person ableitet", so die Expertise.
Das Guthaben, dass der Deutschen Presseagentur vorliegt, kommt zu dem Schluss, dass Unternehmen, die ihren Mitarbeitern weniger als den Mindestlohn zahlen, von öffentlichen Aufträgen ausgeschlossen werden können. Die mögliche Vergabesperre betreffe "sämtliche Liefer-, Bau- und Dienstleistungsaufträge", so die Bundestagsexperten. Auftraggeber könnten sich im Melderegister informieren, ob ein potentieller Vertragspartner gegen den Mindestlohn verstößt.
"Der Ausschluss aus den Vergabeverfahren öffentlicher Aufträge hätte eine extrem abschreckende Wirkung", so der Linken-Abgeordnete Victor Perli. "Wer sich nicht an die Regeln hält, muss bestraft und von öffentlichen Aufträgen ausgeschlossen werden." Das diene dem Schutz der vielen Firmen, die Tariflöhne zahlen.
Mit Inhalten der dpa