Stellenanzeigen mit Humor, konstruktive Feedbackgespräche und flexible Arbeitszeitmodelle: Für die Fachkräftegewinnung müssen Unternehmen heutzutage kreativ werden. Das Stichwort hierfür lautet "nachhaltige Begeisterung". Doch wie kann die gelingen?

Michael Hampel, der über 30 Jahre Erfahrung im Management sowie als Berater hat, plädiert für nachhaltige Begeisterung und weiß: "Das klingt erst einmal wie ein hohles Schlagwort, doch es lässt sich durchaus mit Leben füllen." Seiner Erfahrung nach ist dafür Enthusiasmus in der Führungsmannschaft die beste Garantie. Wenn die nur irgendwie und möglichst schnell Lücken schließen wolle, dann funktioniere weder das Gewinnen noch das Halten fähiger Mitarbeiter. "Wer aber selbst für das Unternehmen brennt, der strahlt das aus – und das ist enorm attraktiv gerade für die junge Generation, die am Arbeitsplatz nach Sinn sucht und Spaß haben will."
Bei der Stellenausschreibung
Wie aber sieht das Begeistern nun ganz konkret aus? Beginnen sollte es schon bei der Stellenanzeige: "Ich rate dazu, sich auf die aller wichtigsten Kompetenzen zu beschränken. Ellenlange Aufzählungen schrecken eher ab und die Eier legende Wollmilchsau gibt es ja ohnehin nicht", sagt Hampel.
Das Wording muss zur Zielgruppe passen. Mit 08/15-Formulierungen falle ein Unternehmen nicht auf, Herausstechen aus der Masse sei aber heute mitentscheidend für den Erfolg. Wenn dabei mit Witz und Charme auch ein Teil der Kultur des Unternehmens transportiert wird, "zieht das potenzielle Bewerber fast automatisch an und animiert sie dazu, Kontakt aufzunehmen", so Hampel. Die Menschen müssen dort abgeholt werden, wo sie sich befinden. Unternehmen sollten deshalb auf dem Laufenden bleiben, welche Plattformen und Sozialen Medien gerade bei Stellensuchenden angesagt sind. Auf den Einwand, das sei doch letztlich egal, Hauptsache es melde sich ein geeigneter Kandidat, entgegnet Hampel: "Es ist nicht egal, denn in den Köpfen bleibt haften, wie viel Gehirnschmalz jemand in eine Stellenanzeige gesteckt hat. Wer so umworben wurde, wie er sich das wünscht, der tritt seine neue Stelle mit großer Wahrscheinlichkeit tatsächlich an – und das mit dem Willen, länger zu bleiben."
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Vor dem ersten Arbeitstag
Mehr als eine unvermeidbare Wartezeit sind laut Hampel die Wochen oder Monate von der Vertragsunterschrift bis zum ersten Arbeitstag. "Verlieren Sie nicht den Kontakt zu dem Neuen, schicken Sie ihm zum Beispiel News zum Unternehmen oder ein Foto vom schon eingerichteten Arbeitsplatz. Das motiviert enorm." Sinnvoll sei es auch, dabei zu helfen, noch fehlende Kenntnisse und Kompetenzen zu erwerben. "Warum nicht der neuen Mitarbeiterin schon vor Arbeitsantritt eine Fortbildung, etwa über ein Webinar, schenken?"
Auch die Neuen zu einem Meeting oder einer Firmenfeier einzuladen, lässt die Integration frühzeitig beginnen. "Persönliche Kontakte bedeuten den meisten mindestens genauso viel wie spannende Aufgaben", so Hampels Erfahrung. Und zu einem optimalen Preboarding zähle auch Unterstützung beim Einleben am neuen Wohnort, sollte der Neue oder die Neue aus einer anderen Stadt zuziehen. Hampel: "Oft zieht ja eine Familie mit, wird ein Kindergartenplatz gebraucht oder Informationen über die Schulen vor Ort – und in jedem Fall eine Wohnung, was heute in vielen Regionen enorm schwierig ist."
"Sind die Neuen dann an Bord, dann bitte nicht nachlassen", so Hampel weiter. Nachhaltig begeistern heiße eben, das wirklich dauerhaft zu tun. Wird am ersten Arbeitstag ein klarer Tagesablauf präsentiert und der neue Mitarbeiter mit einem kleinen Willkommensgruß am Arbeitsplatz überrascht, begeistert ihn das von Anfang an.
In den ersten Wochen
Die allermeisten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer werden auch von Wettbewerbern umworben. "Ähnlich wie in einer Partnerschaft muss man deshalb kontinuierlich an der "Beziehung" arbeiten." Während der ersten Wochen etwa fühlen sich viele unsicher und freuen sich über ein strukturiertes Onboarding, das ihnen schnell das wichtigste Wissen vermittelt.
Kommen dazu regelmäßige Feedback-Gespräche mit konstruktiven Tipps und Anregungen sowie ehrlichem und begründetem Lob, wird die Meinung des neuen Mitarbeiters eingefordert und ernstgenommen, gibt es flexible Arbeitszeitmodelle und werden Aufstiegschancen angeboten, sollte eine langfristige Bindung wahrscheinlich sein. Das habe zudem den Effekt, dass das Unternehmen weiterempfohlen wird – ein nicht zu überschätzender Faktor, denn morgen wird Personal eher noch mehr fehlen als heute. gsa