Azubis finden Erfolgreich auf TikTok: Diese Handwerker zeigen, wie´s geht

Kann ein Toter platzen? Die Antwort auf diese Frage liefert Luis Bauer in einem TikTok-Video. Experten sind sich einig: Die Plattform eignet sich hervorragend für die Azubi-Suche – ein junges Gesicht vor der Kamera braucht es dafür nicht zwingend.

Luis Bauer sitzt auf einem Sarg
Luis Bauer spricht in seinen TikTok-Videos über den Tod. Dabei klärt er darüber auf, wie er und seine Kollegen arbeiten. - © Johannes Bauer

Luis Bauer entwickelt sich gerade zu einem der großen TikTok-Creator im deutschsprachigen Raum. Vor kurzem knackte sein Kanal Bestattungen Burger die Marke von eine Million Followern. Ein Grund für den Erfolg ist die Auseinandersetzung mit dem Tod aus der Perspektive des Handwerkers: Wird der Mund einer Leiche zugeklebt? Wie lange dauert es, einen Toten zu verbrennen? Was passiert mit dem Körper von Mordopfern? Welche Arbeitsschritte Bestattungsfachkräfte, Thanatopraktiker und Co verrichten, wissen wohl die wenigsten.

Diese Unbekanntheit macht die Nachwuchssuche schwierig. "Viele Jugendliche haben den Beruf Bestatter nicht auf dem Schirm. Warum denn auch? Niemand weiß, was wir machen. Keiner hat einen Plan davon, wie eigentlich unser Alltag aussieht und wie cool, spannend und manchmal vielleicht auch spaßig er sein kann", erklärt der 16-jährige Influencer.

Warum TikTok?

Damit ergeht es dem Gewerk nicht besser als anderen Handwerksbereichen. Auch ohne den morbiden Ruf, der dem Bestatterwesen anhängt, ist das Anwerben von Lehrlingen schwer. Mit Stellenausschreibungen und Job-Börsen sind die Jugendlichen kaum noch zu erreichen, bestätigt Vanessa Engelhardt von svs media. Wer sie trotzdem für sich gewinnen wolle, müsse den Schritt auf die Social Media-Kanäle gehen. Besonders Instagram und TikTok seien bei der Suche relevant.

Das Beispiel Bestattungen Burger beweist, dass eine starke Präsenz in diesen Räumen zu mehr Bewerbungen führt: "Gerade haben wir wieder Stellenausschreibungen offen. Da kommen sehr viele Bewerbungen rein", verrät Luis Bauer. Es sei zwar nicht seine eigentliche Absicht, den Beruf zu bewerben, aber eine positive Folge: "Ich kriege oft Kommentare wie: Ich will nur wegen dir Bestatter werden."

Strategie festlegen

Doch bevor ein Handwerksbetrieb ein Profil anlegt, sollten strategische Überlegungen angestellt werden, empfiehlt Engelhardt. "Wer sind diese potentiellen Azubis? Warum sind sie auf Social Media unterwegs, welche Probleme haben sie und welche Antworten kann mein Betrieb darauf geben?"

Ein Anliegen eines Jugendlichen könne lauten, dass er nicht von zu Hause wegziehen oder mit flexibler Zeiteinteilung arbeiten möchte. Es helfe, sich eine Beispiel-Person auszudenken und sich zu überlegen, in welcher Lebensphase sie sich befinde. So ließe sich leichter visualisieren, was ihr wichtig sei. Mit einer verschriftlichten Persona ließe sich präziser vorgehen, erklärt die Expertin in einem Seminar der Handwerkskammer Mittelfranken und der BG 3000.

Nicht nur die Zielgruppe will durchdacht sein. Auch das eigene Profil sollte niedergeschrieben werden. Wofür steht das Unternehmen, wie grenzt es sich von der Konkurrenz ab, was hat es zu bieten? Wer sich die Zeit nehme, diese Eckpunkte festzuhalten, habe immer vor Augen, was er mit seinen Inhalten kommunizieren möchte. Außerdem ließe sich die Zielsetzung den Beschäftigten so klarer vermitteln.

Kreative Inhalte finden

Nach diesen strategischen Aspekten kann der Übergang in die Praxis folgen. Jetzt ist Kreativität gefragt. Vor der Kamera stehen und die Vorteile des Unternehmens anpreisen? Kann man machen, ist aber hölzern. Authentischer ist es, Einblicke zu bieten. "Die Nutzer sind neugierig, die wollen wissen, was hinter den Kulissen abläuft", betont Engelhardt. Wie vielfältig diese Einblicke aussehen können, zeigen neben Luis Bauer einige andere Handwerker. Bei Dach Pro werden Wurftechniken für Dachziegel demonstriert, Bäcker Paul verrät, wie bestimmte Gebäckstücke hergestellt werden und Dachdeckerin Chiara parodiert alltägliche Baustellen-Situationen. Von seriösen Inhalten bis zu einer guten Portion Humor ist alles möglich.

Auch mit Anleitungsvideos können Handwerksbetriebe gut punkten, erklärt Andrea Schmalle von der Social Media Agentur Vernetzt: "Wie entsteht eine Wand mit Betonoptik oder wie stellt der Tischler einen extravaganten Schrank her? Der Zeitraffer ermöglicht es, diese Informationen in 60 Sekunden zu packen."

Darauf kommt es an

Die eigentlich relevanten Fakten werden zwischen den Zeilen vermittelt: Mit wem würde der Neuzuwachs zusammenarbeiten und wie ticken diese Menschen? Wie sind die Hierarchien? Wie ist das Betriebsklima? Alte, verkrustete Strukturen würden Nachwuchskräfte abschrecken, mahnt Engelhardt. Einwände und Befürchtungen, die Interessierte in dieser Richtung haben könnten, gelte es abzubauen. Bei der Frage, welche Inhalte umsetzbar sind, können sich ihrer Erfahrung nach alle Kollegen beteiligen. Das Posten solle trotzdem in den gleichen Händen liegen, damit Konstanz gewährt sei.

Auf Vorrat drehen

Bei Bestattungen Burger managt Luis Bauer das gesamte Projekt. Sein Vater und Geschäftsinhaber steht hinter der Kamera. Über Redaktionspläne oder andere strategische Aspekte macht sich der Thanatopraktiker in Ausbildung keine Gedanken: "Ich habe das erste Video aufgenommen und dachte, ich probiere es halt einfach mal aus und am nächsten Tag hatte es dann gleich 15.000 Aufrufe."

Um seine Einfälle festzuhalten, nutzt er eine Notiz-App. Die Umsetzung erfolgt nicht sofort: "Am Ende des Tages bin ich Bestatter, habe meinen Alltag und mache meine Arbeit.  Wenn es dann zeitlich passt, mache ich noch TikTok." Meistens fertigt er seine Aufnahmen am Wochenende an. Für vier bis fünf fertige Clips benötigt er eineinhalb bis zwei Stunden. Mitinbegriffen ist der Schnitt auf dem Handy, der 10-20 Minuten in Anspruch nimmt.

Das Handy reicht aus

Gemessen an der hochwertigen Optik seines Kanals überrascht dieser geringe Zeitaufwand: Bauer setzt auf Perspektivenwechsel, Voice-Over und teilweise sogar Drohnen. Um die Abläufe dennoch zu beschleunigen, hat er einen Vorrat aus Detail-Aufnahmen angesammelt, die er als Schnittbilder in die Kurzfilme einfügt. Für die Umsetzung seiner Ideen verwendet er eine Spiegelreflexkamera. Bäcker Paul und Dachdeckerin Chiara verdeutlichen jedoch, dass es keineswegs so hochtechnisiert zugehen muss: Mit dem Handy aus der Hand gedreht, haben ihre Werke großen Erfolg. Es gibt einige weitere Aspekte, die beachtet werden sollten.

Maximal 60 Sekunden lang

Mittlerweile sind TikTok-Sequenzen von bis zu 10 Minuten Länge möglich. Andrea Schmalle empfiehlt dennoch, 60 Sekunden nicht zu überschreiten. Der Grund dafür liege in der Funktionsweise des Algorithmus, der steuert, wie erfolgreich Inhalte verbreitet werden. Ein wichtiger Faktor sei die Watch-Time: "Wie lange sehen sich die User mein Video an und schauen sie es bis zum Schluss? Das wäre der Idealfall. Das wird dann mit Reichweite belohnt", erläutert die Spezialistin. Außerdem sollten die Clips nach Möglichkeit einen Spaßfaktor haben und nicht zu trocken daherkommen.

Auf das Wesentliche konzentrieren

Die Kurzfilme sollten einen klaren inhaltlichen Fokus haben. Sind zu viele Details vorhanden, sollte das Material zugeschnitten werden. "Wird ein Video durch unwichtige Inhalte langweilig, verliert der User das Interesse und scrollt weiter", erinnert sie. Das Schneiden könne in der TikTok-App stattfinden. Dieses Vorgehen sei von der Plattform gewünscht. Ansonsten spräche nichts dagegen, andere Schnittprogramme zu verwenden: "Wir arbeiten zum Beispiel sehr gerne mit Canva. Doch auch andere Programme, wie zum Beispiel Filmora, iMovie oder AdobeRush sind zu empfehlen."

Drehgenehmigung nicht vergessen

Die Expertin rät dazu, immer eine Drehgenehmigung beim Kunden einzuholen, bevor auf der Baustelle oder bei der Montage gefilmt wird. Auch die Persönlichkeitsrechte der Angestellten könnten verletzt werden, wenn sie nicht vorab befragt werden: "Eine bereits im Arbeitsvertrag fixierte Klausel kann Sinn machen, aber ich empfehle, dies lieber individuell vor Dreh zu klären. Das kann schließlich bei potentiellen Mitarbeitern abschreckend wirken. Nicht jeder will TikTok-Star werden."