Interview mit EuroSkills-Sieger Gold für Simon Dorndorf: "Ausgerechnet in Österreich"

In der Schreinerei des Onkels eingenistet, Freizeit und Urlaub geopfert und trainiert, trainiert, trainiert. Mit dem Titel bei den EuroSkills hat sich SHK-Anlagenmechaniker Simon Dorndorf für seine Entbehrungen belohnt. Warum der Erfolg in Graz ein ganz besonderer für ihn ist – und bei welchem Fehler er seine Goldträume bereits platzen sah.

Simon Dorndorf (rechts) und Coach André Schnabel ballen die Fäuste. "Mein Trainer hat enormen Anteil", sagt der 22-jährige Europameister. - © WorldSkills Germany / Frank Erpinar

Ein Meister seines Fachs ist er offiziell noch nicht, dafür frischgebackener Europameister. Simon Dorndorf aus dem hessischen Eschenburg-Roth wurde bei den EuroSkills 2021 in Graz zum besten Anlagenmechaniker Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik (SHK) des Kontinents gekürt. Nach drei Tagen und 18 Stunden Wettkampf setzte er sich gegen die größten Talente aus sechs weiteren Nationen durch.

Neben handwerklichem Geschick waren penible Genauigkeit und rasches Handeln gefragt. Der 22-Jährige musste alle Arbeitsschritte millimetergenau unter zeitlichem Druck planen und umsetzen. Eine weitere Goldmedaille sicherte Fliesenleger Yannic Schlachter für das Handwerk. Insgesamt stand Deutschland vier Mal oben auf dem Treppchen.

Nach seinem Erfolg zeigt sich Dorndorf dankbar und demütig. Im Interview mit der DHZ spricht er über seine Vorbereitung, Begegnungen mit Idolen und eine Hoffnung, die er mit seinem Titel verknüpft.

EuroSkills-Gewinner Simon Dorndorf im Interview

Wie fühlt es sich an, der beste SHK-Anlagenmechaniker Europas zu sein?

Simon Dorndorf: Es ist ein Wahnsinns-Gefühl. Ich habe es immer noch nicht richtig realisiert. Aber da steckt natürlich mehr dahinter als meine Leistung, die ich vor Ort gebracht habe. Mein Trainer hat enormen Anteil, genauso die vielen Trainingsstunden. Ganz besonders ist, dass ich ausgerechnet in Österreich bei deren Heim-EM Europameister geworden bin. Sechs Mal in Folge hatten die Österreicher zuvor Gold in meinem Beruf geholt. Mein Trainer sagt, da haben wir Berge versetzt.

Wie sah Ihr Vorbereitungsprogramm aus?

Ich habe meinen gesamten Jahresurlaub in Anspruch genommen und trainiert. Mein Onkel hat Zuhause nebenan eine Schreinerei, da habe ich mich eingenistet und meine Übungswand aufgestellt. Da war ich dann auch nach der Arbeit und an den Wochenenden. Zehn Wochen habe ich mit meinem Trainer André Schnabel trainiert. Wir haben das Testprojekt von den WorldSkills in Abu Dhabi nachgebaut. Und natürlich das Testprojekt, das man drei Monate vorher gestellt bekommt, welches dann mit 30 Prozent Abwandlung beim Wettkampf drankommt. Zwischendrin hatte ich ein Mentaltraining im Spreewald mit ehemaligen Teilnehmern in meinem Beruf, unter anderem mit Vize-Europameister Paul Schärschmidt und Weltmeister Nathanael Liebergeld. Deren Tipps und Erfahrungen haben mir auch sehr geholfen.

Simon Dorndorf bei Siegerehrung zu den EuroSkills 2021
Jubel bei der Siegerehrung. - © Michael Zanghellini / WorldSkills Germany

Ein enormer Aufwand, der zum Glück belohnt wurde…

Man will´s unbedingt, da macht man alles dafür. Es ist eine riesige Ehre, das eigene Handwerk und Deutschland bei einem solchen Wettbewerb vertreten zu dürfen. Trotzdem hatte ich wirklich bis zur letzten Minute nicht damit gerechnet, dass es Gold für mich gibt. Vielleicht hat man´s bei der Siegerehrung ein bisschen gesehen.

War Gold von Anfang an Ihr Ziel?

Jeder, der teilnimmt, trainiert auf Gold. Klar, nicht jeder kann gewinnen. Aber ich wollte mit mir selbst zufrieden sein. Wenn ich mein Bestes gegeben habe und es am Ende Silber geworden wäre, dann wäre ich auch glücklich gewesen – wenn auch nicht ganz so wie jetzt.

Wie sah Ihre konkrete Aufgabenstellung bei den EuroSkills aus?

Insgesamt ging der Wettkampf über drei Tage und 18 Stunden. Am ersten Tag musste ich eine C-Stahl-Heizungsinstallation biegen und pressen. An Tag zwei ging es um eine Kupfer-Trinkwasserinstallation, die gelötet und gebogen werden musste, und um eine Gasinstallation aus Edelstahl, die aus Biegen und Pressen bestand. Am letzten Tag gab´s dann eine Vorwandinstallation mit WC-Modul, Urinal-Modul, Waschtisch und Dusche, die ebenfalls ver- und entsorgungstechnisch angeschlossen werden musste.

Der Zeitdruck war extrem hoch. Nicht alle Teilnehmer konnten die Aufgaben in der vorgegebenen Zeit abschließen. Wie ist es Ihnen ergangen?

Es war tatsächlich anstrengend. Im Training hatte ich meistens noch eine halbe Stunde Zeit, im Wettkampf überhaupt nicht. Ich habe alles dreimal nachgemessen und nachgerechnet. Ich hatte immer Angst mich zu verbiegen oder zu verschneiden. Fast zwei Jahre hat man nur das eine Ziel im Kopf. Wenn es dann endlich soweit ist, macht man sich noch viel mehr Druck.

"Also hatte ich vier kleinere Löcher in der Wand, was direkt Punktabzug gibt. Da dachte ich mir schon, dass es das war mit Gold."

Anlagenmechaniker SHK und EuroSkills-Gewinner Simon Dorndorf

Ist auch etwas schiefgelaufen?

Am zweiten Tag habe ich zwei Schellen falsch angezeichnet. Ich wollte die zuerst setzen, damit ich durch damit bin. Bei der einen war das Maß frei wählbar, dann aber doch gebunden durch die Gaszählerplatte. Also musste ich sie wieder umsetzen und hatte vier kleinere Löcher in der Wand, was direkt Punktabzug gibt. Da dachte ich mir schon, dass es das war mit Gold.

Und doch durften Sie als Erstplatzierter nach Hause fahren. Was waren denn die schönsten Glückwünsche, die Sie bekommen haben?

Bei der Heimfahrt mit dem Zug ist der Präsident des ZVSHK eine Station mitgefahren, hat mich beglückwünscht und mir seine Anerkennung ausgesprochen. In Leipzig angekommen wurden wir von ehemaligen Teilnehmern, dem Innungsobermeister und dem Präsidenten der Handwerkskammer in Leipzig in Empfang genommen. Und zuhause wurde ich dann nochmal überrascht. Da hingen überall Plakate und ein Bierwagen stand auf dem Hof. Also wurde mit Freunden, Familie und Kollegen auch nochmal so richtig gefeiert. Ich hatte aber auch was nachzuholen. Ein Dreivierteljahr vor dem Wettkampf habe ich nichts mehr getrunken.

Russland und Österreich haben bei den EuroSkills richtig abgeräumt. Wie erklären Sie sich deren Erfolg?

Österreich, Heim-EM. Da muss man nicht viel erklären. Russland ist allein schon mit einer riesigen Delegation angereist, war in fast jedem Skill vertreten. Seit den WorldSkills in Kasan sieht Putin das als seine Elite an. Entsprechend wird da auch Geld reingesteckt und von Seiten der Regierung noch mehr erwartet.

Simon Dorndorf SHK EuroSkills 2021
Höchstleistungen unter Zeitdruck. - © WorldSkills Germany / Frank Erpinar

Welche Fertigkeiten oder Erfahrungen aus den EuroSkills können Sie mit in Ihren betrieblichen Alltag nehmen?

Das vorausschauende Arbeiten, Sauberkeit, Ordnung – und die Erfahrung, unter großem Zeitdruck präzise arbeiten zu können. Natürlich auch vor Zuschauern. Jeder kennt den Kunden, der einem bei der Arbeit im Nacken sitzt. Da habe ich jetzt die deutlich extremere Situation erlebt und gemeistert.

Ganz generell: Welche Fähigkeiten braucht man, um als SHK-Anlagenmechaniker erfolgreich zu sein?

Man sollte ein gewisses handwerkliches Geschick mitbringen und anpacken können. Dazu braucht es mathematisches Verständnis und vor allem Interesse. Durch den Kontakt mit Kunden entwickelt man sich nicht nur handwerklich, sondern auch persönlich weiter. Und wenn man Freude an der Arbeit hat, kommt auch die Leidenschaft dazu.

Wie sind Sie so gut in Ihrem Job geworden?

Ich brenne für meinen Beruf. Ich habe Spaß daran. Als ich damals davon erfahren habe, dass es so etwas gibt wie die EuroSkills, habe ich mir die Videos von Paul Schärschmidt und Nathanael Liebergeld angeschaut – das hat mich übelst begeistert. Das waren dann meine großen Vorbilder beziehungsweise sind es auch heute noch. Am Ende ist es vor allem die Leidenschaft, aber auch Ehrgeiz und Disziplin spielen eine Rolle.

Jetzt sind Sie ein Vorbild. Glauben Sie, dass Ihr Erfolg andere dazu motiviert, sich noch mehr reinzuhängen? Und vielleicht auch Jugendliche für das SHK-Handwerk begeistern kann?

Wenn man die Ausbildung schon angefangen hat und so etwas sieht, kann ich mir schon vorstellen, dass man sich noch etwas mehr anstrengt. Das war bei mir ja ganz genauso. Was die Jugendlichen betrifft: Dadurch, dass ich aus einer eher ländlichen Region komme, wird sich meine Goldmedaille sicherlich rumsprechen. Vielleicht lädt mich ja die eine oder andere Schule ein, in der ich von meinen Erfahrungen berichten könnte. Wäre super, wenn Jugendliche dadurch den Weg ins Handwerk finden, anstatt Abi zu machen, weil sie nicht wissen, was sie werden wollen. Der Anlagenmechaniker SHK ist ein Beruf mit Zukunft und vor allem auch für unser aller Zukunft.

"Der Anlagenmechaniker SHK ist ein Beruf mit Zukunft und vor allem auch für unser aller Zukunft"

Anlagenmechaniker SHK und EuroSkills-Gewinner Simon Dorndorf

Wie geht es jetzt für Sie weiter?

Ich lasse jetzt erstmal alles zwei Wochen sacken, arbeite wie gewohnt in meinem Betrieb weiter und werde mich dann um einen Termin für einen Meisterkurs bemühen.

Ist die Selbstständigkeit auch eine Option für Sie?

Das weiß ich noch nicht. Man könnte nach dem Meister noch ein Studium dranhängen, Energie- und Umwelttechnik, den Techniker oder den Betriebswirt. Das sind alles Sachen, die mir im Kopf vorschweben. Das SHK-Handwerk ist einfach so wahnsinnig umfangreich. Da möchte ich mir noch nichts verbauen, sondern erstmal schauen, wohin mich der Weg führt.