Plastikverpackungen geraten in die Kritik. Immer mehr Betriebe aus dem Lebensmittelhandwerk bieten Mehrweg-Boxen an – als Geschenk an die Stammkunden oder mit Pfand. Wie das im Fleischerhandwerk hygienesicher funktionieren kann. Zwei Berichte aus der täglichen Verpackungspraxis von Wurst und Fleisch.
Jana Tashina Wörrle

Der alltägliche Berg an Plastikabfällen, die allein durch die Wurst- und Fleischverpackungen aus dem eigenen Ladengeschäft anfiel, hat Kai Leonhardt erschreckt. "Manche Kunden wollten nicht nur eine Tüte um die Wurst, sondern gleich mehrere, damit im Einkaufskorb auch bloß alles sauber bleibt", erzählt der Fleischermeister. Tüten um Tüten gingen einst über die Theke und das wollte er dringend ändern – ohne seinen Kunden vor den Kopf zu stoßen.
Die Diskussion um das Zuviel an Plastik, an Verpackung und die dazugehörigen Abfälle bewegt mittlerweile viele Menschen – Lebensmitteleinzelhändler genauso wie deren Kunden. Statt weiter nur Wegwerfverpackungen anzubieten, kommen deshalb immer mehr Betriebe des Lebensmittelhandwerks dazu, Mehrweg-Systeme zu etablieren. Das funktioniert vielerorts schon sehr gut bei Coffee-to-go-Bechern und überzeugt nun auch viele Fleischer, eigene Konzepte zu entwickeln – trotz vermeintlich lebensmittelhygienischer Herausforderungen. Ausprobiert haben es auch Kai Leonhardt von der Fleischerei Martin aus Trier und Bernd Willmes von der Fleischerei Merte aus Schmallenberg im Sauerland.
Mehrweg auf Vertrauensbasis oder als Pfandsystem
Erste Erfolge bzw. sehr großes Interesse zeigte sich bei beiden erst über die sozialen Medien und dann auch in der Praxis. Bernd Willmes hat Anfang des Jahres erst einmal testweise Mehrwegboxen angeboten, doch schnell war klar, dass er sie beibehalten wird. Anregungen dazu kamen von den Kunden selbst. Seit März gehört ein dreiteiliges, stapelbares Boxenset fest zum Angebot der Metzgerei. "Wir geben die Boxen an unsere Stammkunden gratis ab", berichtet Bernd Willmes und ergänzt, dass er damit Investition im vierstelligen Bereich in Kauf genommen hat. "Finanziert haben wir das durch den zeitweisen Verzicht auf Werbung – in der Überzeugung, dass positive Resonanz ebenso gute Werbung ist."
Vor dem Start waren allerdings umfangreiche Abstimmungen mit dem Veterinäramt nötig und eine zielgerichtete Schulung der Fachverkäufer. Konkret läuft die Benutzung der Mehrweg-Boxen nun so ab, dass diese – oder auch andere Boxen oder Behälter von Kunden – zum Einkauf mitgebracht werden. Am Bedientresen finden die Kunden dann gekennzeichnete Tablette, auf die sie Ihre Mehrwegboxen stellen können. Die Metzgereimitarbeiter ermitteln dann das Leergewicht der Box und befüllen sie mit dem eingekauften Fleisch oder der Wurst. "Am Ende wird die Mehrwegbox durch den Kunden selbst verschlossen und vom Tablett genommen", erwähnt Bernd Willmes den vorgeschriebenen Ablauf. Die Boxen kommen – außer das Tablett, dass dann speziell gereinigt wird – nicht in den Kontakt mit dem Inventar der Fleischerei. Die Boxen wäscht der Kunde. Dabei setzt die Fleischerei Merte auf eine starke Vertrauensbasis – denn ob die Gratis-Boxen wirklich nur für die Fleisch- und Wurstwaren verwendet werden, kann Bernd Willmes nicht beeinflussen.
Mehrweg soll 70 Prozent an Plastikverpackung sparen

Kai Leonhardt hat sich stattdessen entschieden, seine Mehrwegboxen als Pfandsystem anzubieten. Wer bei ihm Wurst oder Fleisch kauft, kann zwischen Boxen in fünf verschiedenen Größen wählen. Dafür verlangt er zwischen acht und zwanzig Euro Pfand. Die Boxen spült er selbst in seinen Profi-Maschinen und so bekommt jeder Kunde bei jedem Fleischeinkauf eine frische Box von ihm. Wenn er denn möchte, denn ganz verbannen konnte Leonhardt die Plastikverpackungen noch nicht aus seinem Laden. "Mein Ziel sind 70 Prozent an Plastikverpackung, die wir sparen wollen", sagt er. Der Start mit den Pfandboxen war allerdings erst Anfang Juni.
Doch schon lange zuvor hat das Thema den Fleischermeister beschäftigt. "Ich habe lange nach passenden Boxen gesucht", sagt er. Denn herkömmliche Behälter aus Kunststoff wollte er nicht verwenden. Seine Ansprüche: Die Boxen sollen lange halten und die heißen Spülgänge problemlos überstehen, sie sollen mikrowellengeeignet sein und eingefroren werden können. Außerdem dürfen sie keine Weichmacher oder anderen schädlichen Stoffe enthalten. Ein Kollege aus Luxemburg hat ihm dann endlich den entscheidenden Hinweis gegeben. Nun hat der Fleischer Boxen gefunden, mit denen er sein Pfandsystem starten konnte. "Sie sind zu 100 Prozent recycelbar", freut er sich.
Mehrweg bietet Kai Leonhardt aber nicht nur seinen Kunden im Ladengeschäft an, sondern auch Restaurants und Kliniken, die er mit Fleischereiwaren versorgt – natürlich in Boxen in entsprechender Größe. Zwar ist für den Betrieb der Aufwand des Mehrwegsystems insgesamt höher als beim Einsatz von Einweg-Plastikverpackungen – "die nur wenige Cent kosten" – aber das Spülen und Lagern, das Gespräch mit den Kunden darüber und auch dass Kai Leonhardt nun nicht mehr die Bauchschmerzen beim Anblick der vielen Verpackungen hat, lohnt sich. Die Kunden sind zufrieden und auch einige andere Metzgereien haben sich schon gemeldet und wollen das Mehrweg-System zum Vorbild nehmen.