"Wir zahlen nach Tarif", "Ihr Gesamteindruck zählt" oder "Wir freuen uns über Deine aussagekräftige Bewerbung". Diese abgedroschenen Sätze sollten Handwerksbetriebe aus ihren Stellenanzeigen streichen. Warum? Das erklärt eine Expertin für Azubi-Recruiting. Welche Formulierungen im Handwerk stattdessen ziehen.

"Hast Du Lust, Dich dreckig zu machen?"
"Du kannst mit Werkzeug umgehen, musst nicht alle drei Minuten eine WhatsApp schreiben, Facebook checken, beherrschst die Grundrechenarten und kannst Dich gut verständigen?"
"Du kannst Dir vorstellen, mindestens fünfmal die Woche zu arbeiten, ohne gleich an Burnout zu erkranken?"
Die BMG Santec GmbH hat mit diesen Formulierungen zahlreiche Bewerberinnen und Bewerber auf sich aufmerksam gemacht. Und nicht nur das: fünf neue Mitarbeiter, zwei Auszubildende und eine Praktikantin konnte der Betrieb in Hamm auch dank seiner Stellenanzeigen für sich gewinnen. "Wir sind schon lange weg von den klassisch getexteten Stellenanzeigen", sagt Katja Lilu Melder. Sie ist die Geschäftsführende Gesellschafterin des Bauunternehmens, das auf Gefahrstoffsanierung, Entkernung und Rückbau im Bestand spezialisiert ist. "Wir sind sehr klar in unserer Kommunikation und auch unsere Stellenanzeigen sind frech und forsch geschrieben. Nicht alle Leute mögen das. Aber man muss die jungen Leute irgendwie auf sich aufmerksam und ihnen Lust am Job machen", erklärt Melder.
Felicia Ullrich sieht das ähnlich. Sie weiß: Leere Worthülsen, Fachbegriffe und überschwängliche Lobpreisungen des eigenen Handwerksbetriebes ziehen bei jungen Menschen nicht mehr. "Auch wenn Stellenanzeigen schon lange totgesagt wurden, sind sie heute noch der Hauptkontaktpunkt zwischen Unternehmen und Bewerberinnen und Bewerber. Aber sie müssen anders sein als früher", weiß die zertifizierte Trainerin und Expertin für gutes Azubi Recruiting. Welche Formulierungen in Stellenanzeigen sind überholt? Und was sollte unbedingt drinstehen, um die jungen Menschen von sich zu überzeugen? Elf No-Gos und wie man es besser macht:
1. No-Go: Nicht der Bewerber, sondern das Unternehmen steht im Mittelpunkt
"Der Handwerksbetrieb XYZ wurde 1999 gegründet. Heute ist die Firma XYZ die Nr. 1, wenn es um individuelle Lösungen für moderne … geht." So oder so ähnlichen starten typische Stellenanzeigen. Sie alle haben gemeinsam, dass sie das Unternehmen in den Mittelpunkt stellen. Ein No-Go, findet Felicia Ullrich. "Es gibt ganz klar einen Arbeitnehmermarkt. In der Stellenanzeige darüber zu reden, 'was für tolle Hechte wir sind', ist definitiv nicht mehr angesagt."
Besser: Wichtig ist, dass der Bewerber auf dem ersten Blick erkennt: Was ist für ihn drin, wenn er sich auf den Job bewirbt? Und: Warum sind gerade Sie als Arbeitgeber attraktiv? Was hebt Sie vom Mitbewerber ab, der ebenfalls um neue Mitarbeiter buhlt? (Was das beispielhaft sein kann, erfahren Sie im nächsten Punkt.)
2. No-Go: Die Stellenanzeige orientiert sich nicht an dem, was die jungen Menschen wollen
Wer eine Stellenzeige so textet, dass sie sich sowohl an die Fachkraft als auch an den Berufsanfänger richtet, wird wohl kaum Erfolg haben.
Besser: Eine Stellenanzeige, die sich an Berufsanfänger richtet, hat laut Ullrich zwei Funktionen. Einerseits muss sie Orientierung bieten, welche Fähigkeiten für den Job benötigt werden. Außerdem muss sie Lust darauf machen, für genau diesen Betrieb arbeiten zu wollen. Damit Letzteres gelingt, sollten Sie die "Schmerzpunkte" junger Menschen ansprechen, rät die Expertin. Dabei geht es darum, die speziellen Wünsche und Bedürfnisse der Jugendlichen in der Stellenanzeige zu benennen. Welche können das sein?
Beispiele:
- Die Jugendlichen haben die Sorge, dass sie neben der Arbeit kaum noch Zeit für sich, ihre Familie oder Freunde haben. Indem Sie zum Beispiel in die Stellenanzeige schreiben, dass bei Ihnen nicht am Wochenende gearbeitet wird, die Azubis jeden Tag pünktlich um 16 Uhr Feierabend machen dürfen oder bei Ihnen an nur vier Tagen in der Woche gearbeitet wird, greifen Sie genau diese Befürchtung auf und bieten eine attraktive Lösung an.
- Die Jugendlichen haben Zukunftssorgen und wünschen sich eine sichere berufliche Perspektive. Deshalb steht in der Stellenanzeige: "Ausbildung mit Übernahmegarantie".
"Am besten sollten Sie sich gleich noch Gedanken darüber machen, warum Ihr Angebot besser ist, als das vom Mitbewerber", sagt Ullrich. Ist Ihr Handwerksbetrieb vielleicht der Innovativste, der Familienfreundlichste, der Diverseste oder der mit den coolsten Projekten? Dann sollte auch das unbedingt in der Stellenanzeige herausgestellt werden.
>>> Tipp
Welche "Schmerzpunkte" Jugendliche heutzutage haben, finden Arbeitgeber am besten heraus, wenn sie die Zielgruppe direkt befragen. Der Tipp der Expertin: Sprechen Sie mit Ihren Azubis, Ihren Kindern oder Jugendlichen aus dem Bekanntenkreis, und fragen Sie, was sie sich von dem perfekten Arbeitgeber wünschen.
3. No-Go: Der Text ist langweilig geschrieben
Die immer gleichen Standardsätze in der Bewerbung erzeugen bei Niemandem Aufmerksamkeit.
Besser: Wie in den oben genannten Beispielformulierungen der BMG Santec GmbH dürfen Arbeitgeber auch mal frech, witzig, mutig und vor allem einzigartig sein. "Es darf aber nie peinlich werden", warnt Ullrich. Ihre Grundlagen-Tipps für gut getextete Stellenanzeigen:
- Der Leser wird direkt angesprochen, zum Beispiel: "Hast Du..."
- Keine Fachbegriffe, denn die verstehen Berufsanfänger in der Regel nicht
- Die Sprache sollte möglichst einfach sein, dafür die Sätze kurz halten und Füllwörter vermeiden
- Bildhafte und emotionale Sprache kommt gut bei jungen Menschen an
4. No-Go: Es wurde komplett abgeschrieben
Ein noch größeres "Vergehen" ist es, die Stellenanzeige einfach beim Mitbewerber oder der Arbeitsagentur abzuschreiben – vor allem, wenn diese im Internet veröffentlicht wird. Der Grund: "Google stuft dies als 'Duplicate Content' ab und bestraft das", erklärt Ullrich. Die Folge: Die Chance, dass ein Bewerber die Anzeige unter die Augen bekommt, sinkt deutlich.
Besser: Nur wer einzigartige Texte schreibt, fällt auch auf (siehe Punkt 3).
5. No-Go: Es werden keine Rahmenbedingungen aufgezählt
Formulierungen wie "Wir zahlen nach Tarif" oder "Wir bieten eine faire Ausbildungsvergütung" wecken bei Berufsanfängern kein Interesse. "Was fair oder tariflich ist, können Jugendlichen nicht fassen. Deshalb sollte in der Stellenanzeige stets in Euro stehen, was gezahlt wird", sagt Felicia Ullrich.
Besser: Eine gute Stellenanzeige nennt alle Rahmenbedingungen des Jobs – und das konkret. Dazu gehören auch die genauen Arbeitszeiten, die Anzahl der Urlaubstage und die Höhe der Vergütung.
6. No-Go: Die Stellenanzeige ist nicht konkret
"Du solltest teamfähig sein." oder "Sie sollten durch Ihren Gesamteindruck überzeugen." Das sind zwei Beispiele nichtssagender Floskeln in Stellenanzeigen. Ullrich: "Was bedeutet es, teamfähig zu sein? Und wer würde schon von sich behaupten, dass er nicht teamfähig ist? Aussagen wie diese bieten dem Bewerber null Orientierung."
Besser: Seien Sie so konkret wie möglich. Wenn Ihnen Teamfähigkeit wichtig ist, dann beschreiben Sie lieber, was Sie darunter verstehen. Zum Beispiel: "Du findest lieber gemeinsam mit Deinen Kolleginnen und Kollegen Lösungen auf dem Bau, statt allein vorm PC vor Dich hinzubrüten?"
7. No-Go: Die Jobbeschreibung ist beliebig
"Metallbauer/innen fertigen Bauteile aus Stahl und befassen sich auch sonst mit allen Arten der Mentalkonstruktion." Diese Jobbeschreibung ist ziemlich allgemeingültig.
Besser: Ullrich rät, in der Stellenbeschreibung nicht den Beruf an sich in den Mittelpunkt zu stellen. Beschreiben Sie stattdessen lebendig die Tätigkeiten, die der künftige Azubi in Ihrem Betrieb ausführen wird. Und benennen Sie auch die Qualifikationen und Voraussetzungen, die zur Ausübung des Jobs relevant sind. Das bietet dem Jugendlichen Orientierung. "Für eine Ausbildung im Elektrikerhandwerk kann zum Beispiel eine Rot-Grün-Schwäche hinderlich sein", erklärt die zertifizierte Trainerin exemplarisch.
8. No-Go: Die Gestaltung der Stellenanzeige ist nicht ansprechend
Die Stellenanzeige besteht aus einem ellenlangen Fließtext, geschmückt von einem Bild der Firmenzentrale oder des Firmentransporters.
Besser: Die Stellenanzeige ist auch durch ihr gut strukturiertes Layout und ein ansprechendes Bild einen zweiten Blick wert.
- Layout: Ullrich empfiehlt beim Aufbau einer Stellenanzeige einen Mix aus Fließtext und Bullet Points. "Ein Einstieg als Fließtext wirkt charmanter, Bullet Points hingegen sind für den Leser schneller zu erfassen. Hier können zum Beispiel die Benefits des Jobs aufgezählt werden." Zudem sollten die wichtigsten Informationen in der Stellenanzeige oben stehen, da diese noch am ehesten gelesen werden.
- Bilder: Auch bei der Bildauswahl ist Obacht angesagt. Am besten funktionieren hier Menschen, so Ullrich. "Und zwar ein echter Mitarbeiter oder eine echte Mitarbeiterin, nicht irgendein Stockfoto. Am besten sollte es jemand mit einem sympathischen Lachen sein", so die Expertin. Hierbei könnten Arbeitgeber auch auf Diversität achten. Das komme bei jungen Menschen gut an. "Es geht nicht nur um die Hautfarbe oder das Geschlecht, sondern es darf zum Beispiel auch mal jemand sein, der tätowiert ist. Das zeigt, dass der Arbeitgeber tolerant ist."
9. No-Go: Der Bewerber weiß nicht, wo er seine Bewerbungsunterlagen einreichen soll
"Wir freuen uns über Ihre aussagekräftige Bewerbung." Auch das ist ein Satz, der wenig konkret ist.
Besser: "Wenn ich irgendetwas vom Bewerber haben will, muss ich genau schreiben, was das sein soll. Und ich muss schreiben, wie ich es haben will", sagt Ullrich. "Im besten Fall enthält die Anzeige einen sogenannten 'Call to Action'-Button, auf dem draufsteht: 'Bewirb Dich jetzt'. Klickt der Jugendliche drauf, kommt er direkt zu einem Formular, über das er sich bewerben kann." Auch der Kontakt über WhatsApp oder E-Mail ist möglich. Das Telefon sei aber keine gute Wahl, so Ullrich: "Anrufen ist für die junge Generation die Höchststrafe."
Und nach welchen Bewerbungsunterlagen sollte der Arbeitgeber fragen? Vom klassischen Anschreiben rät die Expertin ab: "Denn Sie wissen ja nie, wer es geschrieben hat. Deshalb hat ein Anschreiben eignungsdiagnostisch überhaupt keine Relevanz mehr". Was Arbeitgeber stattessen wissen müssen: die Kontaktdaten des Jugendlichen, sein Alter sowie Belege für Qualifikationen, die für den Job Voraussetzung sind.
10. No-Go: Die Stellenanzeige ist nicht dem Medium angepasst, in dem sie veröffentlicht wird
Die Stellenanzeige erscheint eins zu eins einmal auf einer Karriere-Website im Internet und einmal in der Schülerzeitung.
Besser: Beim Texten der Stellenanzeige ist zu unterscheiden, ob die Anzeige in einem aktiven Medium (z. B. über die Google-Suche, Online-Stellenbörse, Karrierewebsite) oder in einem passiven Medium (z. B. Zeitung, Radio) erscheint. Begibt der Jugendliche sich im Internet explizit auf die Suche nach einer Anzeige, ist eine gewisse Aufmerksamkeit bereits da. Ullrich: "Bei digitalen Medien gilt: Die Stellenanzeige sollte mit der konkreten Berufsbezeichnung betitelt werden. Damit Stellenanzeigen von Jugendlichen in passiven Medien wahrgenommen werden, müssen Sie einen höheren Anreiz bieten, um Aufmerksamkeit zu erzielen. Hier sollte der "Schmerzpunkt" des Jugendlichen im Vordergrund stehen."
>>> Tipp
Wo veröffentliche ich meine Stellenanzeige am besten, um möglichst viele junge Leute auf mich aufmerksam zu machen? Ullrich empfiehlt zum Beispiel Jobbörsen und -messen, regionale Tageszeitungen, Social Media- und Google Advertising oder Radiowerbung.
Katja Lilu Melder von der BMG Santec GmbH veröffentlicht ihre Stellenanzeigen erfolgreich etwa auf eBay Kleinanzeigen, in Schul- und Studentenanzeigern oder auf Karriereseiten speziell für junge Leute. Und sie hat noch einen weiteren kreativen Weg gefunden, um für ihre Stellen zu werben. Für ihre Mitarbeiter hat sie Hoodies mit einem QR-Code bedrucken lassen. Ein Scan führt zu den Kontaktdaten des Betriebes. Neben dem QR-Code steht der Satz "Ruf mich an!". Auch mit dieser Marketingaktion konnte der Betrieb schon einige Bewerber auf sich aufmerksam machen. "Die Hoodies tragen unsere Mitarbeiter auch gerne privat. Wirbt einer unserer Mitarbeiter einen neuen Mitarbeiter an und bleibt dieser mindestens ein halbes Jahr bei uns, gibt es für den Anwerber 500 Euro", so Melder.
11. No-Go: Der Arbeitgeber reagiert nicht unmittelbar auf die Bewerbung
Die Mühe hat Früchte getragen und auf Ihre Stellenanzeige haben sich einige Bewerber gemeldet? Nun warten Sie erst einmal, was noch so eintrudelt.
Besser: Reagieren Sie so schnell wie möglich. "Die beste Stellenanzeige hat keinen Nutzen, wenn Sie die Bewerbungen danach tagelang liegen lassen", so Ullrich. Eine erste Reaktion sollte innerhalb der nächsten 24 Stunden erfolgen.