Bundesrat gibt grünes Licht Ersatzbaustoffverordnung: Mehr Recyclingmaterial auf Baustellen

Die jährlich 220 Millionen Tonnen Bau- und Abbruchabfälle haben enormes Recyclingpotenzial. Der Bundesrat hat jetzt eine neue Ersatzbaustoffverordnung beschlossen. Sie soll ab 1. August 2023 den Einsatz von Recyclingbaustoffen steigern. Was die Verordnung genau regelt – und was ihrem Erfolg im Wege stehen könnte.

Ab 1. August regelt die neue Ersatzbaustoffverordnung, wie Bauschutt zu neuem Baumaterial werden kann und wo es genutzt werden darf.
Ab 1. August regelt die neue Ersatzbaustoffverordnung, wie Bauschutt zu neuem Baumaterial werden kann und wo es genutzt werden darf. - © Alessandro2802 - stock.adobe.com

Am 1. August 2023 tritt die sogenannte Mantelverordnung in Kraft – endlich. Um sie wird bereits seit Jahren gerungen. Seit Jahren gibt es Kritik und Einwände – sowohl von Seiten der Bauwirtschaft als auch zuletzt vom Bundesland Bayern, das die Zustimmung zum Gesetzesentwurf von einer Länderöffnungsklausel für Verfüllungen abhängig gemacht hat. Doch in diesem Sommer ist es soweit und die Regelungen der Verordnung greifen für die Baupraxis.

Dabei vereint die Mantelverordnung verschiedene andere Verordnungen mit dem Ziel, mehr sogenannter Ersatzbaustoffe im Einklang mit den Anforderungen des Grundwasser- und Bodenschutzes zum Einsatz zu bringen. Gemeint sind wiederaufbereitete Baustoffe, die recycelt erneut zum Einsatz kommen sollen, also Recyclingbaustoffe. Betroffen sind dabei vor allem die Abfälle, die mineralischen Ursprungs sind, wie Bauschutt und Aushubboden.

Neue Ersatzbaustoffverordnung: Ein Teil der Mantelverordnung

Kern der Mantelverordnung ist die Ersatzbaustoffverordnung. Darüber hinaus bezieht sie folgende bestehende Verordnungen mit ein bzw. bewirkt, dass darin Vorgaben geändert werden:

  • die Gewerbeabfallverordnung (GewAbfV),
  • die Deponieverordnung (DepV) und
  • die Bundes-Bodenschutz- und Altlastenverordnung (BBodSchV).

Um gesetzlich zu fassen, was eigentlich Ersatzbaustoffe sind und wie die bestehenden Regelungen Einfluss auf den Umgang damit haben, hat der Gesetzgeber auch eine neue Verordnung geschaffen, die nun ebenfalls Teil der Mantelverordnung ist: die Ersatzbaustoffverordnung. Sie gibt vor, wo die Ersatzbaustoffe unter welchen Bedingungen zum Einsatz kommen dürfen. Besonders wichtig ist außerdem, dass sie bundeseinheitliche Vorgaben für den Umgang mit diesen Baustoffen macht.

Ersatzbaustoffverordnung: Das könnte Ziele verhindern

"Dass es bald für alle Bundesländer die gleichen Regelungen für den Umgang mit den Ersatzbaustoffen gibt, ist ein sehr großer Fortschritt und erleichtert vieles in der Praxis", sagt Christine Buddenbohm, Geschäftsführerin Unternehmensentwicklung beim Zentralverband des Deutschen Baugewerbes (ZDB). Doch einige entscheidende Details sind aus ihrer Sicht nicht in die Verordnung aufgenommen worden. "Das wird den Erfolg deutlich beeinträchtigen", sagt sie. Der Bundesrat hat die Ersatzbaustoffverordnung nun beschlossen. Der ZDB zeigt sich enttäuscht von diesem Beschluss.

Kritisch sieht der Verband vor allem die Festlegung, dass die Ersatzbaustoffe per Definition "Abfall" bleiben. So übte er direkt nach dem Beschluss öffentlich Kritik. "Bund und Länder haben sich heute dagegen entschieden, eine rechtssichere und nachhaltige Verordnung für mehr Recycling, weniger Verfüllung und Deponierung zu schaffen", heißt es in einer Mitteilung des ZDB. Mit einem eindeutig geregelten Abfallende innerhalb der Ersatzbaustoffverordnung hätte man einen echten Hebel zur Verbesserung der Kreislaufwirtschaft gehabt. Doch nun würden klare und praktikable Kriterien zum "Abfallende" weiterhin fehlen. Das Problem: Nach Angaben der Bauwirtschaft wäre es nötig gewesen, bundesweit zu regeln, dass gütegesicherte Ersatzbaustoffe kein Abfall mehr sind, sondern hochwertige Bauprodukte. Damit könnte man den Einsatz von Recyclingbaustoffen in der Bauwirtschaft fördern.

Christine Buddenbohm erklärt, dass es den Ersatzbaustoffen noch immer an Akzeptanz fehle. "Der Begriff Abfall schreckt ab und er ist grundlos", sagt sie. Vor allem durch die hohen Qualitätsanforderungen an Ersatzbaustoffe und auch durch klare Eingrenzungen, wann sie überhaupt und wo zum Einsatz kommen dürfen, sollten sie aus ihrer Sicht einen Produktstatus bekommen. Das alles regelt die Mantelverordnung bzw. in Details die Ersatzbaustoffverordnung für güteüberwachte Ersatzbaustoffe. "Dennoch ist es so, dass jeder Bauherr, der Recyclingmaterial verwendet, rein rechtlich gesehen Abfall verbaut. Und das führt oft zur Ablehnung", sagt die ZDB-Geschäftsführerin für Unternehmensentwicklung.

Umgang mit Ersatzbaustoffen: So läuft die Praxis ab

In der Verordnung enthalten sind auch klare Eingrenzungen, dass in bestimmten Gebieten besonders strenge Vorgaben für den Einsatz von Recyclingbaustoffen gelten, um Boden- und Grundwasserverunreinigungen zu vermeiden. Außerdem gilt, dass mineralische Abfälle nur dann überhaupt wiederverwertet und im Baubereich eingesetzt werden dürfen, wenn sie bestimmte bauphysikalische Anforderungen erfüllen wie etwa die Fähigkeit zur Wasseraufnahme oder die Widerstandsfähigkeit gegen Frost-Tau-Wechsel oder Schlag.

Grundsätzlich läuft der Umgang mit den Ersatzbaustoffe so ab: Bei einem Gebäudeabbruch muss alles Material in verschiedene Abfallfraktionen getrennt werden. Das regelt die Gewerbeabfallverordnung. Die mineralischen Abfälle werden in Aufbereitungsanlagen recycelt, d.h. sortiert, gebrochen und gesiebt und damit wiederaufbereitet. Zu den Ersatzbaustoffen gehören durch die Neuregelungen ab dem 1. August 2023 unter anderem:

  • Boden und Steine
  • Baggergut
  • Bauschutt wie Ziegel, Fliesen, Keramik ohne Beton (dieses wird separat aufbereitet)
  • Gleisschotter
  • Schlacken aus der Metallerzeugung
  • Aschen aus thermischen Prozessen

In den Recyclingbetrieben werden die mineralischen Abfälle güteüberwacht aufbereitet. Dort werden auch die Grenzwerte bestimmter umweltbelastender Stoffe überprüft und dann werden die Materialien in verschiedene Güteklassen unterteilt, wo sie wieder zum Einsatz kommen können.

Ersatzbaustoffverordnung gilt für technische Bauwerke

Ihr Einsatz betrifft sogenannte technische Bauwerke und nicht den klassischen Hochbau. Technische Bauwerke sind dabei gemäß der Ersatzbaustoffverordnung:

  • Straßen,
  • Schienenverkehrswege,
  • befestigte Flächen,
  • Leitungsgräben und
  • Lärm- und Sichtschutzwälle.

Überall dort sollen also in Zukunft bei Neubauten und Sanierungen mehr Recyclingbaustoffe eingesetzt werden – um Primärrohstoffe und damit wertvolle Ressourcen zu schonen. Sind sie in Zukunft mehr etabliert für die Verwendung auf Baustellen, werden auch die Ersatzbaustoffe wie die Primärbaustoffe auch im normalen Baustoffhandel erhältlich sein. "Wie Kies und Sand werden sie sicherlich ab Werk verkauft. Es wird ein ganz eigener Markt dafür entstehen", sagt Christine Buddenbohm.

Dass der Begriff des Abfalls so manchen Vorgang auf einer Baustelle mitbestimmt, erklärt sie anhand des Beispiels "Bodenaushub". Denn hierbei gilt eine Besonderheit: Wird dieser vor Ort gleich wiederverwendet – dient etwas ein Kelleraushub zur Verfüllung oder Ausgleichs eines Höhenunterschieds auf dem Gelände – wird er erst gar nicht zu "Abfall" und die Vorgaben der Ersatzbaustoffverordnung müssen nicht angewendet werden. Ausnahmen bilden hierbei nur Flächen mit Altlasten, deren Bodenaushub nicht weiterverwendet werden darf. "Zu Abfall wird etwas erst, wenn ein sogenannter Entledigungswille vorliegt, also wenn der Bauherr etwas nicht weiterverwenden kann oder darf", erklärt Buddenbohm.

Ersatzbaustoffverordnung braucht ein Monitoring

Neben der Kritik an der fehlenden begrifflichen Klarstellung steht sie auch neue Dokumentationspflichten für Bau- und Recyclingbetriebe als mögliches Hindernis an, das den Einsatz der Ersatzbaustoffe weiter erschweren könnte.

Dennoch ist es aus Sicht der Bauwirtschaft nun wichtig, dass die Mantelverordnung überhaupt erst einmal in Kraft tritt und nicht wieder vertagt wird. Der erste Entwurf dazu stammt bereits aus dem Jahr 2017. Christine Buddenbohm ist sich aber sicher, dass die Verordnung noch weiter an die Praxis angepasst werden muss und wird. "Wir müssen die Stoffströme im Auge behalten und auch kontrollieren, dass nicht mehr Material in Richtung der Deponien wandert, weil keiner die Vorgaben erfüllen kann", sagt sie. Der ZDB fordert deshalb auch, dass die Anwendung der Mantelverordnung und speziell der Ersatzbaustoffverordnung eines Monitorings bedarf. Ein Programm dafür ist nach Aussage der ZDB-Mitarbeiterin zwar schon in Planung, aber es sei noch kein Start bekannt.