Öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige Gutachten: Wie Sachverständige die Gerichte unterstützen

Ruth Koller, Vorsitzende Richterin am Landgericht Regensburg, über die Zusammenarbeit von Gericht und Sachverständigen und wie wichtig Gutachten für die Urteilsfindung sind.

Öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständigen finden die Gerichte über verschiedene Listen und Verzeichnisse – beispielsweise der Handwerkskammern. - © Delux - stock.adobe.com

Wie bewerten Sie Ihre Zusammenarbeit mit Sachverständigen bei Gericht?

Nach meiner Erfahrung funktioniert die Zusammenarbeit mit Sachverständigen in der Regel sehr gut. Öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige verfügen über Expertise und Erfahrung. Sie wissen, wie Gutachten aufgebaut werden müssen und worauf sie achten müssen.

Welche Bedeutung hat die Expertise der Sachverständigen für die Urteilsfindung der Gerichte?

Die Sachverständigen liefern uns die Tatsachengrundlage für unsere Entscheidung insbesondere da, wo eine besondere Sachkunde erforderlich ist, die das Gericht selbst nicht hat. Beispielsweise, wenn es um die Frage geht, was ist Stand der Technik, welche Maßnahmen sind erforderlich, um einen Mangel zu beseitigen und welche Kosten entstehen? Das ist letztlich Aufgabe des Sachverständigen und insoweit erfüllt er eine sehr wichtige Funktion für uns.

Was genau ist die Aufgabe eines Sachverständigen für die Gerichte?

Der Sachverständige nimmt zu Tatsachenbehauptungen der Parteien Stellung. Das Gericht prüft seine Ergebnisse, insbesondere auf Nachvollziehbarkeit und Plausibilität und zieht daraus die rechtlichen Schlüsse. Das heißt, der Sachverständige liefert Tatsachen, das Gericht nimmt die rechtliche Würdigung vor. Insofern haben die Gutachten von Sachverständigen eine wichtige Funktion, weil sie die Grundlage unserer Entscheidung bilden.

Wie findet das Gericht einen geeigneten Sachverständigen?

Wir schauen zunächst, wo der Schwerpunkt liegt und welche Gewerke beteiligt sind, die begutachtet werden müssen. Um einen Sachverständigen zu finden, bedienen wir uns dann verschiedener Listen und Verzeichnisse öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger – beispielsweise von den Handwerkskammern. Wenn es sehr speziell wird, fragen wir auch mal bei einem Sachverständigen nach, ob eine bestimmte Fragestellung in sein Fachgebiet fällt oder ob er jemanden empfehlen kann. Und da sich die Sachverständigen häufig untereinander kennen, hilft uns das meistens auch weiter.

Wie kommt das Gutachten dann zu Ihnen ins Gericht?

Es gibt zwei Möglichkeiten. Die eine ist ein mündlich erstattetes Gutachten beim Gerichtstermin. Dann erfahren wir das Ergebnis in der mündlichen Verhandlung. Das ist in Bausachen aber eher unüblich, weil die Materie in der Regel zu komplex ist. Daher beauftragen wir im Regelfall einen Sachverständigen mit einem Beweisbeschluss mit der Erstattung eines schriftlichen Gutachtens. Dieser beinhaltet eine Fragestellung, die der Sachverständige schriftlich beantwortet. Wenn das Gutachten eingeht, leiten wir es an die Parteien weiter. Nachfragen und Einwendungen geben wir dann noch einmal an den Sachverständigen entweder mit der Bitte um eine weitere schriftliche Stellungnahme oder um eine mündliche Erläuterung des Gutachtens beim Gerichtstermin.

Ein Sachverständiger muss also nicht immer vor Gericht erscheinen?

Doch, meistens schon, denn tatsächlich gibt es fast immer Fragen der Parteien, die noch ergänzend begutachtet werden müssen oder Punkte, zu denen der Sachverständige Stellung nehmen soll. In der überwiegenden Zahl der Fälle laden wir den Sachverständigen zum Termin, damit er zu diesen Fragen gehört werden kann.

Ist diese mündliche Erläuterung eines Gutachtens wichtig für Ihre Arbeit?

Ja, weil wir die Möglichkeit haben, uns alles, was uns unklar ist, persönlich noch einmal erklären zu lassen. Das rundet unser Bild ab.

Seit sechs Jahren gibt es am Landgericht Regensburg eine spezialisierte Baukammer. Hat sich das bewährt?

Auf jeden Fall. Durch die Spezialisierung ist die Baukammer für alle Verfahren bei Streitigkeiten aus Bau-, Architekten- und Ingenieurverträgen zuständig. Wir sind vier Richter und arbeiten eng zusammen. Das bedeutet, dass wir schnell Parallelverfahren erkennen. Wir merken, wenn es Verfahren gibt, in denen Parteien identisch sind oder in denen der Sachverhalt identisch ist. Das gibt uns die Möglichkeit, diese Verfahren zu verbinden, gemeinsam zu verhandeln und auch denselben Sachverständigen zu bestellen. Das beschleunigt die Verfahren, steigert die Effizienz und vereinheitlicht darüber hinaus die Rechtsprechung, weil identische Rechtsprobleme gleich entschieden werden.