Der Kampf gegen die Müllberge aus Plastik hat begonnen. Es muss mehr recycelt werden. Dabei spielt der Bausektor eine wichtige Rolle. Hier ist schon mehr Recyclingmaterial im Einsatz als viele denken. Doch das genügt noch nicht.
Jana Tashina Wörrle

Die Neuausrichtung der Gewerbeabfallverordnung im Jahr 2017 hat dafür gesorgt, dass der Abfall auf Baustellen viel exakter getrennt werden muss. Seit Jahresbeginn 2019 schreibt das neue Verpackungsgesetz deutlich höhere Recyclingquoten für Kunststoffverpackungen vor und einen höheren Einsatz von umweltfreundlichen Materialien. Außerdem hat die EU-Kommission eine Kunststoffstrategie beschlossen und damit Ziele formuliert, um den Eintrag von Kunststoffen in die Umwelt zu reduzieren.
All das erhöht den Druck, dass endlich mehr Aktivität in das Reduzieren der immer stärker wachsenden Müllberge aus Plastik gesteckt wird. Außerdem können hohe Recyclingquoten helfen, CO2 einzusparen. So hat das Ökoinstitut für das Duale System Deutschland (DSD) ausgerechnet, dass das, was in Deutschland an Verpackungsmüll gesammelt und stofflich verwertet wird, die Umwelt um rund 1,9 Millionen Tonnen CO2 im Jahr entlastet. Nimmt man auch die Müllmengen dazu, die die Konkurrenzunternehmen des DSD einsammeln, kommen ganze 3,1 Millionen Tonnen CO2zusammen, die nicht ausgestoßen werden, berichtet faz.net. Franziska Krüger vom Umweltbundesamt ist der Meinung, dass wenn künftig außerdem mehr Investitionen in Sortier- und Recyclingkapazitäten gesteckt werden, der Ausbau der hiesigen Recyclingwirtschaft gute Chancen hat.
Dabei gerät auch in den Blick, dass noch mehr recycelt werden könnte, wenn die Produkte, die aus dem recycelten Material hergestellt werden, eine höhere Nachfrage erfahren. Denn beim Absatz der sogenannten Rezyklate stockt der Kreislauf. Zwar hat die EU bereits die Vorgabe bekannt gegeben, dass bis 2025 bei der Herstellung neuer PET-Flaschen ein Mindestanteil von 25 Prozent Recycling-PET eingesetzt werden soll. Doch in anderen Bereichen stehen derartige Quoten noch nicht zur Debatte, obwohl sie viel erreichen könnten. So fordert etwa der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Rohstoffwirtschaft (BDE), Peter Kurth, einen verpflichtenden Einsatz von Recyclingmaterial für die öffentliche Hand. Dazu gehören immerhin rund 3.0000 Einrichtungen, die regelmäßig auf Einkaufstour gehen und dabei ca. 350 Milliarden Euro ausgeben. Dies gesetzlich festzulegen, hat die Bundesregierung allerdings in ihrem Entwurf für ein neues Kreislaufwirtschaftsgesetz, der derzeit diskutiert wird, bislang verpasst. Das kritisiert Kurth gegenüber der FAZ. Er bezog seine Forderung explizit auch auf die Bauwirtschaft bzw. den Bau von öffentlichen Gebäuden.
Plastikmüll in Zahlen
Im Jahr 2017 fielen in Deutschland 6,2 Millionen Tonnen Kunststoffabfall an. In dieser Zahl stecken sowohl die Kunststoffabfälle von gewerblichen und privaten Verbrauchern (5,2 Millionen Tonnen) als auch Abfälle aus der Produktion und Verarbeitung bzw. der Industrie (eine Million Tonnen). Pro Bundesbürger kommen ca. 75 Kilogramm Kunststoffmüll pro Jahr zusammen, wobei 37 Kilogramm davon Verpackungen sind.
Die Kunststoffabfälle in Deutschland (ohne die Industrieabfälle) lassen sich nochmals genauer aufteilen und Branchen zuordnen. So machen 60 Prozent der Abfälle die Plastikverpackungen aus, 9,5 Prozent entstehen auf dem Bau, 5,9 Prozent im Bereich der Elektronik, 5,3 Prozent in der Landwirtschaft, 4,5 Prozent in der Fahrzeugbranche, 3 Prozent in den Haushalten und 12,5 Prozent in sonstigen Bereichen.
Nimmt man dabei wiederum den Verpackungsmüll heraus, zeigt sich, dass davon bislang nur rund die Hälfte (49,7 Prozent) recycelt wird. 50,1 Prozent werden verbrannt und 0,2 Prozent landen auf Deponien.
Quelle: Conversio/NABU
Beim Recycling von Kunststoffen und der Verwendung der daraus entstehenden Produkte spielt der Bau nämlich eine wesentliche Rolle. So ist der Bausektor der größte Abnehmer von Kunststoffrecyclaten. Die sogenannte Conversio-Studie zu Produktion, Verarbeitung und Verwertung von Kunststoffen aus dem Jahr 2017 zeigt, dass nach dem Verpackungssektor (rund 30,5 Prozent), der Bau zwar mit rund 24,5 Prozent den höchsten Einsatz von Kunststoffen hat. Aber gleichzeitig werden hier die große Mengen an Kunststoffrecyclaten verwendet – als Bauprodukte und Baumaterialien aus recycelten Kunststoffen. So bestehen 21,5 Prozent der eingesetzten Kunststoffe im Bausektor aus Recyclaten. In der Verpackungsbranche sind es im Vergleich nur 9,1 Prozent.
Doch der Einsatz von Recyclingprodukten auf dem Bau ließe sich dennoch stark steigern, wenn das Thema nicht so sehr mit Vorbehalten belegt wäre. So weiß Franziska Krüger von Firmen, die der Qualität und der Haltbarkeit von Baustoffen aus recyceltem Kunststoff nicht trauen.
Baustoffe aus Recyclingkunststoff haben schlechtes Image
Eingesetzt werden Bauprodukte aus Kunststoffmaterial häufig als Rohre oder Fenster, in Fußböden und als viele Kleinteile. Diese haben in der Regel eine sehr lange Lebens- bzw. Gebrauchsdauer. Laut der Consultic-Studie reicht diese von ca. 25 bis 30 Jahren für Fußböden, 40 bis 50 Jahren für Fenster bis zu mehr als 80 Jahren für Kunststoffrohre. Umso wichtiger ist den Firmen aber die Qualität. Dagegen wendet die UBA-Expertin ein: "Wegen der Vorbehalte, die in vielen Fällen unbegründet sind, wird bei vielen Produkten nicht kommuniziert, dass sie recyceltes Material enthalten." Das sei anders als beim Papier, wo die Herstellung zu 100 Prozent aus Altpapier schon ein Werbeargument sei.
So wäre es hilfreich, wenn auch die Baustoffe aus Kunststoff, der schon einmal im Einsatz war, ein anderes Image bekommen würden. Dann könnte auch offen damit umgegangen werden, wie hoch die eingesetzten Mengen bereits sind und "es könnte noch mehr verwendet werden", sagt Krüger. Ihrer Meinung nach sollten die Recycler und die Hersteller der Baumaterialien an dieser Stelle besser zusammenarbeiten und gemeinsam nach Möglichkeiten suchen, mehr Recyklat in den Produkten einsetzen zu können.
Helfen könnte dem Vorankommen auch, wenn der Einsatz der Kunststoffrecyclaten auf Baustellen eine Vorgabe in öffentlichen Ausschreibungen wäre. Zwar fordert das Kreislaufwirtschaftsgesetzt (§45) laut der UBA-Expertin bereits jetzt, dass geprüft werden müssen, ob es umweltfreundliche Varianten zu den herkömmlicherweise eingesetzten Baustoffen gibt, aber diese Verpflichtung wird kaum gelebt. Im Falle von recyklathaltigen Kunststoffprodukten hängt dies auch damit zusammen, dass häufig gar nicht bekannt ist, welche Produkte Recyklate enthalten und zu welchen Anteilen.
Neue Vorschriften für das Kunststoffrecycling selbst sind auch deshalb nicht so einfach umzusetzen wie etwa beim Glas oder Papier, da Kunststoff sehr vielfältig ist – es gibt schließlich zahlreiche verschiedene Kunststoffarten mit unterschiedlichen Eigenschaften und Verwertbarkeiten. Die Materialvielfalt, Materialkombinationen und verschiedenste Additive sind eine große Herausforderung für das Kunststoffrecycling. "Wichtig ist, dass sich Hersteller schon beim Produktdesign Gedanken über deren Lebensende machen und die Produkte möglichst recyclingfähig gestalten", sagt Krüger.
Plastikabfall vermeiden: Relevante rechtliche Vorgaben
Rechtliche Regelungen, die wichtig sind, damit Deutschland weniger Plastikmüll produziert und mehr Recyclingprodukte verwendet werden:
Mehr Recycling ist also politisch gewollt und möglich. Dennoch gibt es bei der derzeitigen Diskussion um den steigenden Plastikmüll auch Stimmen, die davor warnen, dass man bei der ganzen Debatte um mehr Recycling nicht vergessen dürfe, Plastik einzusparen. Nur so ließen sich die Einträge in die Umwelt wirklich reduzieren.
Forscher der University of California haben Zahlen vorgelegt, wonach weltweit seit den 1950er Jahren, als Plastik als Massenprodukt entdeckt wurde, 6,3 Milliarden Tonnen Plastikmüll produziert wurden. Nur ein kleiner Teil davon, etwa 29 Prozent, wurde recycelt oder verbrannt und vieles davon landete schon in den Meeren. Die Forschungsergebnisse besagen außerdem, dass bis zum Jahr 2050 ungefähr 34 Milliarden Tonnen Kunststoff produziert werden, wenn wir nicht weniger davon verbrauchen. Recycling sei deshalb nicht unbedingt die Lösung des Plastikproblems, da dieses die Entsorgung nur verzögere, aber nicht verhindere.
Auch Bio-Kunststoff kann der Umwelt schaden
Und auch biologisch abbaubarer Kunststoff – etwa aus Mais, Kartoffeln oder Zucker hergestellt – als Alternative zu normalem Plastik bringt Probleme mit sich. So weist das UBA darauf hin, dass sich biologisch abbaubarer Kunststoff nur unter bestimmten konstanten Bedingungen zersetzen kann, wie sie beispielsweise in industriellen Kompostierungsanlagen vorherrschen. In der freien Natur existieren diese konstanten Bedingungen jedoch nicht, so dass sich bioabbaubare Kunststoffe dort nicht oder nur sehr langsam zersetzen. Bis dahin können sie der Umwelt genauso schaden wie konventionelle Kunststoffe auch.
Plastiktüten-Verbot ab 2020 geplant
Um die Mengen an Plastikabfällen zu reduzieren, soll in Deutschland bald ein Verbot von Plastiktüten gelten. Medienberichten zufolge hat das Bundesumweltministerium einen Gesetzesentwurf erarbeitet, der die seit 2016 geltende freiwillige Vereinbarung mit dem Handel ablösen soll. Die Vereinbarung sieht vor, dass Tragetaschen aus Kunststoff nicht mehr oder nur noch kostenpflichtig angeboten werden. Doch es halten sich den Berichten zufolge zu wenige Händler daran.
Das Verbot soll ab dem Jahr 2020 greifen und für alle Plastiktüten gelten – auch für die aus biologisch abbaubarem Material. Ausgenommen sein sollen aber die dünnen Tütchen für Obst und Gemüse. Wie die Bild-Zeitung berichtet, sollen bei einem Verstoß gegen das Gesetz Geldstrafen von bis zu 100.000 Euro drohen.