17 Gewerke und ihre Wünsche an eine neue Regierung

Minijobs, Klimawandel, Bürokratieabbau – diese Probleme muss ein neues Regierungsbündnis anpacken. Die Deutsche Handwerks Zeitung hat in den Gewerken nachgefragt und stellt die Forderungen der Verbände vor.

Schreinerin zeichnet Linie auf Holzbrett
Die Schreiner beklagen, dass klimafreundliches Bauen und Ausbauen mit Holz nach wie vor nur schleppend in Gang kommen. - © ijeab - stock.adobe.com

Manche Probleme betreffen alle Branchen im Handwerk. Bürokratie und überbordende Berichtspflichten setzen jedem Betrieb zu. Hohe Energiekosten bereiten vielen Gewerken Sorgen, die Klimapolitik erscheint einigen Branchen praxisfern. Die Digitalisierung ist eine Herausforderung für alle Unternehmer und im personalintensiven Handwerk registriert man mit Unbehagen, dass Steuern und Sozialabgaben immer weiter steigen. Der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) hat bereits im Frühjahr die Erwartungen des Handwerks zur Bundestagswahl formuliert. Was aber wünschen sich die einzelnen Gewerke über diese allgemeinen Forderungen hinaus? Die DHZ hat sich umgehört in den Fachverbänden.

1. Arbeit an Sonntagen

Die Bäcker dringen darauf, bürokratisch überbordende Dokumentationspflichten kurzfristig auszusetzen oder ganz zu streichen. "Dabei muss auch die seit langem erhobene Forderung des Bäckerhandwerks umgesetzt werden, die zulässige Arbeitszeit in der Herstellung von Backwaren an Sonn- und Feiertagen auf acht Stunden auszuweiten", schrieb der Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks. Sorgen bereiten den Bäckern die gerade beschlossenen Klimaschutzziele: Sie seien grundsätzlich zu begrüßen, dürften aber für die Betriebe nicht zu wettbewerbsrelevanten Energie- und Investitionskosten führen, "die von ihnen nicht mehr bezahlt werden können".

2. Klimafreundlich bauen

Die Schreiner beklagen, dass klimafreundliches Bauen und Ausbauen mit Holz nach wie vor nur schleppend in Gang kommen. "Das liegt vor allem an ordnungspolitischen Hemmnissen, die dringend abgebaut werden müssen", so der Bundesverband Holz und Kunststoff (Tischler Schreiner Deutschland). Anreize zum Bauen mit Holz sollten erhöht werden – verbunden mit dem Ziel, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. "Die Prämisse muss sein, die Baupolitik stärker mit Klimaschutz und Energieeffizienz zu verknüpfen." Mit der richtigen Förderung sei ein Holzbauanteil von 30 Prozent bis 2030 realistisch.

3. Flexiblere Arbeitszeit

Als personalintensive Handwerksbranche wünschen sich die Gebäudereiniger bei den Arbeitszeiten mehr Flexibilität und kritisieren die starre 8-Stunden-Systematik des fast 30 Jahre alten Arbeitszeitgesetzes. "Viel einfacher wäre es, von einer täglichen auf eine wöchentliche Höchstarbeitszeit umzustellen, ohne den Schutz der Beschäftigten einzuschränken", schlägt der Bundesinnungsverband des Gebäude­reiniger-Handwerks (BIV) vor. Wichtig sei außerdem, bei den Sozialversicherungsbeiträgen für Stabilität zu sorgen. Die Sozialversicherungsgrenze gehöre dauerhaft auf 40 Prozent gedeckelt. 

4. Reform der Minijobs

Eine Reform der Minijobs fordern neben den Gebäudereinigern auch die Textilreiniger und die Friseure. Die Lösungsvorschläge reichen dabei von einer kompletten Abschaffung der Minijobs bis zur Anhebung und Dynamisierung der 450-Euro-Grenze. Die Textilreiniger beklagen außerdem Mehrkosten und immer höhere Anforderungen durch Sorgfaltspflichten entlang der Lieferkette und Nachhaltigkeitsvorgaben: "Die Anzahl der Normen ist in den vergangenen Jahren extrem angestiegen und für kleine Unternehmen kaum umsetzbar. Allein in unserer Branche sprechen wir von rund 300 bis 400 Normen", erklärt der Deutsche Textilreinigungs-Verband (DTV). Die Branche müsse in ihrer Bedeutung als kritische Infrastruktur anerkannt werden. "Ohne Wäschereien, ohne den Textilservice für Berufskleidung, persönliche Schutzausrüstung oder Bett- und OP-Wäsche würden die Kliniken, Pflegeheime oder auch Feuerwehren, Polizei oder Energieversorger nicht funktionieren", betont der DTV die Systemrelevanz.

5. Steuer niedrig halten

Wichtigste Forderung des Friseurhandwerks ist der ermäßigte Mehrwertsteuersatz von 7 Prozent, um die Mehr- und Überbelastung des Faktors Arbeit in dem personalintensiven Handwerk zu korrigieren. Nach den massiven Verlusten durch die Corona-Krise könne außerdem eine Erhöhung der Einkommensfreigrenze für selbstständige Betriebsinhaber helfen, das Eigenkapital der Betriebe wieder zu erhöhen. Diese Maßnahmen würden auch gegen die ausufernde Schwarzarbeit im Friseurhandwerk helfen, es bedürfe aber noch weitergehender Schritte der Politik und Verwaltung: "Schwarzarbeit ist kein Kavaliersdelikt, sondern bereitet vielen Betrieben im Friseurhandwerk ein ruinöses Umfeld", so der Zentralverband des Deutschen Friseurhandwerks.

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6. Kompetenz erweitern

Die Gesundheitshandwerke der Augenoptiker, Hörakustiker, Orthopädieschuhtechniker, Orthopädietechniker und Zahntechniker fordern in einem gemeinsamen Positionspapier eine Neujustierung der Gesundheitsberufe. Schon jetzt verfügten viele Betriebe über die Kompetenzen, um Folgeversorgungen von Patienten auch ohne ärztliche Verordnung sicherzustellen. Diese Kompetenzen sollten durch mehr gesetzlich geregelte Versorgungsverantwortung genutzt werden: "Nur so kann auf Versorgungslücken in ländlichen Räumen und auf den Alterswandel der Ärzteschaft reagiert werden", betonen die Gewerke. Für Hilfsmittel müsse künftig einheitlich der reduzierte Steuersatz angewandt werden, fordern sie weiter. Verbindliche Strukturen für Kollektivverträge zwischen Krankenkassen und den Spitzenverbänden der handwerklichen Leistungserbringer beziehungsweise den zugehörigen Körperschaften des öffentlichen Rechts seien nötig: "Wir fordern hierzu transparente Regelungen, die die wirtschaftlichen Kriterien für die Fortentwicklung der Festbeträge und die Leistungspreise für die Festlegung der Festzuschüsse mit Blick auf die betriebswirtschaftlichen Kostenentwicklungen widerspiegeln." Bis heute übernähmen die Kassen auch nur überaus unzureichend die Kosten für erhöhte Hygienemaßnahmen bei der Patientenversorgung infolge der Covid-19-Pandemie. "Die Gesundheitshandwerke fordern daher eine Verschärfung der bestehenden Regelung analog zu den Regelungen für Ärzte, Zahnärzte und Heilmittelerbringern."

7. Meisterpflicht einführen

Die Bestatter treiben zwei große Probleme um, deren Dringlichkeit in der Corona-Pandemie offenkundig geworden sei. So fordert der Bundesverband, dass im Zuge der Evaluierung der Handwerksordnung das Be­­stattungshandwerk erstmals meisterpflichtig wird und in der Handwerksrolle von der Kategorie B1 in die Kategorie A aufrückt. Der fachgerechte Umgang mit kontagiösen Verstorbenen und die einfühlsame Betreuung von trauernden Angehörigen bedürfte einer beruflichen Zugangsregelung. Außerdem müsse der Digitalisierungsgrad in öffentlichen Verwaltungen verbessert werden. Zum Jahreswechsel 2020/2021 habe sich gezeigt, dass bei einer hohen Übersterblichkeit die lange Bearbeitungsdauer zu einer Überlastung einzelner Krematorien führte. Das hätte bei einer digitalen Beurkundung des Sterbefalls durch die Standesämter vermieden werden können.

8. Sanierungsquote erhöhen

Um den Klimaschutz voranzubringen, schlagen die Dachdecker eine Energie-Effizienz-Behörde beim Bundeswirtschaftsministerium vor, die die Vergabe von Fördermitteln beschleunigen soll. Die Sanierungsquote im Ge­­bäudebestand müsse von bisher einem mindestens auf zwei, besser drei Prozent er­höht werden. Außerdem empfehlen die Dachdecker, dass Dächer vor der Installation von Photovoltaik-Anlagen unbedingt energetisch saniert werden sollten. Dafür regen sie im Rahmen eines "Eine-Million-Dächer-Sanierungsprogramms" eine Kombiförderung bis 2025 an. Weiterhin fordert der Zentralverband des Dachdeckerhandwerks die Rücknahme der Vorfälligkeit der Sozialversicherungsbeiträge, finanziell tragbare Entsorgungsmöglichkeiten und Maßnahmen für eine sichere Rohstoffversorgung.

9. Wärme dekarbonisieren

Die Schornsteinfeger erwarten laut ihres Bundesverbandes, dass die Dekarbonisierung der Wärmeerzeugung technologieoffen und sozialverträglich vollzogen wird. Mit mehr als 10.000 qualifizierten Energieberatern könnten sie mit niederschwelligen neutralen Beratungen helfen, Sanierungen anzustoßen und die Energieeinsparpotenziale im Gebäudebestand auszureizen. Die Förderpolitik müsse gestärkt und Programme müssen vereinfacht werden. Im Bereich der Nah- und Fernwärmekonzepte sei es notwendig, dass bei jeder Planung eine ideologiefreie Kosten-Nutzen-Abschätzung erfolgt, damit die jeweils effizienteste Technik zum Einsatz kommt. Zudem müsse im Brand- und Um­­weltschutz der Vollzug ge­setzlicher Vorgaben gestärkt werden.

10. Mehrweg fördern

Die Brauer fordern eine unbefristete Anwendung der "alten" Biersteuermengenstaffel mit ermäßigten Biersteuersätzen für kleine unabhängige Brauereien. So sollen Wettbewerbsnachteile kleiner Brauereien gegenüber Großkonzernen zumindest teilweise ausgeglichen werden Außerdem fordern die Brauer, die abfallvermeidenden und klimaschonenden Getränkemehrwegsysteme besser zu fördern und Maßnahmen zu ergreifen, um die Mehrwegzielquote von 70 Prozent im Verpackungsgesetz tatsächlich zu erreichen.

11. Beitrag zum Klimaschutz

Die Bauwirtschaft will ihren Beitrag zum Klimaschutz leisten: durch klimaneutralen Neubau und energetische Ertüchtigung sowie durch die Modernisierung der Wärmeversorgung von Bestandsbauten. Um die energetische Gebäudesanierung voranzutreiben, bedürfe es einer stärkeren Förderung von Einzelmaßnahmen. Sorgen macht sich das Verbändebündnis, zu dem 15 Partner aus der Bau- und Ausbaubranche zählen, dass der Staat nach dem Ende der Pandemie seine Investitionen zusammenstreichen könnte. Es sei von großer Bedeutung, Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur, den Wohnungsbau, den Klimaschutz, in die grüne Infrastruktur, aber auch in die Städtebauförderung aufrechtzuerhalten.

12. Altersgerechtes Wohnen

Der Zentralverband Sanitär Heizung Klima (ZVSHK) pocht auf realistische Lösungen für Alltagsprobleme. Die Sanierung alter Gebäude müsse endlich ein bedeutender Faktor der Klimaschutzanstrengungen werden. Dazu zähle auch die Einführung energetischer Mindeststandards für Bestandsgebäude. Unausgeschöpftes Potenzial sieht der ZVSHK, würden bestehende Wartungsverpflichtungen konsequent kontrolliert. Anlagenbetreiber sollten zur lückenlosen Wartung durch Fachbetriebe verpflichtet werden. Außerdem müsse die neue Regierung Rahmenbedingungen für altersgerechtes Wohnen setzen. Eine Sonderabschreibung für den Umbau von alters- bzw. pflegegerechte Bäder sei ebenso notwendig wie eine Übernahme der DIN "Barrierefreies Bauen" in die Musterbauordnung und Bauordnungen der Länder.

13. Normen auf den Prüfstand

Die Rollladenbauer fordern, mit dem Bürokatieabbau endlich Ernst zu machen. Standards und Normen sollten auf den Prüfstand gestellt und vor allem praxisgerechter werden. Die Arbeit des ZDH-Strategiekreises Normung weise den Weg in die richtige Richtung. Bedenklich sind aus Sicht der Rollladenbauer etwa Vorschläge für ein Sorgfaltspflichtengesetz, die zu einem erheblichen Wettbewerbsnachteil kleiner und mittlerer Betriebe führten. Helfen würde hingegen die Aufnahme der "kleinen Bauvorlageberechtigung" in die Musterbauordnung: Hierdurch könnten auch Handwerksmeister für Ein- und Zweifamilienhäuser und kleine Gewerbebauten bauvorlageberechtigt sein.

14. Sattler zurück in Anlage A

Der Zentralverband Raum und Ausstattung (ZVR) fordert, den Beruf des Sattlers wieder in die Anlage A der Handwerksordnung (HwO) aufzunehmen. Das Gewerk der Sattler erfülle sowohl die historischen Vorgaben als auch die Kriterien der Gefahrengeneigtheit. Betriebe ohne nachgewiesene Qualifikation sollten beispielsweise keine Arbeiten an Airbags durchführen dürfen. Die Ausbildung im Handwerk habe in der Gesellschaft einen hohen Stellenwert. Damit diese Ausbildungsleistung aufrechterhalten werden könne und die Attraktivität für junge Leute gesteigert werde, "müssen unsere Ausbildungsbetriebe finanziell unterstützt und unsere Bildungszentren aufgewertet werden."

15. Mehr Klimaschutz

Das Elektrohandwerk wünscht sich deutlich ambitioniertere Klimaziele. Dafür hat der Zentralverband der Deutschen Elektro- und Informationstechnischen Handwerke (ZVEH) unter dem Titel "Nachhaltig. Digital. Ökonomisch." eine eigene politische Agenda formuliert. Im Mittelpunkt stehen unter anderem der Ausbau der erneuerbaren Energien, die Gebäudetechnik und die dazugehörige Fachkräftesicherung. "Herausforderungen wie Digitalisierung, Energiewende und Klimaschutz sind nur zu bewältigen, wenn ausreichend qualifizierte Fachkräfte vorhanden sind", heißt es im Positionspapier. Außerdem fordert der ZVEH die Abschaffung der EEG-Umlage, um die Nutzung von Photovoltaik-Anlagen attraktiver zu machen. Um den Umstieg auf Elektromobilität weiter zu fördern, müsse auch der Ausbau der Ladeinfrastruktur und damit die Sanierung alter Elektroanlagen gefördert werden.

16. Mobilität frei wählen

Das Kfz-Gewerbe will keinen "ideologisch eingezwängten Individualverkehr". Bürgerinnen und Bürger müssten ihre Mobilitätsform individuell wählen können, ohne dass Fahrradfahrer, Autofahrer und ÖPNV-Benutzer gegen­einander ausgespielt würden, fordert der Zentralverband Deutsche Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK). Der Verband wehre sich auch gegen ein Zulassungsverbot von Neufahrzeugen mit Verbrennungsmotor, wie es von einigen EU-Ländern zum Jahr 2030 gefordert werde. Es dürfe weder ein direktes noch ein indirektes Verbot bestimmter Antriebstechnologien geben. Ein Tempolimit auf Autobahnen lehnt der ZDK ebenfalls ab. Der Verband möchte außerdem, dass die künftige Bundesregierung für faire Wettbewerbsbedingungen sorgt und das eigenverantwortliche unternehmerische Handeln der Autohäuser und Kfz-Werkstätten stärkt. Ein weiterer Kernpunkt der ZDK-Forderungen ist es, den Reformprozess der digitalen Fahrzeugzulassung um- und durchzusetzen. "Wir halten am Ziel fest, die Fahrzeugzulassung auch im Autohaus zu ermöglichen", heißt es vom Verband.

17. Priorität für Wasserstoff

Das Metallhandwerk fordert, dringend Lücken in den Lieferketten zu schließen. Als Zulieferer seien Metallbetriebe die Stützen der industriellen Produktion. Die Politik müsse die gerissenen Lieferketten durch Verhandlungen mit den europäischen und internationalen Partnern schließen und mittel- bis langfristig an Absicherungsmechanismen zur Verhinderung solcher Ausfälle arbeiten. Der Bundesverband Metall spricht sich außerdem dafür aus, Wasserstoff zuallererst für die Stahlherstellung einzusetzen. Der CO2-ausstoßende chemische Prozess könne nur durch dieses chemische Element ersetzt werden. Der in den nächsten Jahren voraussichtlich nicht in ausreichender Menge zur Verfügung stehende Wasserstoff müsse priorisiert für Prozesse eingesetzt werden, für die keine Alternativen bestehen. Finanzielle Unterstützung brauche es für die kapitalintensiven Betriebe der Feinwerkmechanik. Damit zum Beispiel die Digitalisierung gelinge, müssten die Investitionen in moderne Maschinen und die Weiterbildung der Belegschaften gefördert werden. Umgekehrt sollten Hilfskredite aus Pandemiezeiten nicht kurzfristig zurückgefordert werden. dhz