Klassische Stellenanzeige hat ausgedient Neue Ideen für die Azubi-Suche: Wie Betriebe heute punkten

Der Fachkräftemangel ist allgegenwärtig. Experten raten Betrieben deshalb dazu, neue Wege bei der Suche nach Auszubildenden zu gehen. Wie Betriebe qualifizierte junge Leute für sich gewinnen können und was der Generation Z wichtig ist.

Klassische Recruiting-Methoden wie Zeitungsartikel und Stellenanzeigen locken die jungen Menschen nicht mehr hinter dem Smartphone hervor. - © Mirko Vitali - stock.adobe.com

Jährlich bleiben rund 20.000 Ausbildungsstellen im Handwerksbereich unbesetzt. Dadurch wird der Fachkräftemangel verstärkt. Doch wie schaffen es Betriebe, junge Menschen für Ausbildungsberufe im Handwerk zu begeistern? Vor allem will die jüngere Generation anders angesprochen werden. Betriebe müssen online präsent sein und die Attraktivität einer handwerklichen Ausbildung eingängig darstellen. Zwei Recruiting-Experten erklären, wie sich Betriebe wandeln müssen, um qualifizierte Auszubildende für sich zu gewinnen.

Junge Menschen unterschätzen das Handwerk

Von den 26 Handwerksberufen mit besonders hohem Fachkräftemangel sind 17 Berufe in den Fachbereichen Produktion und Fertigung sowie Bau besonders stark betroffen. Dies belegt die repräsentative Studie des Kompetenzzentrum Fachkräftesicherung (KOFA) aus dem Jahr 2021. "Der allgegenwärtige Fachkräftemangel im Handwerksbereich ist in technischen Fachbereichen besonders hoch. Kandidaten mit dem notwendigen technischen Verständnis entscheiden sich häufig für ein Studium in diesem Bereich und gegen eine handwerkliche Ausbildung", erläutert Justin Böttger, Recruiting-Experte für Handwerksbetriebe.

Das Handwerk hat bei der jüngeren Generation mit einem Imageproblem und Vorurteilen zu kämpfen. "Handwerkliche Ausbildungen werden häufig unterschätzt. Vorteile, Aufstiegsmöglichkeiten sowie Weiterbildungsmöglichkeiten werden meist nicht ausreichend an die jüngere Generation kommuniziert", sagt Böttger von der Egroma GmbH.

Um qualifiziertes Personal zu gewinnen, müssen sich Betriebe vor allem mit den Werten und Ansprüchen der jungen Leute auseinandersetzen. David Decker, Recruiting-Experte für die Handwerksbranche, erklärt, dass die Generation Z von ihrer Ausbildung mehr erwartet als nur eine reine Wissensvermittlung durch die Ausbilder und Ausbilderinnen. "Um die Auszubildenden auch langfristig im Betrieb zufrieden zu stellen, müssen von Beginn an eine gemeinsame Vision und ein Vertrauensverhältnis zwischen Auszubildenden und Ausbilder geschaffen werden." Unmittelbar zu Beginn können Ausbilder und Ausbilderinnen motivieren, indem sie den Azubis ihre Chancen und jeweiligen Möglichkeiten im Betrieb vor Augen führen. Zudem können gemeinsam mit den Auszubildenden Schwerpunkte gesetzt werden, um persönliche Interessen zu fördern.

Betriebe müssen Generation Z verstehen

Insbesondere das Thema Work-Life-Balance gewinnt immer mehr an größerer Bedeutung. Andrea Greilinger vom Ludwig-Fröhler-Institut für Handwerkswissenschaften betont die Wichtigkeit eines strukturierten Arbeitstags: "Alle Trendanalysen zeigen, dass die Generation Z ihren Arbeitstag sehr genau kalkulieren möchte." Home-Office, vier Tage Woche und pünktliches Schichtende überzeugen die jüngere Generation. "Privatleben und Freizeit haben einen hohen Stellenwert im Leben der Jugendlichen. Betriebe können hierbei bewusst mit attraktiven Arbeitszeiten punkten", so der Experte Decker. Außerdem müssen Betriebe deutlich mehr auf persönliche Vorteile und Zukunftschancen für die Auszubildenden aufmerksam machen. "Die jüngere Generation legt großen Wert auf Weiterbildung und Aufstiegsmöglichkeiten, die offen nach außen kommuniziert werden müssen", erklärt der Experte Justin Böttger.

Für Betriebe gilt es zudem, sich insbesondere in der Online-Welt attraktiv zu präsentieren, um die Aufmerksamkeit der Generation Z zu gewinnen. Klassische Recruiting-Methoden wie Zeitungsartikel und Stellenanzeigen locken die jungen Menschen nicht mehr hinter dem Smartphone hervor: "In der jüngeren Generation hat das Smartphone einen großen Stellenwert und ist fester Bestandteil der Alltagsroutine. Bewerbungen über klassische Stellenanzeigen erreichen die Jugendlichen in ihrem Alltag deshalb weniger effektiv", sagt Decker. Viele Unternehmen nutzen bereits Online-Plattformen, um auf sich aufmerksam zu machen. 60 Prozent aller Frankfurter Handwerker greifen mittlerweile für die Personalgewinnung auf soziale Netzwerke zurück, wie eine Untersuchung von Master-Studierenden der Frankfurter Goethe-Universität ergab. Allerdings lauern hier Fehler, warnt der Recruiting-Experte Justin Böttger: "Unternehmen, die sich bereits online präsentieren, haben oftmals veraltete Webseiten und keine regelmäßige Präsenz auf den Social-Media-Kanälen."

Junge Menschen sind nicht mehr auf Facebook

Wichtig ist außerdem, auf welchen Social-Media-Kanälen die Betriebe präsent sind. Unternehmen sollten die sozialen Netzwerke, die bei jüngeren Leuten besonders populär sind, verstärkt nutzen – und das ist eher TikTok als Facebook. "TikTok ist bei der jüngeren Generation sehr beliebt, wodurch es sich besonders gut zur Gewinnung von Auszubildenden eignet", sagt Justin Böttger. Insbesondere sei es wichtig, das jeweilige Unternehmen online cool und modern rüberzubringen, um gezielt die Aufmerksamkeit der jungen Menschen zu bekommen, erklärt David Decker. "Bei der Online-Präsentation von Unternehmen ist die Verwendung von Bildern und einer bildhaften Sprache sowie einem Werteversprechen des Betriebs von Vorteil." Lange Textpassagen und ausführliche Stichwortlisten erreichten oftmals nicht die gewünschte Aufmerksamkeit. Durch die sozialen Medien können sich die Bewerber und Bewerberinnen zudem einen ersten Eindruck des Betriebs verschaffen und einen Blick hinter die Kulissen werfen. "Die Nutzung sozialer Netzwerke ermöglicht mehr Transparenz der Betriebe und Einblicke in das handwerkliche Arbeitsumfeld für die Bewerber", so Decker.

Dabei sollte die heraufdämmernde Wirtschaftskrise die Betriebe nicht abhalten, selbstbewusst um Azubis zu werben. Nach zwei Jahren Corona-Pandemie sind zwar viele Menschen erschöpft. Auch der Krieg in der Ukraine beunruhigt die Bevölkerung. Fürs Handwerk bietet die angespannte Lage allerdings auch Chancen. Denn in der Krise zeigt sich, was wirklich zählt und wer tatsächlich gebraucht wird. Dem Handwerk bietet sich also die Möglichkeit, seine gesellschaftliche Bedeutung unter Beweis zu stellen. Die beiden Experten sind sich einig: Unternehmen sollten aktiv für das Handwerk werben, um auf den hohen Stellenwert der Betriebe aufmerksam zu machen, etwa bei der Energiewende oder beim Bau dringend benötigter Wohnungen. "Es wäre sehr wünschenswert, wenn die aktuellen Krisensituationen die Wertschätzung für das Handwerk bzw. für eine handwerkliche Ausbildung vergrößern", sagt Experte Justin Böttger.