Equal Pay BAG-Urteil zu Lohngleichheit: Was Chefs dazu wissen müssen

Die Begründung, ein Mann verdient mehr, weil er besser verhandelt hat, ist nicht zulässig, so ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts. Das schränkt die Vertragsfreiheit ein. Kann das Gehalt dennoch weiter individuell vereinbart werden?

Besseres Verhandlungsgeschick ist kein Grund, dass ein Mann ein deutlich höheres Gehalt bezieht als seine Kollegin. - © tomertu - stock.adobe.com

Arbeitgeber können ein höheres Gehalt für einen männlichen Arbeitnehmer nicht allein damit begründen, dass dieser besser verhandelt hat. Das Bundesarbeitsgericht entschied in einem aktuellen Urteil: Der Equal Pay-Grundsatz darf nicht durch den Hinweis auf Verhandlungsgeschick ausgehebelt werden (BAG v. 16.02.2023, Az. 8 AZR 450/21). "Das Bundesarbeitsgericht setzt damit ein klares Statement", sagt Rechtsanwalt Clemens Bauer von Rödl und Partner, "geschlechtsspezifische Unterschiede darf es nicht geben." Dennoch müsse die schriftliche Urteilsbegründung des BAG abgewartet werden. Erst dann sei klar, welche Auswirkungen das Urteil auf die Praxis habe.

Fest stehe, dass jedes Unternehmen von diesem Urteil betroffen sei und seine Gehaltsstrukturen abgleichen müsse, auch wenn es weiterhin "keinen gesetzlichen Anspruch auf gleiches Gehalt gibt", betont Clemens Bauer.

Vertragsfreiheit nun eingeschränkt

Nach wie vor gelte die Vertragsfreiheit für Unternehmer, allerdings werde diese durch das neueste BAG-Urteil nun eingeschränkt. In diesem viel beachteten Urteil hatten die Richter entschieden: Eine Frau kann Anspruch auf gleiches Entgelt für gleiche oder gleichwertige Arbeit wie ein männlicher Kollege haben, wenn der Arbeitgeber diesem wegen des Geschlechts ein höheres Entgelt zahlt. Das gilt auch, wenn der Arbeitgeber der Forderung des Mannes nach einem höheren Gehalt nachgibt.

Im vorliegenden Fall urteilte das BAG, dass der Arbeitgeber die Außendienstmitarbeiterin aufgrund ihres Geschlechts benachteiligt hat, weil er ihr für die gleiche Arbeit ein niedrigeres Grundgehalt zahlte als dem Mann. Die Vermutung, dass die Frau aufgrund ihres Geschlechts benachteiligt wurde, konnte der Arbeitgeber nicht widerlegen. Zu beachten ist, dass nach § 22 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG), die Beweislast in dieser Konstellation beim Arbeitgeber liegt.

Gehaltsverhandlungen haben weiterhin ihre Berechtigung

Die Begründung, der Mann habe besser verhandelt, ließen die Richter in Erfurt nicht gelten: Besseres Verhandlungsgeschick ist kein Grund, dass ein Mann ein deutlich höheres Gehalt bezieht als seine Kollegin. In diesem Fall erhielt der Mann 1.000 Euro mehr Grundgehalt pro Monat. "Der Arbeitgeber konnte nicht darlegen, warum er die Frau ungleich behandelt hat", so Clemens Bauer. Allerdings wurde in diesem Fall nur die Grundvergütung verhandelt. "Nicht in Frage stand eine leistungsbezogene oder variable Vergütung."

Denn es sei auch nach diesem Urteil durchaus weiterhin möglich, Mitarbeiter unterschiedlich zu bezahlen und Gehalt individuell zu verhandeln, so der Experte für Arbeitsrecht. "Gehaltsverhandlungen haben nach wie vor ihre Berechtigung."

Sobald ein Unternehmen jedoch über objektive Gehaltsstrukturen verfüge, schränke dies den Arbeitgeber ein. Das bedeutet: Wenn es betriebliche Vergütungssysteme, Betriebsvereinbarungen, Tarifverträge oder Ähnliches gibt, gelten diese für alle Mitarbeiter und müssen auch bei jedem Mitarbeiter Anwendung finden. Clemens Bauer rät daher: "Das A und O ist die Dokumentation, weil eine Ungleichbehandlung nicht ohne Anlass erfolgen darf."

Arbeitgeber sollten für jeden Mitarbeiter darlegen können: Das sind die Aufgaben, Qualifikationen und Leistungskennziffern. "Kann ein Arbeitgeber keine Differenzierungspunkte vorlegen, liegt die Vermutung nahe, dass das Geschlecht für die Ungleichbehandlung ursächlich ist."

Fazit: Für Arbeitgeber ist es also nicht völlig unmöglich, Arbeitnehmer unterschiedlich zu bezahlen. Sie müssen es im Einzelfall aber objektiv begründen können. Der Verweis auf ein besseres Verhandlungsgeschick allein erfüllt nach dem aktuellen BAG-Urteil dieses Kriterium in Zukunft nicht mehr.

Entschädigung für Klägerin wegen Ungleichbehandlung

Die Vorinstanzen waren der Argumentation der Beklagten übrigens noch gefolgt und hatten die Klage abgewiesen. Vor dem Bundesarbeitsgericht hatte die Revision nun überwiegend Erfolg. Die Klägerin erhält eine Gehaltsnachzahlung und eine Entschädigung. Denn "Betriebe, die geschlechtsspezifisch benachteiligen, können zu einer Entschädigung verurteilt werden." Dennoch rechnet Clemens Bauer nicht mit einer Klagewelle. "Das sind Einzelfallentscheidungen."