Die Union verliert fast zweistellig, die SPD wird stärkste Fraktion im Bundestag. Sowohl der Erfolg von Olaf Scholz als auch die Niederlage Armin Laschets sind verdient. Das Handwerk muss nun auf die Vernunft der Parteien hoffen.
Hätte die Bevölkerung die Umfragen der Meinungsforscher nicht bereits vorher gekannt, würde das Ergebnis dieser Bundestagswahl wohl als Erdrutsch wahrgenommen werden. So allerdings ahnten die meisten politisch Interessierten, was auf sie zukommt.
Die Union steht am Ende der Ära Merkel vor einem Desaster von historischem Ausmaß. Sie hat fast zehn Prozentpunkte verloren. Und noch schlimmer aus Sicht der Kanzlerpartei: Sie ist hinter die SPD zurückgefallen. Viele werden versuchen, das schlechte Abschneiden dem glücklosen Kandidaten Armin Laschet anzulasten. Doch Laschet allein hat den Niedergang der Union nicht zu verantworten. Die Niederlage ist auch eine Abrechnung mit Angela Merkel, die die CDU entkernt hat. Die Partei wirkt ausgezehrt, kraftlos und verzagt. Ihre wirtschaftpolitische Bilanz ist durchwachsen. Die Union hat in den langen Merkel-Jahren an Profil verloren und Gestaltungskraft vermissen lassen. Die Quittung erhält nun der - zugegeben oft ungeschickt agierende - Parteichef Laschet.
Scholz sticht Laschet und Baerbock aus
Profiteur ist Olaf Scholz. Dem SPD-Kanzlerkandidaten gelang es, aus den Defiziten Laschets und den Makeln der grünen Kandidatin Annalena Baerbock Kapital zu schlagen. Er hat eine abgeschriebene Partei wieder aufgerichtet. Scholz inszenierte sich mit Erfolg als seriöse Alternative zu Baerbock und Laschet - die von den Wählerinnen und Wählern gewogen und für zu leicht befunden wurden. Der spröde Scholz hievte damit die SPD über die 25-Prozent-Marke. Dieses Ergebnis hätte niemand vor einem halben Jahr für möglich gehalten. Vor allem schaffte er es, Zweifel an seiner programmatisch weit nach links ausgreifenden Partei zu zerstreuen. Die nächsten Wochen werden zeigen, wieviel Scholz tatsächlich in der SPD steckt. Setzen sich die staatsgläubigen Umverteiler durch oder finden auch die pragmatischen hanseatischen Kaufleute Gehör?
Die Grünen sind trotz deutlicher Zugewinne die Verlierer neben der Union. Weder werden sie die Kanzlerin stellen noch führen sie künftig das linke Lager an. Auch ist der Traum zerstoben, Deutschland gemeinsam CDU/CSU in einer Art Versöhnungsbündnis zu führen: also Klimaschutz und wirtschaftliche Erneurung zu verbinden. Dass die Grünen hinter den Erwartungen blieben, ist vor allem Baerbock zuzuschreiben, die es - vielleicht von übermäßigem Ehrgeiz getrieben - mit der Wahrheit nicht so genau nahm. Die Grünen werden sich mit der Rolle eines Juniorpartners begnügen müssen. Dieses Schicksal teilen sie mit der FDP, allerdings hegten die Freien Demokraten auch nicht so hochfliegende Ambitionen.
AfD schneidet schlecht ab
In einer Schlüsselposition befindet sich FDP-Chef Christian Lindner. Es ist recht wahrscheinlich, dass die FDP der nächsten Regierung angehören wird. Lindner gelang es, sowohl unzufriedene Unionsanhänger für die FDP zu gewinnen als auch Wählerinnen und Wähler, die mit dem Kurs der jetzigen Regierung, gerade in der Corona-Politik, hadern. Allerdings hat die FDP die Latte für eine Regierungsbeteiligung hoch gelegt. Allein schon weil seine Gegner ihm das Image eines unzuverlässigen Luftikus verpasst haben, wird Lindner hart verhandeln müssen.
Die AfD schnitt im Vergleich zur letzten Wahl schlechter ab. Die Wählerinnen und Wähler zeigten deutlich, dass sie ihr Vertrauen solch einem "gärigen Haufen" nicht uneingeschränkt schenken wollen. Zumal die AfD in vielen wichtigen Politikfeldern vage und schwammig blieb, sich sogar trotzig auf eine Verweigerungshaltung zurückzog. Die Unzufriedenheit vieler Deutscher mit der Corona-Politik in Bund und Ländern nützte der Partei nichts.
Absage an linke Revolution
Auf dem absteigenden Ast ist die Partei Die Linke. Sie hat ihr Ergebnis fast halbiert, scheiterte an der Fünf-Prozent-Hürde und schaffte es überhaupt nur dank dreier Direktmandate ins Parlament. Die Linke erschien im Wahlkampf als Abziehbild der Grünen, nur noch radikaler und lebensferner. Zu keinem Zeitpunkt wirkt diese Partei mit ihrer schwachen Führung wie eine gestaltende politische Kraft, sondern vielmehr wie ein verbohrter Verein alter Kameraden, der stets die gleichen alten Lieder anstimmt.
Unmissverständlich brachten die Wähler zum Ausdruck, dass sie weder mit sozialistischen Ideen aus der Mottenkiste liebäugeln noch eine Revolution mit grünem Anstrich wünschen. Die Mehrheit wünscht sich eine Regierung, die aus der politischen Mitte heraus gebildet wird.
Aufgeblähter Bundestag
Der neue Bundestag ist zu einem Parlament von fragwürdiger Größe geworden. Eine Reform ist dringend geboten. Ebenso müssen sich die Politikerinnen und Politiker der Frage stellen, ob die Fünf-Prozent-Klausel noch zeitgemäß ist. Die deutsche Demokratie erscheint gefestigt genug, auch Splitterparteien im Parlament zuzulassen - auf die Gefahr hin, dass dann auch ein paar Spinner auf den Abgeordnetenplätzen sitzen. In Zeiten, in denen jeder noch so kleinen Minderheit gefällig Raum zur Entfaltung geboten wird, erscheint es bevormundend, das Votum von drei oder vier Prozent der Wähler einfach unter den Tisch fallen zu lassen.
Deutschland steht nun vor einer schwierigen Regierungsbildung, die vermutlich monatelang dauert. Der Union drohen nun wohl schwere innerparteiliche Kämpfe um die Ausrichtung, ebenso wie der Linksparrtei.
Handwerker müssen bangen
Handwerker und Selbstständige müssen vor allem darauf hoffen, dass der neuen Bundesregierung so viel wirtschaftspolitische Vernunft innewohnt, dass sie den Mittelstand nicht noch weiter schröpft oder mit neuer Bürokratie überzieht. Denn die Handwerkerinnen und Handwerker werden - anders als der eine oder andere Konzern - ihre Betriebe nicht ins Ausland verlagern, Fabriken in Asien oder Osteuropa errichten oder Steuern künftig in Übersee zahlen. Sie sind auf verlässliche und faire Rahmenbedingungen im eigenen Land angewiesen.