Interview "Dann rettet man nicht das Klima, sondern zerstört gesunde Strukturen"

Der Europaabgeordnete Markus Ferber (CSU) über übertriebenen Klimaschutz, marktferne Bürokraten und die Explosion der Energiepreise.

Markus Ferber (CSU) ist Koordinator der EVP-Fraktion im Ausschuss für Wirtschaft und Währung im Europäischen Parlament. - © Barbara Gandenheimer

Ob beim Klimaschutz oder bei Energiebeihilfen: Die Europäische Kommission wirkt derzeit nicht sonderlich mittelstandsfreundlich. Täuscht dieser Eindruck?

Markus Ferber: Man kann in der Tat den Eindruck gewinnen, dass es keine Unterscheidung mehr zwischen Groß und Klein gibt. Sei es beim europäischen Lieferkettengesetz, sei es bei den Nachhaltigkeitskriterien. Es ist schon ein mühsamer Kampf, immer wieder darauf zu dringen, die Bedürfnisse des Mittelstands zu berücksichtigen. Mit neuen Berichtspflichten jedenfalls verbessert man den Klimaschutz nicht, aber man schafft zusätzliche Bürokratie. Das macht mir schon große Sorgen.

Entwickelt sich der Klimaschutz zu einem bürokratischen Ungetüm für den Mittelstand?

Zumindest bleibt die Kommission hinter den Erwartungen zurück, die sie beim Amtsantritt Ursula von der Leyens im Sommer 2019 geweckt hatte. Die Kommission hatte damals versprochen, dass für jeden neuen Vorschlag ein alter zurückgezogen wird, "one in, one out" heißt das Prinzip. Dahinter steckt der Gedanke, dass die Bürokratie insgesamt nicht zunimmt. Mit dem Klimaschutzpaket hat die Kommission diesen Pfad verlassen. Da ist nichts zurückgezogen worden, sondern es kommt im Gegenteil immer mehr obendrauf.

Was meinen Sie damit?

Ich habe manchmal das Gefühl, es geht nicht darum, Klimaschutz zu machen, sondern Klimaschutz zu dokumentieren. Aber nur mit Dokumentieren werden wir keine Wertschöpfung erreichen, außer vielleicht für ein paar Beratungsfirmen. Und wir werden auch den Klimaschutz nicht voranbringen.

Das Handwerk ist nicht gegen Klimaschutz, sondern fürchtet die damit zusammenhängende Bürokratie

Das kann ich nachvollziehen. Unsere Handwerker haben ein Handwerk gelernt. Bürokratie ist für die Betriebe ein notwendiges Übel, aber Handwerker wollen lieber produzieren, als Formulare zu bearbeiten. Und das muss die Kommission verstehen. Es ist kein Erfolgsmodell, sich auf Konferenzen feiern zu lassen und gleichzeitig die Wirtschaft abzuwürgen. Ich muss das so hart sagen.

Woran hakt es?

Meiner Meinung nach fehlt es in den Amtsstuben an Verständnis, wie die Dinge ineinandergreifen. Ich gebe mal ein Beispiel: Wenn ein Schreiner sich eine neue Säge kauft, dann kauft er sicher eine, die effizienter arbeitet. Aber man kann ihn doch nicht für den Strommix verantwortlich machen. Ich kann von keinem Handwerksbetrieb verlangen, dass er seinen Energiemix umstellt. Da muss er schon dem Energiekonzern vertrauen. Ich befürchte, dass man weit über das Ziel hinausschießt, dass man am Ende mehr abwürgt als ermöglicht. Für unsere Handwerksbetriebe sollte aber Ermöglichung im Mittelpunkt stehen und nicht Behinderung.

Ende vergangenen Jahres haben Sie die EU scharf kritisiert für ihre neuen Umwelt-und Energiebeihilfen. Sie haben das Beihilferecht als mittelstandsfeindlich bezeichnet. Was stört Sie daran?

Aus den Leitlinien ergibt sich, welche wirtschaftlichen Hilfeleistungen der Staat Unternehmen gewähren kann. Es geht zum Beispiel um die Frage der Befreiung von der EEG-Umlage. Wir haben viele Betriebe aus der EEG-Umlage herausgenommen als Bundesrepublik Deutschland, das war noch in der Regierungszeit der Großen Koalition. Dadurch war es energieintensiven Unternehmen trotz hoher Strompreise in Deutschland möglich, wettbewerbsfähig zu bleiben. Nun hat die Kommission viele dieser Möglichkeiten gestrichen. Das schadet dem Mittelstand. Nehmen wir einen Bäcker. Der hat doch mit seiner Backstube praktisch keine Möglichkeiten zum Ausweichen. Ich kann einem Bäcker ja nicht sagen: Du musst das Brot künftig kalt backen. Das zeigt die Problematik. Am Ende kommen wir zu einer wahnsinnigen Verteuerung, die der Markt nicht hergibt. Diese Anpassung der Energiebeihilfen treffen den Mittelstand und das Handwerk ganz brutal, sei es in der Metalloder Lebensmittelverarbeitung.

Wie bewerten Sie die Entwicklung der Energiepreise?

Die Entwicklung der Energiepreise bereitet uns allen Sorgen. Wenn man jetzt noch zusätzlich Preiserhöhungen draufsattelt, schnürt das vielen Betrieben die Luft ab. Dann rettet man nicht das Klima, sondern zerstört gesunde Strukturen.