Holzplatten, Dachziegel oder Elektrobauteile – für kleine Baustellen oder Einzelaufträge genügt Handwerkern auch manchmal das Baumaterial, das bei anderen übriggeblieben ist. Lagerplatz ist oft rar und teuer. Online-Portale zum Handel von Materialresten sind immer gefragter – vor allem, wenn Baumaterial derart knapp und teuer ist wie derzeit.

Vor allem beschichtete Holzplatten waren ein Problem im Lager der Tischlerei Gilhaus. Zunächst wurde das Material für einen Kunden bestellt in ganz individueller Optik. Nachdem der Auftrag fertig war, blieb noch Werkstoff übrig – einwandfreies Material, zu schade zum Wegwerfen. So wanderte es ins Lager. Und das füllte sich immer mehr. Der individuelle Materialgeschmack fand so schnell kein weiteres Interesse.
"Halbe Platten, Platten mit Dekor oder mal auch ganze Pakete von MDF-Platten, die übrig sind, aber noch wie neu. Diesen noch einwandfreien Resten wollten wir eine Chance geben, weiter genutzt zu werden." Das erzählt Susann Witte, die Geschäftsführerin der Tischlerei in Jork nahe Hamburg. Mit dem "wir" meint sie aber nicht die Tischlerei an sich. Sie meint die GbR, die sie mit zwei anderen Mitstreitern gegründet hat, um die Online-Börse der Restholz-Freunde zu betreiben. Über die Plattform bietet zwar auch die Tischlerei Gilhaus die beschriebenen Materialreste an. Prinzipiell ist sie aber für alle holzverarbeitenden Handwerksbetriebe da – und deshalb von der Tischlerei unabhängig organisiert.
Materialreste von Baustellen und abgeschlossenen Aufträgen weiterverkaufen
Restholz-Freunde.de ist eine Handelsplattform, die gezielt diejenigen anspricht, die gut erhaltene Materialreste von Baustellen und abgeschlossenen Aufträgen anderen zur Verfügung stellen möchten. Zielgruppe sind gewerbliche Handwerker, aber auch private Bastler oder etwa Berufsschulen, die nur geringe Mengen an Baumaterial benötigen und dieses in der Börse günstig bekommen. So lauten typische Angebote in der Börse: "4 Pakete Furnier Nussbaum" oder "Spanplatte, schwer entflammbar mit beidseitig Kirschdekor". Manches Mal landen dort aber auch Anfragen wie die einer Tischlerei, die für das Gesellenstück der Auszubildenden nur 1,75 m2 Eichenfurnier sucht.
Bei den Restholzfreunden geht es – wie der Name schon sagt – um Materialreste vom holzverarbeitenden Gewerbe. Neben den Platten, Bodenbelägen, Brettern, Latten und Ähnlichem gehören aber auch Beschläge, Bänder, Türgriffe und Farben zu den angebotenen Baumaterialien. "Zwar müssen die Anbieter und Käufer bei den Farben darauf achten, dass diese nicht ewig haltbar sind, aber im Moment sind die besonders gefragt", berichtet Susann Witte. Farben sind eben meist auf Mineralölbasis, derzeit besonders teuer und manche auch nicht sofort verfügbar. "Die aktuelle Lage spielt Börsen wie unserer schon in die Hände", sagt die Websitebetreiberin. Sowohl die Lieferengpässe, die noch durch die Pandemie beeinflusst sind, als auch die Probleme durch den Krieg in der Ukraine sorgen für einen Mangel beim Baumaterial, der die Aufmerksamkeit stärker auch auf alternative Bezugswege lenkt.
Materialknappheit: Nachfrage nach Materialresten steigt
"Auch bei uns suchen Handwerker und andere dann nach Material, dass woanders gerade nicht verfügbar ist", berichtet Simon Schlögl von materialrest24.de. Auch er bietet auf seiner Plattform die Möglichkeit, Materialreste zu kaufen oder zu verkaufen. Dabei liegt der Fokus allerdings nicht auf Holzbaustoffen, sondern unbeschränkt auf dem gesamten Bauhandwerk. Simon Schlögl ist mit materialrest24.de schon einige Jahre aktiv und so konnte die Plattform auf mittlerweile rund 1.600 Handwerksbetriebe wachsen, die hier registriert sind und ihre Materialreste anbieten. "Tendenz steigend", sagt Schlögl, der sich natürlich über die Nachfrage freut, aber der dennoch die aktuelle Lage nicht bejubeln möchte.
"Der Materialmangel macht es Handwerksbetrieben dennoch oft schwer große Aufträge zu kalkulieren und auszuführen", sagt der gelernte Dachdecker. Für kleinere Aufträge, Reparaturaufträge im Bestand oder um Arbeiten fertig zu stellen, bei denen plötzlich Material fehlt, würde jetzt aber eben auch öfter als zuvor das Online-Angebot des Materialresteverkaufs genutzt. Besonders spürbar sei das bei allem, was Elektro-Bauteile betrifft, bei Dachziegeln und bei dem Material für das holzverarbeitende Gewerbe.
Dort sind es die schon beschriebenen Plattenwerkstoffe, deren Reste am meisten zum Verkauf stehen. "Am schnellsten verkauft, sind aber alle Produkte aus Echtholz – auch, wenn von ihnen weniger angeboten wird", berichtet Susann Witte. Auch die Plattform der Restholz-Freunde wächst stetig. Aber noch ist sie mit vergleichsweise viel geringeren Nutzerzahlen vertreten – dafür aber gezielter in ihrer Branche. Die Tischlerei-Mitarbeiterin sieht bei vielen Interessierten das Thema der Nachhaltigkeit als Antrieb an, sich mit Themen wie der Nutzung der Materialreste zu beschäftigen und das auch kommunizieren zu wollen. "Für die jüngeren Kunden und auch, wenn es darum geht neue Mitarbeiter zu finden, müssen sich Firmen heute mit zukunftsweisenden Themen zeigen", sagt sie. Dass sich Unternehmen mit Nachhaltigkeit beschäftigen, würden heute viele erwarten.
Statt Materialreste klein sägen: Fotos machen und online verkaufen
Außerdem berichtet Susann Witte, dass auch Kooperationen zwischen Handwerksbetrieben immer wichtiger werden – auch beim Thema des Materialverkaufs- und -einkaufs. Etwas mehr Zulauf erleben die Restholz-Freunde bisher aus städtischen Gebieten wie Hamburg. Und so wollen sie auch hier nun stärker für die Plattform werben. "Auf dem Land ist das Problem mit dem Lagerplatz nicht so drängend", fügt Witte als Erklärung hinzu.
Doch auch hier zeigt sich ein Problem, das alle betrifft – steigende Entsorgungskosten. "Da ist es doch umso mehr schade, wenn man noch nutzbares Material einfach wegwirft statt es anderen anzubieten – vielleicht sogar kostenlos." Sie fügt hinzu, dass sich jeder Betrieb, der einem Mitarbeiter die Aufgabe gibt, Materialreste klein zu sägen und in Mülltonnen zu werfen, überlegen sollte, ob die Zeit nicht besser investiert wäre, wenn er stattdessen Fotos macht und kurze Anzeigentexte schreibt. Der Aufwand sei viel geringer als viele denken.
Natürlich soll aber niemand auf die Idee kommen, die Plattform zu nutzen, um seinen Müll anderen anzudrehen. Sowohl Susann Witte als auch Simon Schlögl berichten aber, dass sie bisher nicht erlebt haben, dass dies geschieht. Beide Portalbetreiber haben sich aber rechtlich abgesichert. Sie bieten mit Restholz-Freunde.de und materialrest24.de nur die Plattformen für Verkäufer und Käufer. Diese haften selbst dafür, dass sie keinen Schrott anbieten und die Bezahlung korrekt abläuft. "Wir prüfen die Gewerbeanmeldung bei der Registrierung der Händler und die Verkaufsaktion an sich organisieren diese dann selbstständig", sagt Schlögl. "Da bei uns meist sehr große, schwere Materialpakete gehandelt werden, holen die Käufer meist alles vor Ort ab. Dann können sie die Materialrest begutachten und auch die Bezahlung wird dabei geregelt", erzählt Witte. Die Plattformen dienen quasi nur als Vermittler. Sie bekommen keine Provisionen. Der Verkaufs- und Bezahlvorgang läuft direkt zwischen den Käufern und Verkäufern.