Der Bauunternehmer und Handwerkskammerpräsident Ulrich Bopp warnt vor schweren Verwerfungen in der Bauwirtschaft. Viele Preiserhöhungen in der Branche hält er für überzogen. Und er prophezeit schwierige Zeiten für die Ausbaugewerke.

Die Baubranche erlebt eine schwierige Zeit. Materialpreise gehen durch die Decke. Wir sehen überall Engpässe und viele Vorhaben sind unkalkulierbar geworden. Wie gehen Sie als Bauunternehmer mit der Situation um?
Ulrich Bopp: Das ging bereits 2020 los, zunächst stiegen die Holz- und dann die Stahlpreis. So ist das in der globalisierten Welt: Chinesen und Amerikaner hatten den deutschen Markt leergefegt, und wir mussten ganz andere Preise aufrufen. Damals habe ich auf einer Baustelle wahnsinnig viel Geld verloren. Weil wir 1,50 Euro pro Kilogramm kalkuliert hatten, was damals für Stahl liefern und einbauen normal war. Und auf einmal lag der Einkaufspreis bei zwei Euro pro Kilogramm. Bei 60 Tonnen Stahl können Sie sich ausrechnen, was das für ein Projekt bedeutet. 2021 setzte sich die Entwicklung bei den Preisen fort.
Die Bauwirtschaft lief halt weiter trotz Corona…
Ja, uns ging es relativ gut, wir hatten viele Aufträge. Und denken Sie nur an den Wohnungsbau. Unsere Bundesbauministerin träumt von 400.000 Wohnungen jährlich. Nur lassen sich nach und nach die Preissteigerungen nicht mehr an die Kunden weitergeben. Irgendwo sind eben Grenzen gesetzt. Wir haben ab Ende 2021 gemerkt, dass es kritischer wird. Dann begann im Februar 2022 der Ukraine-Krieg. Ich habe im März dieses Jahres schon prognostiziert: Passt auf, da passiert etwas, da braut sich etwas zusammen. Und nun fühle ich mich bestätigt.
Inwiefern fühlen Sie sich bestätigt?
Als das Stahlwerk in Mariupol in der Ukraine zerbombt wurde, ging der Stahlpreis noch einmal hoch. Das ging dann so weiter, die Hersteller sämtlicher Bauprodukte haben die Preise deutlich erhöht und erhöht. Und nicht nur einmal im Jahr, sondern bisher drei bis vier Mal. Stellenweise haben wir Steigerungen von 30 bis 40 Prozent, Tendenz steigend. Und das ist nicht mehr nachvollziehbar, ich warne sogar davor. Da füllen sich gerade einige die Taschen. Aber nächstes Jahr sieht die Welt ganz anders aus, der Neubaubereich wird einen gravierenden Einbruch wie noch nie erleben, und viele Hersteller und Lieferanten werden sich die Zeiten vor den Preiserhöhungen zurück wünschen.
Sie meinen, dass es in der Bauwirtschaft zu einem wirtschaftlichen Einbruch kommt?
Ich baue auch schlüsselfertig, das bedeutet, ich habe rund um das Haus sämtliche Gewerke in meiner Firma und daher einen guten Überblick. Deshalb habe ich früh bemerkt, dass der eine oder andere Bauherr sein Bauvorhaben wegen der Preise gestoppt hat. Ganz heftig war es im Februar, als Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck die KFW-55-Förderung, quasi über Nacht, beendet hat. Das hat natürlich sehr viele Bauherren geschockt. Die hätten die 150.000 Euro Kredit und die 30.000 Euro, die es als Tilgungszuschuss gegeben hat, für die Finanzierung gebraucht.
"Ganz heftig war es im Februar, als Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck die KFW-55-Förderung, quasi über Nacht, beendet hat."
Ulrich Bopp
Viele Leute können sich neue Häuser nicht mehr leisten?
Wir haben vor kurzem ein Haus durchkalkuliert, das wir im vergangenen Jahr gebaut und im Februar 2021 abgerechnet haben. Das hat damals 410.000 Euro gekostet, jetzt kostet es 530.000 Euro. Da sieht man, wo die Reise hingeht. Sie kaufen einen Bauplatz um 200.000 Euro, sie haben ein Haus zehn auf zehn Meter, und dafür müssen Sie dann mehr als 500.000 Euro hinlegen. Dann sind sie insgesamt bei 700.000 Euro und dazu kommen noch Nebenkosten. Also 800.000 Euro für ein ganz normales Wohnhaus. Wenn ich mich erinnere, für 1,6 Millionen DM hätten wir damals die größte Villa bauen können. Dazu kommen nun noch die Zinserhöhungen. Wir sind jetzt bei knapp vier Prozent. Da können die meisten, vor allem junge, Leute nicht mehr bauen.
Früher wurde gesagt, wenn das Bauhauptgewerbe eine Erkältung hat, bekommen die Ausbaugewerke eine Lungenentzündung. Was kommt denn nun auf die Maler und Schreiner zu?
Sagen wir mal so, Ausbau, Renovierung, Sanierung, in diesem Bereich werden die Gewerke sicherlich auch in Zukunft eine gewisse Auftragslage haben. Aber wer sich auf Neubau spezialisiert hat, der wird immense Einbrüche erleben. Das wollen viele nicht wahrhaben und ich hoffe auch nicht, dass es so schlimm kommt.
"Ich hoffe nicht, dass es so schlimm kommt."
Ulrich Bopp
Was wäre jetzt die Lösung. Was kann man tun um die Lage am Bau zu stabilisieren?
Ich fordere schon seit Anfang des Jahres Zurückhaltung – und zwar von Handwerkern und Herstellern. Ich sage immer: Leute, überlegt euch doch mal, wenn die Preise so hoch sind, können wir nicht mehr bauen. Und ihr werdet kein Material mehr verkaufen. Nehmen wir die Betonwerke als Beispiel. Die standen früher im Wettbewerb miteinander. Jetzt sind sie sich alle dermaßen einig. Zu sämtlichen Materialpreiserhöhungen kommen, Frachtkosten-, Diesel-, Energiekostenzuschlag, Logistikpauschale sowie Rohstoffbeschaffungsmaßnahmen hinzu. Gerade erst haben wir 15 Prozent Zuschlag innerhalb von einem halben Jahr gehabt, und jetzt wurde angekündigt, dass ab 1. Januar der Kubikmeter Beton 35 Euro mehr kostet. Das ist eine Teuerung von rund 40 Prozent im Einkauf. Wie sollen wir das noch umsetzen? Ich fordere realistische Kalkulationen. Warum müssen so hohe Gewinne erzielt werden? Warum brauchen wir immer mehr Wachstum? Es ist ein fataler Kreislauf. Der Lohn muss hoch, die Lebenserhaltungskosten gehen hoch, das Material wird teurer. Warum können wir nicht irgendwann einmal sagen: Wir haben einen Level erreicht, das reicht jetzt einmal.
Das Interview mit Ulrich Bopp ist ein Auszug aus dem Podcast "Handwerk erleben" – eine Talksendung im Handwerker Radio. Die ganze Folge zum Nachhören.