Mit neuen Regeln will die Regierung das Geschäft der Abmahnindustrie abwürgen. Die Bundesregierung hat jetzt ein Gesetz beschlossen, das kleine und mittlere Betriebe besser vor Abzocke durch Abmahnungen schützt. "Endlich", kommentiert der Handwerksverband.
Max Frehner

Einstmals sollten Abmahnungen dafür sorgen, dass kleinere Konflikte unbürokratisch und günstiger außerhalb des Gerichts geklärt werden können. Diese ursprüngliche Idee haben unseriöse Abmahnvereine und -kanzleien im Zusammenwirken mit vermeintlichen Mitbewerbern in den vergangenen Jahren jedoch massiv in ein missbräuchliches Geschäftsmodell umfunktioniert. Mit einem neuen Gesetz will die Regierung der sogenannten Abmahnindustrie jetzt einen Riegel vorschieben. Bundestag und Bundesrat haben einem entsprechenden Gesetzesentwurf zugestimmt.
Finanzielle Anreize verringern
Mitbewerber können demnach künftig keine Abmahnkosten und Vertragsstrafen mehr geltend machen, wenn sie Betriebe erstmals wegen Verstößen gegen Informations- und Kennzeichnungspflichten abmahnen. Dazu zählen etwa Verstöße gegen die Impressumspflicht, Informationspflichten im Fernabsatz, die Pflicht zur Widerrufsbelehrung oder Vorschriften der Preisangabenverordnung. Ähnliches gilt, wenn Verstöße gegen die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) beanstandet werden. Auf Abmahnkosten muss in diesem Fall bei Betrieben bis zu 250 Beschäftigten verzichtet werden, bei Vertragsstrafen gilt eine Grenze von bis zu 100 Beschäftigten. Weiterhin sind in diesen Fällen allerdings Vertragsstrafen bei Abmahnungen durch Wirtschaftsverbände möglich.
Generell ist die Höhe der Vertragsstrafe jedoch künftig bei 1.000 Euro gedeckelt, sofern der Abgemahnte weniger als 100 Mitarbeiter beschäftigt und es sich um einen einfach gelagerten Fall handelt. Auf diese Weise soll die existenzielle Gefährdung durch Abmahnungen, insbesondere für Kleinunternehmer, verringert werden.
Gegenansprüche können leichter geltend gemacht werden
Daneben sieht das "Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs" noch weitere Maßnahmen vor. Damit ein Unternehmen einen Konkurrenten abmahnen kann, muss es tatsächlich in ausreichendem Maße im Wettbewerb zu ihm stehen. "Online-Shops mit Fantasieangeboten" werden dadurch ebenso ausgeschlossen wie Unternehmen, die insolvent sind, erläutert das Bundesfinanzministerium. Zudem soll verhindert werden, dass sich Wirtschaftsverbände allein mit dem Ziel gründen, Einnahmen aus Abmahnungen zu erzielen. Verbände dürfen deshalb nur noch abmahnen, wenn sie vom Bundesamt für Justiz überprüft wurden und auf einer Liste der Abmahnbefugten eingetragen sind.
Um missbräuchliche Abmahnungen leichter darlegen zu können, enthält das Gesetz zudem Regelbeispiele, die Betroffenen beim Nachweis helfen sollen. Hierzu zählen etwa die massenhafte Versendung von Abmahnungen durch Mitbewerber oder Fälle, in denen eine offensichtlich überhöhte Vertragsstrafe verlangt wird. Unternehmer, die zu Unrecht abgemahnt werden, erhalten künftig einen Gegenanspruch auf Ersatz der Kosten für die erforderliche Rechtsverteidigung. Eine weitere Erleichterung: Bei im Internet begangenen Verstößen konnten Abmahner bisher frei wählen, bei welchem Gericht sie Klage einreichen. Künftig ist bei Rechtsverstößen im Internet einheitlich der allgemeine Gerichtstand des beklagten Unternehmens zuständig.
Handwerksverbände kritisieren: DSGVO-Verstöße nun abmahnfähig
"Es ist gut, dass der Bundestag nach fast einjähriger Debatte endlich gesetzliche Maßnahmen verabschiedet, die dem Missbrauch von Abmahnungen einen Riegel vorschieben", erklärt Holger Schwannecke, Generalsekretär des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH). Damit die Handwerksorganisationen auch weiterhin ihren Beitrag zur Selbstkontrolle der Wirtschaft leisten könnten, sei es jedoch wichtig, dass den seriösen Handwerksorganisationen weiterhin ihre gesetzliche Abmahnbefugnis zusteht.
Auslöser für die Gesetzesänderung war eine Petition aus dem Jahr 2018 an den Deutschen Bundestag, der sich unter anderem der Zentralverband Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK) angeschlossen hatte. Mit dem nun beschlossenen Regeln zeigt sich der Verband zufrieden. Das Gesetz grenze die finanziellen Folgen bei berechtigten Abmahnungen deutlich ein und schaffe erleichterte Voraussetzungen für Gegenansprüche bei unberechtigten Abmahnungen.
Unbefriedigend sei jedoch, dass Verstöße gegen die DSGVO nicht von der Verfolgung ausgenommen wurden und nicht allein in der Hand der Datenschutzbehörden bleiben. Das sieht auch der ZDH so. "Wir brauchen keine zusätzliche Überwachung des Datenschutzes durch Konkurrenten, Verbände und Rechtsanwälte", kritisiert Schwannecke. Da der Europäische Gerichtshof hierzu demnächst ein Urteil fällen wird, hofft er, dass dieser den deutschen Gesetzgeber korrigieren und für Rechtssicherheit sorgen wird.
Das Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs hat am 9. Oktober 2020 den Bundesrat passiert und wird nach Unterzeichnung durch den Bundespräsidenten in Kraft treten. Organisationen, die von den neuen Vorschriften zur Abmahnbefugnis betroffen ist, wird eine Übergangsfrist von neun Monaten gewährt.
Außerdem: Monopolstellung von Autoherstellern wird eingeschränkt
Mit der gleichen Gesetzesnovelle wird auch das Recht von Autoherstellern am Design sichtbarer Ersatzteile wie Karosserieteilen, Scheinwerfern und Verglasungen eingeschränkt. Autofahrern bringe das Vorteile, so Bundesjustizministerin Lambrecht. "Durch unsere Neuregelung können sie ihr Auto in Zukunft günstiger reparieren und länger nutzen."
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