Rosemarie Kay vom IfM Bonn erläutert, warum weniger Unternehmen übergeben werden als angenommen – und es liegt nicht nur an den erhobenen Daten. Bei vielen scheitert eine Übergabe auch daran, dass sie nicht ausreichend in die Zukunft investiert haben.

Das IfM Bonn rechnet mit weniger Unternehmensnachfolgen als gemeinhin angenommen. Von wie vielen gehen Sie aus?
Rosemarie Kay: Wir gehen von rund 30.000 Unternehmensnachfolgen pro Jahr aus.
Das bezieht sich auf alle 3,5 Millionen Unternehmen in Deutschland. Warum nur 30.000?
Es gibt keine zuverlässige Statistik zum Nachfolgegeschehen. Deswegen werden dazu Befragungen durchgeführt, in denen recht viele Unternehmer und Unternehmerinnen angeben, dass sie in näherer Zukunft eine Nachfolge planen. Aber: Der Wunsch zur Nachfolge oder Übergabe führt ja nicht zwangsläufig zur Realisierung. Das IfM Bonn nimmt daher Schätzungen auf Basis konzeptioneller Überlegungen und amtlicher Daten vor. So bekommen wir eine gewisse Idee von der Größenordnung der Unternehmensnachfolgen. Und die legt nahe, dass bei weitem nicht so viele Unternehmen übergeben werden wie angenommen – und wie von den Befragungen nahegelegt.
Gibt es noch andere Gründe?
Die erhebliche Fluktuation im Unternehmensbestand, die für eine Wettbewerbswirtschaft kennzeichnend ist, wird oft nicht mitbedacht. Weil jedes Jahr mehrere hunderttausend Unternehmen gegründet werden, wird angenommen, dass alle diese Unternehmen irgendwann auch übergeben werden. Dabei wird übersehen, dass sehr viele Unternehmen schon kurz nach der Gründung wieder schließen.
"Die erhebliche Fluktuation im Unternehmensbestand wird oft nicht mitbedacht."
Rosemarie Kay, IfM Bonn
Ist das nicht Besorgnis erregend?
Da sehe ich keinen Anlass zu Besorgnis. Dieses Phänomen beobachten wir schon seit vielen Jahren. Daher wissen wir, dass gerade der Anteil der Unternehmen, die in den ersten fünf Jahren nach der Gründung wieder aus dem Markt ausscheiden, hoch ist.
Warum können viele Unternehmen eine Nachfolge nicht realisieren?
Das liegt zumeist nicht daran, dass sie per se keinen Nachfolger finden. Vielmehr haben diese Unternehmen nicht ausreichend in die Zukunft investiert. Sie sind nicht mehr wettbewerbsfähig. Für jede Nachfolge ist aber entscheidend, dass das Unternehmen attraktiv ist.
"Für jede Nachfolge ist entscheidend, dass das Unternehmen attraktiv ist."
Rosemarie Kay, IfM Bonn
Manche Unternehmen eignen sich ja auch nicht für eine Übergabe?
Das trifft auf viele Kleinstunternehmen zu, die von Soloselbstständigen geführt werden, häufig im Dienstleistungssektor. Der Unternehmenswert steckt hier in der Person des Unternehmers, seinem Wissen und Können, seinen Geschäftsbeziehungen und Kontakten. Das sind aber keine Unternehmenswerte, die übergeben werden können.
Was raten Sie einem Unternehmer, der seinen Betrieb übergeben möchte?
Wenn die Nachfolgefrage ansteht, sollte der Unternehmer versuchen, realistisch einzuschätzen, welche Chancen sein Unternehmen hat, in Zukunft fortgeführt zu werden. Kommt er zu der Einschätzung, dass diese nur gering sind, sollte er besser gleich die Entscheidung treffen, den Betrieb zu schließen, als noch Jahre lang nach einem Nachfolger zu suchen. Das wäre vergeudete Zeit.