Humor und Geschäftsideen in der Corona-Krise Kreative Krisenbewältigung: 12 Beispiele aus dem Handwerk

Klopapierrollen als Umsatz-Turbo, kreativ umgesetzte Hygienemaßnahmen und gänzlich neue Produktlinien – in den vergangenen Tagen überraschten einige Handwerksbetriebe mit Ideenreichtum, Geschäftssinn und Humor. Die Deutsche Handwerks Zeitung hat zwölf Beispiele zusammengetragen.

Max Frehner

Ein Dixi-Toilettenhäuschen mitten im Autohaus? Ein seltsamer Anblick, aber eine wichtige Maßnahme, um Kunden und Mitarbeiter vor dem Virus zu schützen. So gesehen im Autohaus Klaiber. - © Autohaus Klaiber

Das Ausmaß der Corona-Pandemie und die damit verbundenen Maßnahmen hat viele Handwerksunternehmer geschockt. Zahlreiche Betriebe fürchten seither um ihre Existenz, staatliche Hilfen entpuppen sich vielfach als unzureichend – und ein Ende des Ausnahmezustands ist vorerst nicht absehbar. Die Lage ist frustrierend – doch anstatt den Kopf in den Sand zu stecken, erwiesen sich viele Betriebe als reaktionsschnell, kreativ und flexibel. Einige Beispiele hat die Deutsche Handwerks Zeitung auf dieser Seite zusammengetragen. Eine Sammlung, die auch zeigt: Selbst in Krisenzeiten ist den Handwerkern ihre Solidarität, ihr Humor und Geschäftssinn nicht abhandengekommen.

Auch Handwerkskammern (etwa in Schwaben, beim Baden-Württembergischen Handwerkstag) und Fachverbände (wie die Bäcker) dokumentieren, mit welchen kreativen Ideen die Betriebe durch die Krise kommen.

Hygienemaßnahmen

1. Brötchen-Drive-In

© picture alliance/Philipp von Ditfurth/dpa

Not macht erfinderisch: Bei Bäckermeister Simon Fritz aus dem badischen Weil am Rhein können Kunden ihre Brötchen jetzt direkt im Auto entgegen nehmen. Für seine Bäckerei und Konditorei hat er einen Drive-in-Schalter gebaut. Durch das offene Fenster und eine Rutsche schubst Fritz die Waren direkt an das Autofenster. Bezahlt wird über einen improvisierten "Bezahlstock" – ein Besenstil, an dem vorn ein Trichter befestigt ist. Bestellen können Kunden direkt am Schalter oder vorab über Anruf, SMS oder WhatsApp.

Normalerweise mache er einen Großteil der Umsätze mit der Belieferung von Schulen und Kantinen, sagte Fritz der Deutschen Presseagentur (dpa). Diese Einnahmequellen fallen derzeit weg. "Wir haben 80 Prozent von unserem Umsatz verloren", bedauert der Bäckermeister. Die Resonanz auf den Drive-in-Schalter sei zum Glück gut. Dennoch reiche die aktuelle Lauf- oder besser gesagt "Fahrkundschaft" gerade so, damit sich der Betrieb über Wasser halten kann.

2. Kreative Hygieneschleuse im Autohaus

Der Autohandel ist derzeit untersagt, Werkstätten dürfen jedoch weiter geöffnet bleiben. Um das Ansteckungsrisiko beim Kundenkontakt zu minimieren, hat sich das Autohaus Klaiber aus dem baden-württembergischen Balgheim eine kreative Lösung einfallen lassen. Ein Toilettenhäuschen dient dort aktuell als Hygieneschleuse. Kunden müssen erst Händewaschen (das funktioniert dank Fuß-Pumpe kontaktlos), ehe sie vortreten dürfen. Klebestreifen und Infotafeln weisen dem Kunden den Weg. Auch weitere Kfz-Betriebe bewiesen Einfallsreichtum bei der Umsetzung der Hygienemaßnahmen, wie unsere Bildergalerie zeigt.

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    © Auto Billwiller
    In Zeiten von Corona lassen sich Windschutzscheiben nicht nur ins Auto einsetzen: Bei Auto Billwiller in Biberach, Baden-Württemberg, ist diese Scheibe zu einem kreativen Schutz umfunktioniert, der Kunden und Empfangsmitarbeiter auf sicheren Abstand hält.
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    © Autohaus Klaiber
    Wer das Autohaus Klaiber in Balgheim bei Freiburg betritt, kommt an diesem Schild nicht vorbei: Bevor die Kunden zum Serviceschalter gehen dürfen, werden sie dazu aufgefordert, die Hände zu waschen. Der Weg führt ...
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    © Autohaus Klaiber
    ... zu einem Dixi-Toilettenhäuschen mitten im Autohaus. Ein seltsamer Anblick, aber eine wichtige Maßnahme, um Kunden und Mitarbeiter vor dem Virus zu schützen.
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    © Autohaus Klaiber
    So funktioniert kontaktloses Händewaschen: Für einen noch besseren Schutz lässt sich die Fußpumpe nutzen.
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    © Autohaus Klaiber
    Genügend Seife und Desinfektionsmittel stehen im Toilettenhaus bereit. Mit sauberen Händen geht es für die Kunden weiter zur Abnahme.
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    © Autohaus Thoma
    Bei Rot stehen, bei Grün gehen: Im Autohaus Thoma in Sexau in Baden-Württemberg regelt eine selbstgebastelte Ampel im Eingangsbereich den Einlass.
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    © Autohaus Thoma
    Gesteuert wird die Ampel, bei der es sich um eine umfunktionierte LED-Lampe handelt, über eine Fernbedienung. Springt das Licht auf Grün, dürfen die Kunden zum Empfangstresen gehen.

3. Spuckschutz statt Autobezüge

Die Corona-Krise stellt auch zahlreiche Betriebe außerhalb des Handwerks vor Herausforderungen. So müssen etwa Einzelhandel, Apotheken und Arztpraxen ihr Personal, das täglich im Kontakt mit Kunden steht, vor Infektionen schützen. Die passende Lösung dazu liefert die Planen Wehner GmbH, eine Sattlerei aus Schweinfurt. Dort bestellen Kunden normalerweise Bezüge für Autositze, Lkw-Planen und Sonnensegel. Um die sieben Arbeitsplätze zu sichern, ist der Betrieb nun dazu übergegangen Folienglaswände in verschiedenen Varianten zu produzieren. Diese sollen an der Kasse oder am Empfang vor Tröpfcheninfektionen schützen. Erste Märkte habe die Sattlerei bereits ausgestattet – und auch im eigenen Betrieb kommt der Spuckschutz zum Einsatz. Ihr Trumpf seien ein gut gefülltes Lager und kurze Lieferzeiten, so Betriebsleiterin Anna Meusert.

4. Der Corona-Helm

© Aytekin Fußbodentechnik

Selbst ist der Handwerker – das dachte sich auch Alperen Aytekin von der Aytekin Fußbodentechnik GmbH im hessischen Griesheim. Da das Coronavirus durch Tröpfchen über die Luft oder über kontaminierte Hände auf die Schleimhäute übertragen wird, hat sich der Estrichlegermeister für sich und seine Mitarbeiter etwas einfallen lassen. Er fixierte an einen Schutzhelm ein transparentes Kunststoffglas. Der "Corona-Helm" soll Speichel abfangen und gleichzeitig verhindern, dass man sich mit ungewaschenen Händen ins Gesicht fasst. "Der Helm sei sehr leicht und extrem flexibel", freut sich Aytekin über seinen selbstgebastelten Fremd- und Eigenschutz.

Schutz- und Behelfsmasken

5. Behelfsmasken vom Maßschneider

Abendkleider, Tanzoutfits und jetzt auch Gesichtsmasken. Da im Atelier von Maßschneider Felix Flechtner derzeit keine Anproben möglich sind, nutzt er die Zeit, um Mund- und Nasenmasken aus Baumwolle zu nähen. Diese taugen zwar nicht für den medizinischen Bereich, verhindern jedoch, dass man sich in das Gesicht fasst. Zudem können sie andere schützen, wenn man selbst infiziert ist. Produziert wird auf Anfrage. "Ich möchte keinen Profit aus der Situation schlagen, sondern helfen", sagt Flechtner. Für alle, die wegen ihrer Arbeit täglich Kontakt mit Dritten haben, gibt es die Behelfsmasken zum Selbstkostenpreis. Der Maßschneider kann es finanziell aktuell noch verkraften, solidarisch zu sein. Er bezieht am Nürnberger Opernhaus ein sicheres Teilzeiteinkommen. Viele seiner Kollegen haben das nicht. Für sie ist das Nähen von Gesichtsmasken derzeit der letzte Strohhalm, an den sie sich klammern können. Mehr dazu lesen Sie hier .

6. Schutzmasken-Produktion im großen Stil

© Wrapping Solutions

Statt Innenraumverkleidungen für Pkw produziert Wrapping Solutions in Rosengarten bei Schwäbisch Hall jetzt Schutzmasken. Seit 23. März surren in der Werkhalle im Ortsteil Uttenhofen die Nähmaschinen. "Mit dem Beginn einer neuen Serienproduktion möchten wir unseren Beitrag zur Bekämpfung der Corona-Pandemie leisten", sagt Inhaber Wolfgang Schaller.

Bereits vor mehr als sechs Wochen, als sich in Italien ein Überschwappen der Pandemie von China nach Europa abzeichnete, hat sich der Autosattlermeister dazu entschlossen, eigene Schutzmasken zu entwickeln. Die Voraussetzungen in seinem Betrieb waren dafür ideal. So verfügt das Unternehmen über einen CNC-Cutter, der pro Tag bis zu 40.000 Masken zuschneiden kann. Zwei verschiedene Masken werden produziert. Eine Standardmaske, die Schutz vor Tröpfcheninfektionen bei grippalen Infekten und viralen Ansteckungskrankheiten bietet. Und eine zweilagige Maske mit Tasche für einen Filter, der stark gegen resistente Bakterien, Keime und Viren wirkt. Mehr dazu lesen Sie hier .

7. DIY-Gesichtsschutz vom Glasermeister

Auch bei der Glaserei Sterz aus dem niedersächsischen Langen ist neben der Produktion von "Hustenschutzscheiben" auch die von Gesichtsmasken angelaufen. "Die Lage ist ernst, aber Spaß muss sein", leitet Glasermeister Sven Sterz sein rund einminütiges Video auf Facebook ein. Aus der Schublade seiner Frau habe er sich einen BH geklaut. Diesen habe er anschließend halbiert und zu einem improvisierten Gesichtsschutz umfunktioniert. "Ich fummele mir nicht am Mund rum, das Ding ist waschbar und wir haben viel gelacht", freut sich Sterz über sein fertiges Werk, das er mit "Glas macht Spaß" beschriftet hat. Sein Video beendet er mit einer klaren Botschaft: "Aufgeben ist keine Option." Das komplette Video finden Sie hier.  

Klopapier

8. Metzger wirbt mit Toilettenpapier

Die bisherigen Gewinner der Corona-Krise sind bisher die Hersteller von Toilettenpapier. Hamsterkäufe beim Hygieneartikel haben den Absatz massiv erhöht. Von Februar zum März sei eine Steigerung um 700 Prozent zu verzeichnen gewesen, gab der Bundesverband des Deutschen Lebensmittelhandels bekannt. Stefan Braun, Geschäftsführer bei der Frischemetzgerei Braun in Schwabach machte sich diesen Ansturm zunutze. Er bot jedem seiner Kunden, der für mindestens 20 Euro einkaufte, eine Rolle Toilettenpapier gratis. Ganz ernst war die Aktion nicht gemeint. Er habe den Menschen nur den Spiegel vorhalten wollen. Bislang habe auch noch keiner eine Rolle gewollt, so Braun.

9. Mehr als 80 Handwerker zeigen eindrucksvoll: "Hamstern geht gar nicht"

© Screenshot: insta_llateur

Den Run auf das Klopapier nahm auch Installateurmeister Kristijan Cacic zum Anlass für eine außergewöhnliche Aktion. Er rief über seinen Instagram-Account dazu auf, ihm kurze Videoclips zuzusenden. Die Vorgabe: Eine Klopapierrolle muss ins Bild fliegen, der Gefilmte deutlich machen, dass er Hamsterkäufe daneben findet – und die Rolle anschließend wieder aus dem Bild fliegen. Der Effekt: Es wirkt als würden sich die Gefilmten die Klopapier gegenseitig zuwerfen. Die Resonanz war groß. Rund 80 Instagrammer aus dem Handwerk haben sich laut Cacic beteiligt. In mühsamer Schnittarbeit stückelte der Installateurmeister aus Berlin die Clips letztlich zu einem elfminütigen Video zusammen. Das Ergebnis wurde bislang rund 6.000 Mal aufgerufen. Hier geht´s zum Video.  

10. Konditor backt essbares Klopapier

Bäckermeister Tim Kortüm aus Dortmund sorgt für Nachschub bei der Mangelware. Mit Klopapier-Kuchen heitert der 36-Jährige seine Kunden auf. Zunächst habe er nicht mehr als nur einen Scherz machen wollen. Doch der runde Marmorkuchen, der mit weißem Fondant umwickelt ist und so einer Klopapierrolle sehr ähnelt, habe sofort reißenden Absatz gefunden: "Die ersten acht Exemplare waren in wenigen Minuten weg", sagte er der Presseagentur dpa. Inzwischen produziere er 200 "Rollen" pro Tag. Den Umsatz kann er gut gebrauchen. "Uns ist ja hier vieles weggebrochen: Keine Hochzeitstorten mehr, keine belegten Brötchen für Veranstaltungen."

Der Klopapier-Kuchen könne die Verluste nicht gänzlich auffangen. "Aber wenigstens haben meine Leute in der Backstube wieder zu tun", sagte Kortüm. Er beschäftigt 40 Mitarbeiter, die seit dem Ausbruch der Corona-Epidemie und den daher verhängten Beschränkungen des öffentlichen Lebens in großer Sorge um ihre Jobs seien.

Digitale Ersatzangebote

11. Fahrradkauf in Zeiten von Corona

Wer in Corona-Zeiten als stationärer Händler Fahrräder verkaufen möchte, hat es nicht leicht. Lediglich angeschlossene Werkstatt dürfen derzeit für Reparaturarbeiten geöffnet bleiben. Einige Fahrradläden gehen deshalb ungewöhnliche Wege. Seit Mitte März können sich Kunden virtuell per Videochat durch den Laden führen lassen. "Bei Interesse halte ich die Handykamera vor ein Detail des Fahrrads", sagte Geschäftsführerin Andrea Groll der Presseagentur dpa. So könne sich der Kunde ein konkretes Bild machen, ohne selbst anwesend zu sein und bekomme im Messenger-Gespräch zudem einen persönlichen Eindruck vom Verkäufer.

12. Konditorin organisiert Workshops und Live-Konzert mit ESC-Teilnehmer

© Screenshot: babobaker_konstanz

Mitte Januar reiste Konditormeisterin Anne Blatter nach London, um dort ihre Fähigkeiten noch weiter zu verfeinern. Eigentlich wäre sie dort noch immer, doch das Coronavirus zwang sie zur Heimreise nach Singen am Bodensee. Von dort aus lässt sie sich derzeit zur technischen Beraterin schulen. Ein Übergangsjob, um den sie froh ist – auch wenn er sie nicht erfüllt. Die Konditoreien in der Umgebung würden derzeit leider nicht einstellen.

Um wenigstens am Wochenende für Highlights zu sorgen, hatten ihr Freund und sie eine Idee. Sie organisierten für den 29. März eine Workshop-Reihe. Für diese trommelte sie Freunde und Bekannte virtuell zusammen und startete einen Aufruf über Instagram. Innerhalb einer Woche konnte sie zehn Mitstreiter für ihre Idee gewinnen – darunter auch Benjamin Dolic. Der Sänger wurde 2018 Zweiter bei "The Voice Germany" und sollte Deutschland dieses Jahr eigentlich beim Eurovision Song Contest vertreten. "Ich kenne seine Freundin. Und da der ESC abgesagt wurde, dachte ich mir, ach, dann hat er jetzt ja Zeit", sagte Blatter. Neben musikalischer Unterhaltung standen unter anderem eine Kinderbuchlesung, Kaffee- und Blumenkunst sowie Tipps und Tricks für Food-Fotografien auf dem Programm. Konditormeisterin Blatter selbst zeigte, wie eine Ostertorte dekoriert wird.  

Die Resonanz war groß. Knapp 500 Zuschauer hätten sich allein ihren Workshop live angesehen. "Das sind zehnmal so viel wie sonst", sagte Blatter. "Auch bei den anderen ging die Aktion ab wie Schnitzel", freut sie sich. Die Chancen auf Wiederholung stehen gut. "Vielleicht dann mit ein paar anderen Gesichtern – für mehr Abwechslung."

Mit Inhalten aus dpa