Künstliche Intelligenz (KI) KI in der Backstube: "Mit uns ist jeder Filialleiter eine Petra"

Jedes fünfte Brot landet im Müll, ohne je die Ladentheke verlassen zu haben: Mit Künstlicher Intelligenz sagt die "BäckerAI" der Lebensmittelverschwendung den Kampf an. Wie ihre Technologie funktioniert – und für wen sie sich eignet.

Bäcker, Kunden und die Umwelt freuen sich über die Unterstützung, die Künstliche Intelligenz liefert. - © wavebreak3 - stock.adobe.com

Drei ehemalige Wirtschaftsstudenten der Universität Würzburg möchten mit ihrem Start-up gleich drei Probleme von Bäckereien lösen: die ständige Warenverfügbarkeit, die immense Lebensmittelverschwendung und die Kostenoptimierung.

"Künstliche Intelligenz (KI) hilft, dass der Kunde um zehn Uhr morgens noch ein Croissant bekommt, nichts weggeschmissen werden muss und der Bäcker am Ende des Tages mehr Gewinn macht", sagt Franz Seubert von "BäckerAI". Im Handwerk ist sein Konzept bereits angekommen. Die Bäckerei Förch aus dem baden-württembergischen Erlenbach backt ihre Brote seit kurzem mithilfe von KI. "Mein Bruder ist in einem Zeitungsartikel auf das Start-up gestoßen und uns hat die Möglichkeit der Abfallreduzierung von Beginn an begeistert.", so Geschäftsführerin Rita Gosch.

Künstliche Intelligenz, oder auch "artificial intelligence" (abgekürzt "A.I.", deshalb auch "BäckerAI"), sei in ihrem Fall vereinfacht gesagt ein Programm, dass in zufällig wirkenden Entscheidungen wie dem morgendlichen Brötchenkauf, versucht ein Muster zu erkennen, erklärt Seubert. Seine zwei Mitgründer haben im Rahmen ihrer Promotion den Code für ein Programm geschrieben, das mit jedem gängigen Warenwirtschaftssystem kompatibel sei.

Wie die Künstliche Intelligenz der BäckerAI funktioniert

Ihr Programm übersetzt den Standort der Filiale in Längen- und Breitengrade, von hier an läuft alles automatisch. Es berücksichtigt lokale Schulferien, historische Wetterdaten der nächstgelegenen Wetterstation und saisonale Klassiker, wie den Berliner zu Silvester. Aber auch die Bestellungen von letzter Woche und aktuelle Angebote. Anhand dieser Daten kalkuliert es die benötigte Anzahl von Backwaren.

"Diese Daten wären zu komplex für einen Menschen, um sich damit auseinanderzusetzen. Der Computer hat aber kein Problem damit", so Seubert. Nur einzelne Angaben müssten noch händisch ergänzt werden, wie etwa der Termin des lokalen Feuerwehrfestes oder auch ein Signature-Produkt, das auf gar keinen Fall ausgehen soll. Dass mit der KI überhaupt keine Backwaren mehr zu viel oder zu wenig zu produzieren werden, sei utopisch. Doch immerhin bliebe dann ein Produkt übrig, in das weniger Produktionskosten geflossen sind, so Seubert.

Warenkalkulation bei mehreren Standorten schwierig

"Natürlich entwickelt jeder Bäcker im Laufe seines Berufslebens ein gewisses Gespür für seine Kunden“, sagt er. "Die Bäckereifachverkäuferin Petra mit 20 Jahren Berufserfahrung kennt jeden Kunden beim Namen und kann ihm seine Tüte eigentlich auch schon zusammenstellen, bevor er durch die Tür kommt.“

Sobald jedoch weitere Verkaufsstationen dazu kommen, wird die Kalkulation schon schwieriger. Die Bäckerei Förch stellt sämtliche Produkte von Hand her und verteilt es auf ihre 15 Verkaufsstellen. "Wir haben circa 120 Mitarbeiter, die Abstimmung der Filialen war für uns eine große Herausforderung", berichtet Geschäftsführerin Gosch. Die KI von BäckerAI helfe ihr, die Transporter mit der richtigen Menge an Backwaren zu befüllen. Oder wie Seubert es formuliert: "Mit uns ist jeder Filialleiter eine Petra." Seinen Kunden verspricht er rund 30 Prozent weniger Abfall.

Halbes Jahr bis zur Inbetriebnahme

Für Gosch kam die Lösung gerade richtig, sie hatte sich schon vorher über KI schlau gemacht: "Daher wussten wir direkt, wie diese arbeitet und hatten schon eine Vorstellung davon, welche Kennzahlen und Umweltfaktoren in die Bestellvorschläge miteinfließen."

Völlig reibungslos sei die Integration aber nicht abgelaufen. "Da wir mit einem nicht bäckertypischen Kassensystem arbeiten, hat die Entwicklungsphase ein gutes halbes Jahr gedauert, da es viele Komplikationen mit den Schnittstellen gab“, sagt Gosch. Auch deshalb lobt sie den Einsatz des BäckerAI-Teams, das sich um alle Probleme gekümmert habe und die Schnittstellen letztlich zum Laufen gebracht hat.

250 Kilogramm im Monat weniger Backwaren für den Müll

Da die Bäckerei Forch erst seit ein paar Wochen Bestellvorschläge von der KI erhält, kann Gosch noch keine verlässlichen Zahlen nennen, "aber wir konnten im Vergleich zum Vormonat bereits 250 Kilogramm Backwaren an Retouren einsparen. Die Retourenquote ist im Schnitt um 2,13 Prozent gesunken." Gleichzeitig unterstütze die BäckerAI dabei, die Warenverfügbarkeit bei lukrativen Produkten zu erhöhen.

Mit ihrer Lösung richtet sich die BäckerAI vor allem an Betriebe mit mehreren Filialen. Das liegt zum einen daran, dass die Daten mit einer wachsenden Anzahl von Filialen zuverlässiger werden und zum anderen, dass ihr Angebot auf die einzelne Filiale gerechnet günstiger wird.

Mehr Mut zur Digitalisierung

Das trifft bei der Bäckerei Förch zu. Gosch ist glücklich über die Unterstützung, die ihr die KI liefert. Eine Herausforderung blieben jedoch die vielen Ausnahmen und Sonderfälle, die ein Handwerksbetrieb mit speziellen Kundenwünschen produziert. Die könne kein System so genau erfassen, da es sich um keine Regelmäßigkeiten handelt.

Insgesamt rät Gosch dem Bäckerhandwerk zu mehr Offenheit und Mut neuen Technologien gegenüber. "Tradition, Handwerk, Fortschritt und Digitalisierung schließen einander nicht aus, sondern bedingen einander."