Freie Urlaubstage verfallen nur noch, wenn Arbeitgeber ihre Beschäftigten vorher aktiv darauf hinweisen. Das hat das Bundesarbeitsgericht im Dezember entschieden und damit die Arbeitnehmerrechte gestärkt. Nun liegt ein weiteres Urteil zu den mittlerweile komplexen Urlaubsregeln vor. Diesmal zugunsten der Arbeitgeber.

Nachdem das Bundesarbeitsgericht bereits im Dezember 2022 ein Urteil zur Verjährung von Urlaubsansprüchen gesprochen hat, legte es nun mit einem weiteren Urteil nach (BAG, v. 31.01.2023, Az. 9 AZR 456/20). In diesem Fall ging es um den Anspruch auf Urlaubsabgeltung, wenn ein Arbeitsverhältnis beendet wird. Dieser Anspruch auf Auszahlung von nicht genommenem Urlaub unterliegt weiterhin der Verjährung, so das BAG. Die dreijährige Verjährungsfrist beginne in der Regel mit dem Ende des Jahres, in dem der Arbeitnehmer aus dem Arbeitsverhältnis ausscheide – und unabhängig davon, ob Arbeitgeber ihre Mitarbeiter über Verfallfristen informiert haben.
Zuvor entschied das BAG, dass nicht genommene Urlaubstage von Arbeitnehmern nicht automatisch nach drei Jahren verfallen. Denn um diese Verjährungsfrist "in Gang" zu setzen, müsse der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über seinen konkreten Urlaubsanspruch und die Verfallfristen belehren, so das Bundesarbeitsgericht in einem aktuellen Urteil (BAG v. 20.12.2022, Az. 9 AZR 266/20).
Mit dieser Entscheidung habe das BAG einen Grundsatz des Urlaubsrechts ad acta gelegt, so die Einschätzung der Anwaltssozietät Schultze und Braun. Denn bislang seien nicht genommene Urlaubstage nach drei Jahren verjährt. An die Drei-Jahres-Frist der Verjährung hat das höchste deutsche Arbeitsgericht nun aber Bedingungen geknüpft und setzt damit die Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs (EuGH v. 06.11.2018, Az. C-684/16) um und stärkt damit die Arbeitnehmerrechte.
Arbeitgeber müssen aktive Rolle spielen
Demnach beginnt die dreijährige Verjährungsfrist am Ende des Jahres, in dem der Arbeitgeber seiner Hinweispflicht nachkommt, dass Arbeitnehmer Urlaubstage übrighaben und diese verfallen könnten und der Arbeitnehmer seinen Resturlaub dann trotzdem aus freien Stücken nicht genommen hat. Das bedeutet, die Verjährungsfrist beginnt nicht zwingend in dem Kalenderjahr, in dem der Urlaubsanspruch entstanden ist. Unklar ist, wie lange dieses Urteil zurückwirkt. In dem zugrunde liegenden Fall bezog sich der Urlaubsanspruch auf die Jahre 2011 bis 2017.
Fazit für Unternehmen: Arbeitgeber müssen ihre Mitarbeiter also aktiv und regelmäßig über ihre Urlaubsansprüche, deren Verfall und Verjährung informieren. Nur dann könnte der Urlaub zum Jahresende beziehungsweise zum 31. März des Folgejahres nach § 7 Abs. 3 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) verfallen.
Versäumt der Arbeitgeber diesbezüglich seine Mitwirkungspflicht, besteht die Gefahr, dass Urlaubsansprüche nicht verjähren und auch noch nach Jahren von Arbeitnehmern eingefordert werden könnten – selbst wenn der Betreffende das Unternehmen bereits verlassen hat.
Über dieses Urteil hinaus hat Resturlaub eine finanzielle Komponente, da Unternehmen für Urlaubstage, die ins neue Jahr "mitgenommen" werden, Rücklagen bilden müssen. Ein Unternehmen könne somit kein Interesse daran haben, dass Arbeitnehmer unbegrenzt "alte" Urlaubstage ansammelten, so die Anwaltssozietät Schultze und Braun, da zu bildende Rückstellungen irgendwann für das Unternehmen finanziell nicht mehr tragbar seien. Sie empfiehlt, dass Unternehmen ihre Vorgehensweise beim Thema Urlaub jetzt genau überprüfen.
15-Monatsfrist für langzeiterkrankte Mitarbeiter
Ebenfalls am 20. Dezember vergangenen Jahres urteilte das BAG, dass diese Hinweispflicht auch gegenüber langzeiterkrankten Arbeitnehmern gilt (BAG v. 20.12.2022, Az. 9 AZR 245/19). Allerdings bestünden Besonderheiten, wenn der Arbeitnehmer seinen Urlaub aus gesundheitlichen Gründen nicht nehmen konnte. Danach verfällt der Urlaubsanspruch mit Ablauf einer 15-Monatsfrist, so das BAG, wenn der Arbeitnehmer seit Beginn des Urlaubsjahres durchgehend bis zum 31. März des Folgejahres krank war und seinen Urlaub nicht antreten konnte.
Bereits seit einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts aus dem Jahr 2019 ist klar, dass Arbeitgeber ihre Mitarbeiter formal und rechtzeitig darauf hinweisen müssen, dass sie Urlaubstage übrighaben und diese verfallen könnten (BAG v. 19.02.2019, Az. 9 AZR 423/16 und 9 AZR 541/15). Zu Beweiszwecken raten die Experten sollten Unternehmen Hinweis und Information in Schriftform übermitteln und sich gegebenenfalls sogar von ihren Arbeitnehmern bestätigen lassen.
Grundsätzlich gilt nach Angaben des Bonner Arbeitsrechtlers Gregor Thüsing, dass Urlaub bei langwieriger Krankheit 15 Monate nach Ende des Urlaubsjahres verfällt. Diesen Grundsatz bestätigte das Gericht am 20. Dezember. Allerdings kommt es nicht zum Urlaubsverfall, wenn Arbeitnehmer im betreffenden Jahr zumindest teilweise gearbeitet haben und ihr Chef seine Informationspflichten verletzte. Arbeitgeber hätten Mitwirkungsobliegenheiten und ein Interesse, dass sich Urlaub nicht anstaue und bezahlte Erholungszeiten eingehalten würden.